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Achtung Bauernfänger – Gewerbetreibende und Kleinstunternehmer, aufgepasst!

Der Trick hat sich leider immer wieder bewährt: Unerfahrenen Gewerbetreibenden oder Kleinstunternehmen werden verschiedene Dienstleistungen, meist im Bereich Werbung und Marketing, an der Haustür oder über so genannte Fernkommunikationsmittel (Telefon, SMS, E-Mail, Internet etc.) angeboten. Wenn dann die Dienstleistung nicht in der gewünschten Form erfolgt oder den angepriesenen Mehrwert tatsächlich gar nicht erreicht, wird der Vertrag durch den Unternehmer einfach widerrufen, so wie man das privat auch schon mehrfach getan hat. Doch dann kommt der überraschende Haken an der Sache, denn widerrufen kann man einen Haustür- oder Fernabsatzvertrag nur, wenn man ihn als Verbraucher abgeschlossen hat. Dies ist aber bei Werbung oder Marketing für den Betrieb bzw. das Kleinstunternehmen gerade nicht der Fall. Der geschlossene Vertrag bleibt insoweit erst einmal gültig. In der Regel ist es auch nahezu unmöglich dem Dienstleister nachzuweisen, dass er überhaupt nicht tätig geworden ist bzw. dass dessen Tätigkeitsumfang und die entsprechende Vergütung in einem krassen Missverhältnis zueinander stehen. Darüber hinaus werden Vertragsziele („mit uns sind Sie bei Google einer der ersten Treffer für die von Ihnen gewählten Stichworte“) von betrügerischen Anbietern immer nur mündlich zugesichert, damit diese im Falle eines Rechtsstreits vom Unternehmer in der Regel ebenfalls nachgewiesen werden können. So bleibt vielen Gewerbetreibenden und Kleinstunternehmen nur in den sauren Apfel zu beißen, den Vertrag zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen und die bis dahin entstandenen Kosten abzuschreiben.

Eine dieser dubiosen Online Marketing Firmen mit dem unscheinbaren Namen „Schmidt“ (Inhaber ist ein gewisser Zdzislaw Latko, auf Briefköpfen gerne auch mal als Latko Schmidt bezeichnet) hat die Masche mittlerweile noch perfider ausgefeilt, um von ihrem unseriösen Geschäftsgebaren abzulenken. So werden von der Firma Schmidt (auch bekannt unter dem Namen „Schmidt-GW“ bzw. ehemals „Schmidt-Googlepartner“), relativ kurze Vertragslaufzeiten von 6 Monaten angeboten, um die Gewerbetreibenden oder Kleinstunternehmen ein wenig zu locken. Wer dann in diesen 6 Monaten unzufrieden ist, der freut sich, dass er wenigstens schnell wieder raus ist aus dem unsäglichen Vertrag. Doch dann kommt die böse Überraschung. Laut den vermeintlichen AGB der Firma Schmidt, die dem Unternehmer bei Vertragsschluss nicht einmal vorgelegt worden sind, verlängert sich die Vertragslaufzeit um weitere 6 Monate, wenn nicht rechtzeitig gekündigt worden ist (aber auch bei rechtzeitig verschickten Kündigungen wird gerne einfach mal deren Zugang vereitelt). Wer sich weigert zu zahlen, der wird insbesondere auf zwei Urteile hingewiesen:

  • OLG Bremen, Urt. v. 11. Februar 2004, Az.: 1 U 68/03, wonach AGB gegenüber einem Unternehmen auch dann wirksam Vertragsbestandteil werden können, wenn diese bei Vertragsschluss nicht vorliegen
  • BGH, Urt. v. 15. April 2010, Az.: Xa ZR 89/09, wonach Verlängerungsklauseln in AGB inhaltlich nicht gegen die §§ 307 ff. BGB verstoßen.

Damit lassen sich anscheinend genügend Betroffene einschüchtern und zur Zahlung bewegen, so dass diese Geschäftspraxis rentabel bleibt. Denn tatsächlich führen beide der eben zitierten Entscheidungen überhaupt zur Wirksamkeit der angeblichen Verlängerungsklausel im hiesigen Fall. So weist das OLG Bremen in seiner Entscheidung ausdrücklich daraufhin, dass für die wirksame Einbeziehung der AGB diese zwar nicht praktisch vorliegen, aber zumindest theoretisch abrufbar sein müssen. Wer sich den Internetauftritt der Firma Schmidt jedoch ansieht, wird feststellen, dass dort überhaupt keine AGB abgerufen werden können (unter der Bezeichnung Schmidt-Googlepartner wurde hingegen auf eine angebliche Internetseite verwiesen, die gar nicht existierte). Und auch der BGH weist in seiner Entscheidung ausdrücklich daraufhin, dass er im dortigen Rechtsstreit nur eine inhaltliche Prüfung der Verlängerungsklausel vornehmen durfte, weil der dortige Kläger ein Verbraucherschutzbund und kein direkt betroffener Verbraucher war. Neben dem konkreten Inhalt einer Verlängerungsklausel kommt es für deren Wirksamkeit aber auch auf die genaue Verwendung an und hier hat der BGH schon am 1. Juni 1989 (Az.: X ZR 78/88) festgestellt, dass Verlängerungsklauseln, die nicht in unmittelbarer Nähe zur festvereinbarten Vertragslaufzeit genannt werden, gemäß § 305 c Abs. 1 BGB (damals § 3 AGBG) auch gegenüber Unternehmern (!) als überraschend und damit unwirksam anzusehen sind. Im Ergebnis schauen Firmen wie die hier nur beispielhaft genannte Firma Schmidt, rechtlich gesehen in die Röhre. Tatsächlich aber scheinen zu wenige Betroffene ihr Recht zu kennen und zahlen lieber als sich zu wehren.

Sollten auch Sie Opfer einer solch dubiosen Firma geworden sein, zögern Sie nicht sich schnellstmöglich rechtlichen Beistand zu holen, damit solche Geschäftspraktiken nicht länger lohnend sind. Gerne stehen auch wir Ihnen bei solchen Angelegenheiten tatkräftig zur Seite.

