723896_web_R_K_B_by_Q.pictures_pixelio.de

Wenn Richter anscheinend das erste Semester an der Uni verpennt haben

Nicht umsonst gibt es wohl den Spruch „Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand“, aber hin und wieder kann man nur noch den Kopf schütteln bei manchen Gerichtsentscheidungen, die selbst auf dem ersten Blick vollkommen unlogisch und juristisch komplett nicht zu halten sind.

Man stelle sich folgendes Szenario vor:

Ein Entwickler programmiert eine Erweiterung für eine Software. Um diese Erweiterung auf Kompatibilität zu testen, hat dieser Entwickler in der Vergangenheit natürlich auch eine Lizenz für die Software im Einzelhandel erworben. Der Entwickler der Software mag nun jedoch die Erweiterung nicht und ist der Meinung, dass seine Software durch die Addon-Entwicklung gewerblich genutzt wurde, was der Hersteller der Erweiterung angeblich nicht durfte.

Er nimmt daher den Entwickler der Erweiterung (die im Übrigen in keiner Weise die Originalsoftware veränderte) wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen in Anspruch. Schon dieses Rechtsproblem ist an sich schwierig zu beantworten, denn beim Kauf im Ladengeschäft gibt es keinerlei Hinweis, dass die Software nicht gewerblich genutzt werden dürfe und andere mögliche Urheberrechtsverletzungen, wie Dekompilierung etc. liegen nicht vor.

Nun ist der Entwickler der Software immer noch nicht zufrieden und nimmt den Entwickler des Addons auch noch aus Vertrag in Anspruch. Ein Glück, dass dieser dabei auf das Landgericht Zwickau trifft, dem Logik fremd zu sein scheint.

Das Landgericht Zwickau entscheidet nun gegen den Entwickler des Addons mit folgender Begründung:

Die AGB, die der Entwickler der Originalsoftware verwendet, seien nicht ordnungsgemäß eingebunden, da diese beim Kauf im Ladengeschäft nicht vorgelegen haben und nachträglich, bei Registrierung des Produktes, nicht mehr hätten vereinbart werden können.

Da das Landgericht Zwickau nun aber anscheinend mit der Konsequenz aus dieser korrekten Interpretation der Rechtslage derart unzufrieden war, dachte es sich wohl, doch einmal eine Argumentation zu entwickeln, die gleich in mehrfacher Art und Weise unlogisch und rechtlich unhaltbar ist

Im Prinzip sämtliche Regelungen, die der Entwickler der Originalsoftware in seinen AGB habe, wie beispielsweise die Nutzung nur zu privaten Zwecken oder das Verbot der Herstellung und Nutzung von Erweiterungen, würden sich bereits allein aus dem Kaufvertrag der Software im Ladengeschäft ergeben.

Und das wohlgemerkt, obwohl, nach eigener Aussage des Gerichtes, keinerlei wirksame „Verschriftlichung“ eines Vertrages gibt. Alleine dieser Umstand ist schon höchstbedenklich und unter Gesichtspunkten wie Empfängerhorizont und Willen der Vertragsparteien nur schwer zu halten. Aber das Landgericht Zwickau hört damit nicht auf. Aus dieser „erfundenen“ Tatsache, die wohlgemerkt nie irgendeine Partei vorgetragen hat, wird auch noch eine völlig absurde Rechtsfolge gezogen

Das Landgericht Zwickau ist nämlich nun der Meinung, das sich aus seiner Annahme ergeben würde, dass ein wirksamer Vertrag geschlossen wurde, der Entwickler der Erweiterung dagegen verstoßen habe und dieser daher jetzt seine Software nicht mehr herstellen dürfe.

Um das noch einmal zu rekapitulieren. Das Landgericht Zwickau meint, dass ein Vertrag zwischen zwei Personen geschlossen wurde, obwohl deren Willenserklärungen absolut unterschiedlich sind. Die eine Partei will eine möglicherweise gewerbliche Handlung, die andere eine nur private Handlung. Die eine Partei möchte seine Addons an der Software testen, die andere Partei möchte es nicht.

Obwohl nun also zwei nicht übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen, ist das Landgericht Zwickau der Meinung, dass nicht etwa ein sogenannter Dissens (sei er nun offen ,versteckt oder eine weitere Variante) vorliegt und somit halt kein Vertragsschluss stattgefunden hat bzw. die nicht vereinbarten Regelungen nicht gelten, sondern eben doch ein Vertrag geschlossen wurde. Der Entwickler der Addon-Software habe also freiwillig einen Vertrag geschlossen, seine eigenen Addons nicht herzustellen und danach, indem er die doch Addons herstellt, gegen diesen Vertrag verstoßen. Eine absurde Vorstellung, um es gelinde zu sagen.

