Gerichtskostenhilfe

Effizientes Arbeiten der Gerichte – offenbar immer noch Utopie

Im Jahr 2009 habe ich Frau N. in ihrem Ehescheidungsverfahren vor dem Amtsgericht Bernau vertreten. Frau N. ist geistig behindert. U.a. für den Aufgabenkreis „Vermögenssorge“ steht Frau N. unter Betreuung.

Für das damalige Ehescheidungsverfahren wurde Frau N. Verfahrenskostenhilfe bewilligt, denn aufgrund ihrer Behinderung kann sie keiner „normalen“ Tätigkeit nachgehen. Sie arbeitete damals in einer Behindertenwerkstatt.

Nun ist es so, dass nach § 120 Abs. 4 ZPO (Zivilprozessordnung) das Gericht innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren ab rechtskräftiger Gerichtsentscheidung die Entscheidung über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe überprüfen kann. Wenn sich also innerhalb dieses Zeitraums die wirtschaftlichen Verhältnisse derart verbessern, dass die Verfahrenskosten nun bezahlt werden könnten, wird die Bewilligung aufgehoben.

Diese Regelung ist natürlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Wenn jemand nach Abschluss eines Verfahrens, für dessen Kosten ihm Steuergelder zur Verfügung gestellt worden sind, in eine wirtschaftliche Lage kommt, die es ihm erlaubt, die Verfahrenskosten „aus eigener Tasche“ zu zahlen, ist es selbstverständlich, dass der Staat eine Handhabe hat, sich die von ihm übernommenen Kosten zurückzuholen.

Bei Frau N. ist nun aber die Änderung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse aufgrund ihrer persönlichen Umstände beim besten Willen nicht zu erwarten. Dennoch fordert das Amtsgericht alljährlich eine neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Frau N. Die Erklärung wird mir zugesandt, die längst abgelegte Akte wird aus dem Archiv geholt, ich leite die entsprechenden Formulare der Betreuerin zu, die sie mir ausgefüllt und mit Anlagen (Arbeitsvertrag, Hartz-IV-Bescheid, Mietvertrag usw.) zurückschickt. Ich leite dann alles an das Amtsgericht weiter.

Wenn ich bedenke, welche Ressourcenverschwendung mit dieser Verfahrensweise einhergeht, fehlt mir, auch angesichts der häufig beklagten Überlastung der Gerichte, jedes Verständnis. Es stand im Fall von Frau N. von Anfang an fest, dass Sie niemals ein Einkommen haben würde, dass es ihr erlauben könnte, die Verfahrenskosten selbst zu tragen, eine Änderung der Verhältnisse also beim besten Willen nicht zu erwarten war. Warum in solchen Fällen die Akte nach Beendigung des Verfahrens nicht einfach weggelegt wird, ist mir unbegreiflich. Nicht nur meine Arbeitszeit und die Arbeitszeit der Betreuerin, sondern auch die der Rechtspfleger und Schreibkräfte des Gerichts wird in meinen Augen verschwendet, von den Porto- und sonstigen Kosten ganz zu schweigen.

Kein privates Unternehmen könnte sich eine solche Verfahrensweise leisten. Warum gibt es bei den Gerichten immer noch keine Aufgabenkritik, anhand der sich ohne weiteres feststellen ließe, welche Aufgaben ersatzlos wegfallen könnten, um mehr Zeit für die Fälle zu haben, die einer intensiven Bearbeitung bedürfen?

3 Antworten
  1. James Bond
    James Bond says:

    Ja, ich klage auch lieber in Italien als hier. Da wird einfach die Bürokratie beiseitegeschoben und schlicht und einfach irgendwas entschieden. Gut, die Prozesse dauern fünfmal so lange wie in Deutschland. Aber wenigstens halten sich die Justizbediensteten nicht an Vorschriften.

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  2. -thh-thh
    -thh-thh says:

    Grundsätzlich richtig. Andererseits kann auch derjenige, der durch Arbeit niemals ein relevantes Einkommen wird erwirtschaften können, durch Erbschaft, Schenkung oder Lottogewinn zu Reichtum kommen …

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