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Kein generelles Verbot von Werbeblockern

Das Landgericht München I hat zwei Klagen deutscher Medienunternehmen gegen die Anbieter eines Werbeblockers abgewiesen.

Streitgegenständlich war ein, wohl den meisten bekanntes,  Software-Programm, das im Internet kostenlos heruntergeladen werden kann. Es blockiert die Anzeige von Werbung im Internet. Internetseitenbetreiber können sich allerdings gegenüber den Beklagten vertraglich zur Einhaltung bestimmter Kriterien für sog. „akzeptable Werbung“ verpflichten, so dass deren Webseiten über sog. „Weiße Listen“ freigeschaltet werden und dort Werbung trotz aktivierten Werbeblockers erscheint. Für dieses „Whitelisting“ fordern die Beklagten von ihren Vertragspartnern teilweise ein umsatzabhängiges Entgelt.

Das Geschäftsmodell der Beklagten wurde von den Klägerinnen unter verschiedenen Gesichtspunkten des Wettbewerbsrechts, Urheberrechts und Kartellrechts angegriffen. Die 37. Zivilkammer des Landgerichts München I hat jedoch mit zwei verkündeten Urteilen eine Rechtsverletzung verneint. Das Angebot und der Vertrieb der Werbeblocker-Software stellen laut Gericht insbesondere keine wettbewerbswidrige Behinderung der Klägerinnen dar, weil es letztendlich die Internetnutzer seien, die aufgrund einer autonomen und eigenständigen Entscheidung den Werbeblocker installieren und hierdurch die Anzeige der Werbung verhindern würden.

Auch liege keine Beteiligung der Beklagten an einer urheberrechtswidrigen Verwertungshandlung der Internetnutzer vor. Denn die bloße Nutzung des Angebots der Klägerinnen, die ihre Inhalte kostenlos im Internet öffentlich zugänglich machen, sei keine urheberrechtswidrige Verwertungshandlung durch den einzelnen Seitenbesucher, auch wenn der Webseitenbetreiber mit der Verwendung des Werbeblockers nicht einverstanden sei. Auch einen Verstoß gegen das Kartellrecht sieht das Gericht nicht, da – jedenfalls derzeit – keine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch die Beklagten anzunehmen sei. Dabei sei auf den Markt der Internetnutzer abzustellen, also auf die Verbreitung des streitgegenständlichen Werbeblockers unter den Internetnutzern in Deutschland. Entscheidend sei also, dass die Klägerinnen trotz des Vertriebs des Werbeblockers durch die Beklagten immer noch eine hinreichende Zahl von Internetnutzern mit der auf ihren Webseiten gezeigten Werbung erreichen könnten.

Haben Sie eine Abmahnung erhalten? Probleme mit Wettbewerbern im Internet? Marian Härtel und sein Team können ihnen helfen und stehen zunächst einmal unverbindlich für Fragen zur Verfügung.

Beitragsbild: Rainer Sturm  / pixelio.de

 

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Wenn Richter anscheinend das erste Semester an der Uni verpennt haben

Nicht umsonst gibt es wohl den Spruch „Auf hoher See und vor Gericht ist man in Gottes Hand“, aber hin und wieder kann man nur noch den Kopf schütteln bei manchen Gerichtsentscheidungen, die selbst auf dem ersten Blick vollkommen unlogisch und juristisch komplett nicht zu halten sind.

Man stelle sich folgendes Szenario vor:

Ein Entwickler programmiert eine Erweiterung für eine Software. Um diese Erweiterung auf Kompatibilität zu testen, hat dieser Entwickler in der Vergangenheit natürlich auch eine Lizenz für die Software im Einzelhandel erworben. Der Entwickler der Software mag nun jedoch die Erweiterung nicht und ist der Meinung, dass seine Software durch die Addon-Entwicklung gewerblich genutzt wurde, was der Hersteller der Erweiterung angeblich nicht durfte.

Er nimmt daher den Entwickler der Erweiterung (die im Übrigen in keiner Weise die Originalsoftware veränderte) wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen in Anspruch. Schon dieses Rechtsproblem ist an sich schwierig zu beantworten, denn beim Kauf im Ladengeschäft gibt es keinerlei Hinweis, dass die Software nicht gewerblich genutzt werden dürfe und andere mögliche Urheberrechtsverletzungen, wie Dekompilierung etc. liegen nicht vor.

Nun ist der Entwickler der Software immer noch nicht zufrieden und nimmt den Entwickler des Addons auch noch aus Vertrag in Anspruch. Ein Glück, dass dieser dabei auf das Landgericht Zwickau trifft, dem Logik fremd zu sein scheint.

Das Landgericht Zwickau entscheidet nun gegen den Entwickler des Addons mit folgender Begründung:

Die AGB, die der Entwickler der Originalsoftware verwendet, seien nicht ordnungsgemäß eingebunden, da diese beim Kauf im Ladengeschäft nicht vorgelegen haben und nachträglich, bei Registrierung des Produktes, nicht mehr hätten vereinbart werden können.

Da das Landgericht Zwickau nun aber anscheinend mit der Konsequenz aus dieser korrekten Interpretation der Rechtslage derart unzufrieden war, dachte es sich wohl, doch einmal eine Argumentation zu entwickeln, die gleich in mehrfacher Art und Weise unlogisch und rechtlich unhaltbar ist

Im Prinzip sämtliche Regelungen, die der Entwickler der Originalsoftware in seinen AGB habe, wie beispielsweise die Nutzung nur zu privaten Zwecken oder das Verbot der Herstellung und Nutzung von Erweiterungen, würden sich bereits allein aus dem Kaufvertrag der Software im Ladengeschäft ergeben.

Und das wohlgemerkt, obwohl, nach eigener Aussage des Gerichtes, keinerlei wirksame „Verschriftlichung“ eines Vertrages gibt. Alleine dieser Umstand ist schon höchstbedenklich und unter Gesichtspunkten wie Empfängerhorizont und Willen der Vertragsparteien nur schwer zu halten. Aber das Landgericht Zwickau hört damit nicht auf. Aus dieser „erfundenen“ Tatsache, die wohlgemerkt nie irgendeine Partei vorgetragen hat, wird auch noch eine völlig absurde Rechtsfolge gezogen

Das Landgericht Zwickau ist nämlich nun der Meinung, das sich aus seiner Annahme ergeben würde, dass ein wirksamer Vertrag geschlossen wurde, der Entwickler der Erweiterung dagegen verstoßen habe und dieser daher jetzt seine Software nicht mehr herstellen dürfe.