Aber das Landgericht Zwickau ist noch nicht fertig. Aufgrund des Verstoßes gegen den Vertrag, für den der Addonentwickler natürlich nie eine Willenserklärung abgegeben hat, wird nicht etwa im Wege einer Feststellungsklage festgestellt, dass kein Vertrag vorhanden war und er somit, eventuell wegen unrechtmäßiger Nutzung, schadensersatzpflichtig wäre, nein, ihm wird ein Unterlassungsgebot für seine eigene Software aufgebrummt, ein Unterlassungsgebot, welches eventuell aus Wettbewerbsrecht, nur sehr schwer vorstellbar aus Urheberrecht, aber doch sicher nicht aus einem Vertrag, den die eine Partei nicht wollte, hergeleitet werden kann.

Man glaubt, dass das Landgericht Zwickau nun aufgehört hat, abwegige Entscheidungen zu treffen? Weit gefehlt. Um den Auskunftsanspruch, den es wenn, nur aus Urheberrecht gibt, aus Vertrag zu konstruieren, obwohl dieser weder in den unwirksamen AGB noch im Gesetzt steht, ist das Gericht der Meinung, dieser könnte sich aus § 242 BGB, also aus Treu und Glauben, ergeben.

Ich muss anscheinend im ersten Semester an der Universität nicht aufgepasst haben, denn diese Urteilt widerspricht so dermaßen allem was ich über das Entstehen von Verträgen und Vertragsrecht als solches gelernt haben, dass es mir kalt den Rücken runter läuft, wie solche Urteile in Deutschland gefällt werden können.

Beitragsbild Copyright: Q.pictures /Pixelio

10 Antworten
  1. Lehmann
    Lehmann says:

    Da haben Sie in der Tat im 1. Semester nicht aufgepasst. Was das Gericht hier macht, nennt man ergänzende Vertragsauslegung, und sowas ist völlig lege artis.

    Der auf § 242 BGB gestützte Auskunftsanspruch ist genauso anerkannt (lernt man aber zugegebenermaßen noch nicht im 1. Semester).

    Antworten
    • Marian Härtel
      Marian Härtel says:

      Hallo Herr Lehmann,

      Lesen Sie doch bitte den ganzen Artikel. Es spricht nichts gegen Vertragsauslegung an sich. Hier ist sie nur sicher falsch erfolgt. Zudem kann die Schlussfolgerung ja nun nicht sein, dass eine Auslegung komplett gegen den Willen einer Partei erfolgt und dann die Widerhandlung gegen diese nicht gewollte Regelung nicht nur als Vertragsbruch gewertet wird, mit den entsprechenden Folgen, sondern zu einem permanenten, nicht mehr kündbaren oder so, Unterlassungsanspruch. Verzeihen sie, aber da erklären sie mir einmal…

      Härtel

      Antworten
      • Lehmann
        Lehmann says:

        Doch, da die ergänzende Vertragsauslegung vor allem Treu und Glauben und die Verkehrsanschauung berücksichtigt (bzw. das, was die Gerichte dafür halten), kommt dabei sogar sehr oft ein Ergebnis heraus, das einer Partei ganz und gar nicht passt. Und klar, ein Verstoß gegen die so in den Vertrag hineingelesenen Pflichten kann auch schadensersatzpflichtig machen. Juristischer Alltagskram.

        Antworten
        • Marian Härtel
          Marian Härtel says:

          Hallo,

          Sie haben absolut Recht, auch wenn ich die Auslegung als falsch sehe, aber dass kann man ohne mehr Details Zum Sachverhalt nicht beurteilen.

          Nur wurde hier gerade KEIN Schadensersatz ausgesprochen, sondern ein Unterlasssungshebot wie beispielsweise aus dem Urheberrecht oder UWG.

          Härtel

          Antworten
          • Lehmann
            Lehmann says:

            OK, dann also noch der Ergänzungssatz: Ein Verhalten, das einen schadensersatzpflichtig machen würde, muss man natürlich auch unterlassen. Und dazu kann man auch verurteilt werden.Immer noch juristischer Alltagskram.

    • Beraturex
      Beraturex says:

      Eine ergänzende Vertragsauslegung kann aber nur den hypothetischen Parteiwillen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses umfassen.
      Aus dem SV ergibt sich, dass zum Zeitpunkt des Kaufes für den Käufer keinerlei Hinweise auf ein Verbot einer gewerblichen Nutzung existierte.

      Antworten
    • Marian Härtel
      Marian Härtel says:

      Hallo Herr Meyen,

      Zu sämtlichen Vorsussetzungen, die da schön aufgeführt sind, beispielsweise warum der Anspruch dem Grunde nach existiert etc, schweigt sich das Urteil aus oder ist in der Konsequenz (dissenz) falsch. Dazu müsste man aber tatsächlich den Sachverhalt mehr kennen bzw. das sehr kurze Urteil gelesen haben. Das gebe ich zu.

      Antworten
  2. Winter
    Winter says:

    Wäre heute der 1. April, würde ich die Meldung für einen Scherz halten. Die richterliche Unabhängigkeit muss dringend durch eine fachliche Aufsicht eingeschränkt werden. Wie tlw. an AGs/LGs ausgelegt und geurteilt wird, gerne auch gegen Wortlaut und elementare Logik bedürfte einer Korrektur.

    Antworten

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Wollen Sie an der Diskussion teilnehmen?
Feel free to contribute!

Hinterlasse einen Kommentar zu Winter Antwort abbrechen