Um das noch einmal zu rekapitulieren. Das Landgericht Zwickau meint, dass ein Vertrag zwischen zwei Personen geschlossen wurde, obwohl deren Willenserklärungen absolut unterschiedlich sind. Die eine Partei will eine möglicherweise gewerbliche Handlung, die andere eine nur private Handlung. Die eine Partei möchte seine Addons an der Software testen, die andere Partei möchte es nicht.

Obwohl nun also zwei nicht übereinstimmende Willenserklärungen vorliegen, ist das Landgericht Zwickau der Meinung, dass nicht etwa ein sogenannter Dissens (sei er nun offen ,versteckt oder eine weitere Variante) vorliegt und somit halt kein Vertragsschluss stattgefunden hat bzw. die nicht vereinbarten Regelungen nicht gelten, sondern eben doch ein Vertrag geschlossen wurde. Der Entwickler der Addon-Software habe also freiwillig einen Vertrag geschlossen, seine eigenen Addons nicht herzustellen und danach, indem er die doch Addons herstellt, gegen diesen Vertrag verstoßen. Eine absurde Vorstellung, um es gelinde zu sagen.

Aber das Landgericht Zwickau ist noch nicht fertig. Aufgrund des Verstoßes gegen den Vertrag, für den der Addonentwickler natürlich nie eine Willenserklärung abgegeben hat, wird nicht etwa im Wege einer Feststellungsklage festgestellt, dass kein Vertrag vorhanden war und er somit, eventuell wegen unrechtmäßiger Nutzung, schadensersatzpflichtig wäre, nein, ihm wird ein Unterlassungsgebot für seine eigene Software aufgebrummt, ein Unterlassungsgebot, welches eventuell aus Wettbewerbsrecht, nur sehr schwer vorstellbar aus Urheberrecht, aber doch sicher nicht aus einem Vertrag, den die eine Partei nicht wollte, hergeleitet werden kann.

Man glaubt, dass das Landgericht Zwickau nun aufgehört hat, abwegige Entscheidungen zu treffen? Weit gefehlt. Um den Auskunftsanspruch, den es wenn, nur aus Urheberrecht gibt, aus Vertrag zu konstruieren, obwohl dieser weder in den unwirksamen AGB noch im Gesetzt steht, ist das Gericht der Meinung, dieser könnte sich aus § 242 BGB, also aus Treu und Glauben, ergeben.

Ich muss anscheinend im ersten Semester an der Universität nicht aufgepasst haben, denn diese Urteilt widerspricht so dermaßen allem was ich über das Entstehen von Verträgen und Vertragsrecht als solches gelernt haben, dass es mir kalt den Rücken runter läuft, wie solche Urteile in Deutschland gefällt werden können.

Beitragsbild Copyright: Q.pictures /Pixelio

Schadensersatz

Entschädigung bei Flugverspätung

Wer heutzutage schnell und bequem größere Strecken zurücklegen möchte, bucht schon mal gerne ein Flugzeug für die Reise. Der Preiskampf der einzelnen Anbieter macht es dabei möglich, dass bei rechtzeitiger Buchung so ein Flug auch nicht besonders teuer sein muss. Ärgerlich nur, wenn der Plan schiefgeht, weil das Flugzeug nicht rechtzeitig abheben kann und man erst viel später als geplant am Zielort ankommt.

Was viele Flugreisende nicht wissen, für die durch eine solche Verspätung entstandenen Unannehmlichkeiten steht ihnen gemäß der Verordnung 261/2004/EG vom 11. Februar 2004 je nach Verspätung und Reisedistanz eine pauschale Entschädigung zu (EuGH, Urt. v. 19. November 2009, Az.: C – 402/07 und C – 432/07).

Bei Entfernungen unter 1.500 km und einer Verspätung von über 2 Stunden beträgt die pauschale Entschädigung bereits 250 Euro pro Fluggast. Bei Flügen innerhalb der Europäischen Union (EU) mit einer Entfernung über 1.500 km und bei allen anderen Flügen mit einer Entfernung zwischen 1.500 km und 3.500 km liegt die Entschädigungspauschale bei einer Verspätung von mehr als 3 Stunden schon bei 400 Euro und bei nicht innergemeinschaftlichen Flügen mit einer Entfernung von über 3.500 km erhält jeder Fluggast eine Entschädigung von 600 Euro, wenn die Verspätung mehr als 4 Stunden beträgt.

Um die Entschädigung zu erhalten, muss man sich an die ausführende Fluglinie wenden. Dann folgt ein fast schon traditionelles Ritual: Die Fluglinie wird den Anspruch generell ablehnen. Das hat folgenden Grund: die Entschädigungszahlungen erfolgen pauschal und sind daher nicht an den Preis für das Flugticket geknüpft. Wer ein besonders günstiges Flugticket gekauft hat, bekommt u.U. mehr Geld als Entschädigung zurück, als er an die Fluggesellschaft ursprünglich gezahlt hat. Man kann sich an dieser Stelle ohne große ökonomische Kenntnisse ausmalen, was es für eine Fluggesellschaft bedeutet, wenn sie einen gesamten Flug nicht nur kostenfrei ausführen muss, sondern den Fluggästen für die Beförderung auch noch Geld bezahlen soll. Deshalb lehnen die Sachbearbeiter entsprechende Anfragen von Privatpersonen erst einmal grundsätzlich ab. Dabei wird meistens auf einen der folgenden Punkte abgestellt:

  • Es lag ein „außergewöhnlicher Umstand“ vor oder
  • die Entschädigung wurde nicht rechtzeitig geltend gemacht.

Ein „außergewöhnlicher Umstand“ liegt aber insbesondere nur dann vor, wenn die Verspätung aufgrund von Vorkommnissen eintritt, die für die Fluggesellschaft nicht absehbar bzw. nicht beeinflussbar gewesen sind. Typische Beispiele hierfür sind Wetterkapriolen, Aschewolken oder Streik von Personal (insbesondere Piloten oder Fluglotsen). Die erfahrungsgemäß von Fluglinien vorgetragenen „technischen Defekte“ am Flugzeug gehören hingegen in den von der Fluglinie zu kontrollierenden Bereich und stellen daher gerade keinen „außergewöhnlichen Umstand“ dar (EuGH Urt. v. 22. Dezember 2008, Az.: C-549/07).

Als Grund für das verspätete Vorbringen des Rechtsanspruches wird gerne auf die Begrenzung des Art. 35 des Montrealer Übereinkommens verwiesen, wonach der Anspruch innerhalb von 2 Jahren geltend zu machen ist. Art. 35 des Montrealer Übereinkommens ist aber auf Ansprüche aus der der Verordnung 261/2004/EG überhaupt nicht anwendbar (BGH, Urt. v. 10.12.2009, Az.: Xa ZR 61/09). Für solche Ansprüche gilt stattdessen die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB von 3 Jahren, beginnend immer zum Jahresende.

Erfahrungsgemäß erfolgt eine Auszahlung der Entschädigung erst, wenn der Fluggesellschaft Post vom Rechtsanwalt zugeht. Bei Fluggästen, die einen Rechtsanwalt beauftragen, ist in der Regel zu befürchten, dass diese ihren Anspruch notfalls auch gerichtlich geltend machen werden. Ein solches Gerichtsverfahren würde der Fluggesellschaft aber noch einmal wesentlich höhere Kosten verursachen, so dass an dieser Stelle häufig nachgegeben wird.

Obwohl die Fluggesellschaften der Einforderung der Entschädigung durch Privatpersonen generell nicht nachkommen, empfehlen wir dringend, dass erst ein entsprechendes Schreiben an die Fluggesellschaft geschickt wird, bevor ein Rechtsanwalt mit der Durchsetzung des Anspruchs beauftragt wird. Erst durch eine Zahlungsaufforderung verbunden mit einer angemessenen Zahlungsfrist kommt die Fluggesellschaft gemäß § 286 Abs. 1 BGB in den sogenannten Schuldnerverzug (sollte die Fluggesellschaft die Entschädigung ablehnen tritt der Verzug gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB auch schon früher ein). Sobald sich die Fluggesellschaft im Schuldnerverzug befindet, haftet sie gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB für die Kosten der weiteren Rechtsverfolgung, insbesondere die Kosten der außergerichtlichen Beauftragung eines Rechtsanwalts. Wird der Rechtsanwalt hingegen mit der Bearbeitung der Sache beauftragt, bevor es eine entsprechende Zahlungsaufforderung gab, muss man die dabei entstehenden Kosten grundsätzlich selbst tragen.

Sollten auch Sie Ihren Zielflughafen nicht pünktlich erreicht haben, nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf. Wir helfen Ihnen dabei Ihr Recht auf eine Entschädigung durchzusetzen. Vergessen Sie aber auch aus Ihrem eigenen Interesse nicht, zunächst eine erste Zahlungsaufforderung an die Fluggesellschaft zu schicken.

Schadensersatz

Rechtsmissbräuchliche Schadensersatzforderungen der Moto-Company Michael Wittig (vormals Moto-GbR) bei eBay-Auktionen

Immer wieder kommt es vor, dass einem Anbieter beim Erstellen von Auktionen auf der Online-Plattform eBay Fehler unterlaufen, z.B. weil für eine hochwertige Sache kein Mindestpreis angegeben oder aber versehentlich ein Einzelstück mehrfach zur Versteigerung angeboten wird. Wird der Fehler rechtzeitig bemerkt, kann die Auktion in der Regel ohne weitere Schwierigkeiten wieder abgebrochen werden. Anders sieht es jedoch aus, wenn bereits Gebote auf die Auktion abgegeben worden sind. Dann kommt regelmäßig ein rechtswirksamer Kaufvertrag zwischen dem Anbieter und dem Höchstbietenden bei Auktionsende zustande. Dabei ist es unerheblich, ob das Auktionsende durch den vorgegebenen Zeitablauf oder aber durch einen Abbruch seitens des Anbieters herbeigeführt wird. Kann dann der Anbieter die versteigerte Sache nicht an den Höchstbietenden übergeben bzw. weigert er sich dies zu tun, macht er sich damit regelmäßig schadensersatzpflichtig und zwar in Höhe der Differenz zwischen dem Höchstgebot und dem tatsächlichen Wert der Sache (Mit anderen Worten, je größer das Schnäppchen für den Bieter desto höher sein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Anbieter).

Diesen Umstand wollte sich die 2012 gegründete Moto-Company Michael Wittig (vormals Moto-GbR) zu Nutze machen und bot regelmäßig auf diesbezüglich aussichtsreiche Auktionen. Bis Mitte 2014 wurden aus diesem Grund bereits ca. 50 Gerichtsprozesse wegen vermeintlicher Schadensersatzansprüche begonnen. Dieser Geschäftspraxis hat aber mittlerweile eine Vielzahl von Gerichten einen Riegel vorgeschoben. Nach Ansicht der Gerichte verstößt ein Bieter, der ganz gezielt nach fehlerhaften Angeboten sucht, weil es ihm nicht auf die angebotene Sache, sondern einzig auf einen möglichen Schadensersatzanspruch ankommt, mit diesem Verhalten gegen den zivilrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB. Wird dann der Schadensersatzanspruch später wie von vornherein beabsichtigt geltend gemacht, handelt derjenige rechtsmissbräuchlich. Der Anspruch ist daher wegen einer unzulässigen Rechtsausübung zurückzuweisen. So hat es zuletzt auch das Amtsgericht Charlottenburg in einer von uns vertretenen Angelegenheit (das Urteil kann hier nachgelesen werden) entschieden.

Diese Rechtsprechung entbindet einen Anbieter bei eBay oder ähnlichen Auktionsplattformen aber nicht von seiner Pflicht bei der Erstellung der Auktion mit höchster Sorgfalt vorzugehen. Es schiebt lediglich der Geschäftspraxis Einzelner, gezielt Schadensersatzansprüche zur eigenen Bereicherung zu generieren, zumindest einen kleinen Riegel vor, vorausgesetzt dem Bieter kann ein solches Verhalten vom Anbieter auch nachgewiesen werden. Trotzdem gibt es erneut Berichte von derartigen Geschäftspraktiken, u.a. durch einen gewissen Herrn Martin Schemmel, der wiederum interessanterweise vom selben Rechtsanwalt vertreten wird, wie die Moto-Company Michael Wittig (Ein Schelm, wer Böses dabei denkt).

Sollten auch Sie Opfer solcher rechtsmissbräuchlicher Geschäftspraktiken geworden sein, helfen wir Ihnen gerne bei der Abwehr solcher unberechtigter Schadensersatzforderungen. Wenden Sie sich einfach für eine individuelle Beratung in Ihrer Sache an uns.

Gerichtskostenhilfe

Effizientes Arbeiten der Gerichte – offenbar immer noch Utopie

Im Jahr 2009 habe ich Frau N. in ihrem Ehescheidungsverfahren vor dem Amtsgericht Bernau vertreten. Frau N. ist geistig behindert. U.a. für den Aufgabenkreis „Vermögenssorge“ steht Frau N. unter Betreuung.

Für das damalige Ehescheidungsverfahren wurde Frau N. Verfahrenskostenhilfe bewilligt, denn aufgrund ihrer Behinderung kann sie keiner „normalen“ Tätigkeit nachgehen. Sie arbeitete damals in einer Behindertenwerkstatt.

Nun ist es so, dass nach § 120 Abs. 4 ZPO (Zivilprozessordnung) das Gericht innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren ab rechtskräftiger Gerichtsentscheidung die Entscheidung über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe überprüfen kann. Wenn sich also innerhalb dieses Zeitraums die wirtschaftlichen Verhältnisse derart verbessern, dass die Verfahrenskosten nun bezahlt werden könnten, wird die Bewilligung aufgehoben.

Diese Regelung ist natürlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Wenn jemand nach Abschluss eines Verfahrens, für dessen Kosten ihm Steuergelder zur Verfügung gestellt worden sind, in eine wirtschaftliche Lage kommt, die es ihm erlaubt, die Verfahrenskosten „aus eigener Tasche“ zu zahlen, ist es selbstverständlich, dass der Staat eine Handhabe hat, sich die von ihm übernommenen Kosten zurückzuholen.

Bei Frau N. ist nun aber die Änderung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse aufgrund ihrer persönlichen Umstände beim besten Willen nicht zu erwarten. Dennoch fordert das Amtsgericht alljährlich eine neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Frau N. Die Erklärung wird mir zugesandt, die längst abgelegte Akte wird aus dem Archiv geholt, ich leite die entsprechenden Formulare der Betreuerin zu, die sie mir ausgefüllt und mit Anlagen (Arbeitsvertrag, Hartz-IV-Bescheid, Mietvertrag usw.) zurückschickt. Ich leite dann alles an das Amtsgericht weiter.

Wenn ich bedenke, welche Ressourcenverschwendung mit dieser Verfahrensweise einhergeht, fehlt mir, auch angesichts der häufig beklagten Überlastung der Gerichte, jedes Verständnis. Es stand im Fall von Frau N. von Anfang an fest, dass Sie niemals ein Einkommen haben würde, dass es ihr erlauben könnte, die Verfahrenskosten selbst zu tragen, eine Änderung der Verhältnisse also beim besten Willen nicht zu erwarten war. Warum in solchen Fällen die Akte nach Beendigung des Verfahrens nicht einfach weggelegt wird, ist mir unbegreiflich. Nicht nur meine Arbeitszeit und die Arbeitszeit der Betreuerin, sondern auch die der Rechtspfleger und Schreibkräfte des Gerichts wird in meinen Augen verschwendet, von den Porto- und sonstigen Kosten ganz zu schweigen.

Kein privates Unternehmen könnte sich eine solche Verfahrensweise leisten. Warum gibt es bei den Gerichten immer noch keine Aufgabenkritik, anhand der sich ohne weiteres feststellen ließe, welche Aufgaben ersatzlos wegfallen könnten, um mehr Zeit für die Fälle zu haben, die einer intensiven Bearbeitung bedürfen?

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Gesetzesentwurf „Mietpreisbremse“ vom Bundeskabinett verabschiedet

Am 23.09.2014 hat die Bundesregierung den vom Justizministerium erarbeiteten Gesetzesentwurf zur Mietpreisbremse beschlossen. Damit wurde nach teilweise heftigen Diskussionen eine im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD geregelte Vereinbarung umgesetzt.

Mit dem noch von Bundestag und Bundesrat zu beschließenden Gesetz soll die Entwicklung der Mieten bei Neuvermietung von Wohnraum in Gebieten mit „angespannten“ Wohnungsmärkten eingeschränkt werden.

Zur Bestimmung der Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt werden die Landesregierungen ermächtigt. Diese können per Rechtsverordnung festlegen, für welche Gebiete die Mietpreisbremse für einen Zeitraum von zunächst 5 Jahren gelten soll, sofern eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1. Die Mieten steigen in dem Gebiet stärker als im Bundesdurchschnitt

2. Die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte in dem Gebiet übersteigt den Bundesdurchschnitt

3. In dem Gebiet wächst die Bevölkerung, ohne dass durch Neubautätigkeit Wohnraum in ausreichendem Maße geschaffen wird

4. In dem Gebiet gibt es geringen Wohnungsleerstand bei großer Nachfrage

Es ist davon auszugehen, dass es den Bundesländern nicht schwerfallen wird, für die meisten Großstädte, aber auch für viele Mittelstädte, entsprechende Rechtsverordnungen zu erlassen, weil zumindest eines der o. g. Kriterien erfüllt ist, zumal die Bedingungen nur unscharf definiert sind.

Nach dem beschlossenen Gesetzesentwurf darf der Vermieter im Anwendungsbereich einer solchen Rechtsverordnung die Miete bei der Neuvermietung von Wohnraum mit maximal 110% der ortüblichen Vergleichsmiete vereinbaren. War die frei geworden Wohnung zuvor zu einer Miete vermietet, die über diesem Betrag lag, darf der Vermieter diese Miete erneut vereinbaren und muss sich nicht an den nach dem Mietpreisbremsen-Gesetz gekappten Maximalbetrag (110% der ortsüblichen Miete) halten. Um dies kontrollierbar zu machen, wird dem Mieter ein gesetzliches Auskunftsrecht zu den preisbildenden Tatsachen eingeräumt, so dass der Vermieter auf Verlangen den (anonymisierten) Mietvertrag mit dem Vormieter vorlegen muss. Der Vermieter kann in dem vorgenannten Fall die Miete auch bei der Neuvermietung erst dann erhöhen, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete einen höheren Betrag erlaubt.

Für den Fall, dass ein Vermieter die Wohnung zu teuer im Sinne des Gesetzes zur Mietpreisbremse vermietet, muss der Mieter nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf den Verstoß schriftlich rügen. Ein Rückforderungsrecht bzgl. der „überzahlten“ Miete ergibt sich erst ab dem Zeitpunkt des Zugangs einer solchen Rüge beim Vermieter.

Ausnahmen regelt der Gesetzesentwurf für Neubauten, die nach dem 01.10.2014 erstmals genutzt wurden und für die Erstvermietung von Wohnraum, der umfassend saniert wurde. Nach Auffassung des Justizministeriums ist eine Modernisierung umfassend, wenn sie einen solchen Umfang aufweist, dass eine Gleichstellung mit Neubauten gerechtfertigt erscheint. Das kann häufig angenommen werden, wenn die Investition etwa ein Drittel des für eine vergleichbare Neubauwohnung erforderlichen Aufwands erreicht.

Von dem Gesetz sind bestehende Mietverträge nicht betroffen. Sämtliche Staffel- und Indexvereinbarungen bleiben wirksam. Die Mietpreisbremse gilt erst für alle Mietverträge, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen werden. Staffelmietverträge können dann nur im preislichen Rahmen der Mietpreisbremse (110% der ortsüblichen Miete) vereinbart werden. Das gilt sowohl für den Ausgangsbetrag, als auch für die Staffeln. Bei Indexmietverträgen gilt die Beschränkung des Mietpreises nur für die Ausgangsmiete.

Eine wesentliche Änderung ergibt sich nach dem verabschiedeten Gesetzesentwurf bei der Umlage der Kosten für einzelne (nicht umfassende) Modernisierungsmaßnahmen. Während nach der aktuellen Gesetzeslage die Umlage von 11% der Modernisierungsaufwendungen pro Jahr nur für vermiete Wohnungen gilt, soll dies künftig auch für zum Zeitpunkt der Modernisierung nicht vermietetem Wohnraum gelten, um Modernisierungsanreize auch für leerstehende Wohnungen zu schaffen. Die Obergrenze der Mietpreisbremse (110% der ortsüblichen Miete) kann dann überschritten werden.

Geplant ist, dass die Mietpreisbremse in der ersten Jahreshälfte 2015 in Kraft tritt. Konkret wird es jedoch erst, wenn die Bundesländer im Anschluss die Gebiete mit angespanntem Wohnraum per Rechtsverordnung definieren.

Von den Vermietern und deren Interessenverbänden wird grundsätzlich jede Regulierung des Marktes abgelehnt. Da die Mietpreisbremse im Rahmen der Diskussionen im Vorfeld des Gesetzesentwurfs jedoch deutlich gravierende Einschränkungen befürchten ließ, herrscht dank der zahlreichen Ausnahmeregelungen allgemein eine gewisse Erleichterung. Es wird dennoch davon ausgegangen, dass aufgrund der zahlreichen Unklarheiten im Gesetzesentwurf und dadurch bedingte Unsicherheiten Vermieter Investitionen einschränken oder verschieben.

Gegenstand der Diskussion bei der praktischen Umsetzung des künftigen Gesetzes wird wohl die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete sein. In den meisten Fällen wird die ortsübliche Vergleichsmiete anhand des Mietspiegels ermittelt. Für die Aufstellung von Mietspiegeln gibt es jedoch keine einheitlichen Bestimmungen, so dass es hierbei zu sehr unterschiedlichen Methoden kommt. Teilweise werden die vom Bundesgerichtshof definierten wissenschaftlichen Methoden nicht eingehalten. Die bei der Aufstellung des Mietspiegels verwendeten Daten sind überwiegend nicht aktuell, so dass der Mietspiegel kein realistisches, sondern ein historisches Bild von der Ortsüblichkeit der Miete zeichnet. Einige Städte und Gemeinden stellen qualifizierte, die Mehrheit nur einfache und weitere gar keine Mietspiegel auf. In der Folge wird auch von Seiten der Bundesregierung mit einer Zunahme von gerichtlichen Streitigkeiten über die Höhe der ortsüblichen Miete gerechnet.

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Zivilprozesse dauern häufig viel zu lange

© kwarner - Fotolia.comEs kommt vor, dass man bei einem Landgericht mehrere Jahre auf ein Urteil warten muss. Ich bearbeite z.B. gerade einen Verkehrsunfall aus dem September 2011, ein Urteil ist nicht vor 2015 zu erwarten. Im Grunde ist eine derartige Prozessdauer für alle Beteiligten unzumutbar.  Es stellen sich Fragen, ob man das Auto reparieren und dabei die Unfall- und damit Beweisspuren vernichten darf, ob man es verkaufen kann oder wie die Beweischancen aussehen, wenn sich Zeugen nach Jahren nicht mehr an Einzelheiten des Unfalls erinnern können,

Nachdem meine Klage im August 2012 (!) nach einem vorausgegangenen Prozesskostenhilfeverfahren rechtshängig geworden war, d.h. nachdem die Gegenseite die Klage vom Gericht zugestellt erhalten hatte, wurde ein Verhandlungstermin auf den 25. 2. 2013 anberaumt. Am Morgen des 25. 2. 2013 erreichte mich ein Telefonanruf des Gerichts, in dem mir mitgeteilt wurde, die Richterin sei krank, der Termin fände deshalb nicht statt. Als ich am 15. 3. 2013 die Ladung zu einem neuen Termin erhielt, glaubte ich, meinen Augen nicht trauen zu können. Der neue Termin sollte erst am 9. 9. 2013 stattfinden, 6 Monate nach dem zunächst vorgesehenen.

In der Verhandlung am 9. 9. 2014 wurde vom Gericht beschlossen, dass ein Unfallrekonstruktionsgutachten durch einen Sachverständigen erstellt werden soll. Der Gutachtenauftrag selbst wurde dem Sachverständigen erst am 11. 11. 2013, also erst zwei Monate nach der Verhandlung, erteilt. Das Gericht setzte dem Sachverständigen eine Frist für die Erstellung des Gutachtens bis zum 14. 2. 2014.

Man kann erfahrungsgemäß davon ausgehen, dass derartige Fristen von den Gutachtern nicht eingehalten werden und dass das Gericht von den ihm zur Verfügung stehenden Sanktionsmöglichkeiten gegen einen Gutachter (Verhängung eines Ordnungsgeldes) keinen Gebrauch macht. Auch in diesem Fall war das Gutachten am 14. 2. 2014 nicht fertig, der Gutachter hatte die Fahrzeuge bis zu diesem Tag nicht einmal besichtigt. Die gemeinsame Besichtigung der Unfallfahrzeuge in Gegenwart der Parteien und deren Rechtsanwälten fand schließlich am 20. 2. 2014 statt. Der Sachverständige erklärte im Anschluss an die Besichtigung, das Gutachten werde voraussichtlich Anfang Mai 2014 vorliegen. Mitte Mai teilte der Sachverständige mit, das Gutachten würde bis Anfang Juni 2014 fertiggestellt werden, immerhin entschuldigte er sich für die Verzögerung.

Bei mir ist das Gutachten letztlich am 2. Juli 2014 eingegangen.

Nun ist es natürlich so, dass die Prozessparteien Gelegenheit haben, sich mit dem Gutachten auseinanderzusetzen und dazu Stellung zu nehmen. Es mutet angesichts des vorstehend beschriebenen Zeitablaufs schon merkwürdig an, dass die Rechtsanwälte dann nur 2 Wochen Zeit haben, sich mit einem 17-seitigen Gutachten, in dem Bezug genommen wird auf 36 Anlagen, zu beschäftigen, mit dem Mandanten Rücksprache zu nehmen und einen Schriftsatz an das Gericht zu schicken. Aber im Interesse des zügigen Fortgangs des Verfahrens wird der Rechtsanwalt in der Regel diese Frist einhalten, so auch in diesem Fall.

Daraufhin teilte das Gericht mit, dass ein Termin für eine weitere mündliche Verhandlung über das Gutachten frühestens im März 2015 stattfinden könne.

Zwei Probleme könnten also bei der Erledigung der landgerichtlichen Verfahren eine Rolle spielen:

  1. Eine mögliche Überlastung der Gerichte.
  2. Die Verzögerung der Prozesse bei notwendiger Einholung von Sachverständigengutachten.

Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention), Art. 2 Abs. 1 GG (Grundgesetz) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG sollen einen wirkungsvollen Rechtsschutz gewährleisten und verpflichten damit zugleich, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen.

Erschreckende gut 25 Prozent der erstinstanzlichen landgerichtlichen Urteile werden erst nach mehr als zwei Jahren gesprochen.

Liegt es an der Überlastung der Landgerichte?

Nein, denn Baden-Württemberg, das bundesweit die geringste Verfahrensdauer verzeichnet, hat ca. 18 Richter pro 100.000 Einwohner und Schleswig-Holstein, das auf eine wesentlich längere durchschnittliche Verfahrensdauer kommt, hat mehr als doppelt so viele Richter auf 100.000 Einwohner (Statistisches Jahrbuch 2012, S. 304).*

Nein, es ist viel banaler, wie eine vom Oberlandesgericht Hamm durchgeführte Ursachenforschung, an der sich vier Oberlandesgerichte beteiligt haben, ergeben hat (Der Präsident des Oberlandesgerichts Hamm (Hrsg) Langdauernde Zivilverfahren, 2013).

Danach werden die Verfahrensdauern beeinflusst durch:

  • die Höhe des Streitwerts
  • die Blattzahl der Akten
  • Verfahrensbesonderheiten (z.B. Widerklage)
  • eine Mehrheit von Klägern oder Beklagten
  • Anwaltswechsel
  • die Zahl der Zeugen
  • Terminverlegungen
  • den Verfahrensgegenstand

In jedem zweiten der langdauernden landgerichtlichen Verfahren findet eine Beweiserhebung mit Hilfe eines Sachverständigen statt. In 75 % der Fälle wurden die von den Gerichten gesetzten Fristen für die Erstellung des Sachverständigengutachtens um durchschnittlich 4,9 Monate überzogen. Nur in der Hälfte dieser Fälle folgte auf die Fristüberschreitung eine gerichtliche Reaktion und dann auch nur in Form einer Sachstandsanfrage.

Mit der gesamten Problematik befasst sich der diesjährige Juristentag in Hannover. Prof. Dr. Gralf-Peter Callies hat hierzu ein Gutachten verfasst und verschiedene Thesen aufgestellt, wie den Problemen beizukommen sein könnte, und die zu diskutieren sind, s. Juristentag, Prozessrecht, Der Richter im Zivilprozess –Sind ZPO und GVG noch zeitgemäß?, Thesen zum Gutachten von Prof. Dr. Gralf-Peter Callies, Bremen.

Hier eine Auswahl:

  • Bei den Landgerichten sind Spezialkammern für komplexe Verfahren, z.B. für Bausachen, Arzthaftungssachen, Verkehrsunfallsachen, Anlegerschutzverfahren etc. einzurichten.
  • Die Richterbank ist dabei interdisziplinär mit ehrenamtlichen Richtern (Bausachverständige, Amtsärzte, Steuerberater etc.) oder Fachrichtern zu ergänzen.
  • Die Zuständigkeiten dieser Kammern sind im Hinblick auf deren Auslastung ggfs. auch über Ländergrenzen hinweg zu konzentrieren.
  • Ein Richter, der wegen Überlastung oder aus sonstigen Gründen eine Erledigung von einem oder mehreren Verfahren in angemessener Zeit für unwahrscheinlich hält, hat dies dem Präsidium des Gerichts unverzüglich anzuzeigen, damit das Präsidium Maßnahmen ergreifen kann, die die Erledigung der betroffenen Verfahren in angemessener Zeit ermöglichen.

Ferner fordert Prof. Callies u.a.:

Im DRiG (Deutsches Richtergesetz) wird eine Fortbildungspflicht für Richter in fachlicher (Spezialisierung(, methodischer (Intervision etc.) und technischer (elektronische Akte etc.) Hinsicht verankert.

Die Vorschriften der ZPO (Zivilprozessordnung) zum Sachverständigenbeweis sind mit dem Ziel zu reformieren, das hoheitliche Zwangsverhältnis zwischen Gericht und Sachverständigen durch ein anreizgesteuertes Marktverhältnis zu ersetzen. Es ist eine bundesweite, gerichtinterne Sachverständigendatenbank mit Bewertungen und Erfahrungsberichten einzurichten.

Man darf gespannt sein………

AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen mit Dokument und Füller und Schreibtisch

Fremdsprachige AGB sind unzumutbar

AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen mit Dokument und Füller und SchreibtischDie Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hat gegen den amerikanischen Instant-Messaging-Dienst WhatsApp ein Urteil erstritten, der es WhatsApp untersagt gegenüber deutschen Verbrauchern Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) in englischer Sprache zu verwenden.

AGB werden gemäß dem deutschen Recht nur dann gegenüber dem anderen Vertragsteil wirksam, wenn sie in den Vertrag einbezogen worden sind. Die Einbeziehung gemäß § 305 Abs. 2 BGB setzt dabei voraus, dass der andere Vertragsteil auf die Verwendung der AGB hingewiesen wurde und deren Inhalt in zumutbarer Weise zur Kenntnis nehmen kann. Letzteres ist laut dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. Mai 2014 (Az.: 15 O 44/13) nicht der Fall, wenn die AGB nur in englischer Sprache aufgerufen werden können. Es sei laut Gericht nicht davon auszugehen, dass Verbraucher in Deutschland AGB in englischer (Rechts-) Sprache ohne weiteres Verstehen.

Allerdings ist das Urteil bisher noch nicht rechtskräftig, so dass WhatsApp noch die Möglichkeit besitzt, gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vorzugehen.

In Anbetracht der Tatsache, dass Englisch noch die im Internet gängigste Fremdsprache ist, dürften sämtliche anderen Fremdsprachen das gleiche Problem haben. Daher sollten insbesondere Anbieter, die ihren Sitz nicht in Deutschland haben, dringend darauf achten, gegenüber deutschen Verbrauchern auch deutschsprachige AGB zu verwenden. Andernfalls kämen die geschlossenen Verträge ohne den Inhalt der AGB zustande. Abzuraten ist dabei von einer bloßen Übersetzung der fremdsprachigen AGB, denn zum einen stimmen die rechtlichen Bestimmungen der einzelnen Länder für der derartige Vertragsklauselwerke häufig nicht überein, zum anderen werden Klauseln unwirksam, wenn Sie bei einer fehlerhaften Übersetzung unverständlich oder nicht eindeutig wiedergegeben werden.

European Union flags over sky background

EU-Verbraucherrichtlinie 83/2011

European Union flags over sky backgroundHinter diesem kryptischen Namen verbergen sich sehr gewaltige Umwälzungen des Verbraucherschutzrechtes im Rahmen des Online-Handels. Diese treten bereits am 13. Juni 2014 deutschlandweit in Kraft. Online-Shops sollten diese Änderung der Rechtslage sehr ernst nehmen. Zum einen weil auch ihnen neue Möglichkeiten z.B. bei den Rücksendekosten von Waren eröffnet werden, zum anderen weil der neuen Rechtsordnung widersprechende Vereinbarungen, insbesondere in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), einen Wettbewerbsverstoß darstellen würden, den Mitbewerber auf Kosten des verletzenden Online-Händlers abmahnen können. Es ist an dieser Stelle leider auch nicht auszuschließen, dass einzelne Anbieter diese Gesetzesänderung sogar gezielt für eine neuerliche Abmahnwelle nutzen werden. Im Einzelnen sind dabei folgende Änderungen zu beachten:

1. Widerrufsbelehrung und Widerrufsformular

Die Musterwiderrufsbelehrung wird an die gesetzlichen Neuerungen angepasst. Dabei werden insbesondere eine einheitliche Widerrufsfrist von 14 Tagen sowie die Möglichkeit des ausdrücklichen aber formlosen Widerrufs eingeführt. Gleichzeitig muss der Händler aber ein Widerrufsformular für seine Kunden bereit halten. Auch dafür wird vom Gesetzgeber ein entsprechendes Muster bereitgestellt.

Eine besondere Neuerung gibt sich hier zusätzlich für die Lieferung digitaler Inhalte (z.B. Download oder Streaming von Software, Ebooks, Videos oder Musik sowie das Anbieten von Apps oder Onlinespielen). Hierbei kann zukünftig mit dem Verbraucher ein Erlöschen des Widerrufsrechts ab Beginn der „Lieferung“ bzw. des Downloads vereinbart werden. Allerdings ist auf die genaue Formulierung sowie Platzierung der Vereinbarung zu achten.

2. Rücksendekosten und Zurückbehaltungsrecht

Anders als bisher, können im Online-Handel zukünftig die Rücksendekosten im Falle des Widerrufs vollständig auf den Kunden übertragen werden, wenn er den Kunden innerhalb der Widerrufsbelehrung darüber informiert. Hinzu kommt, dass der Händler die Rückzahlung des Kaufpreises solange verweigern kann bis er die Ware zurückerhalten oder der Verbraucher deren Absendung nachgewiesen hat.

3. Rückgaberecht wird gestrichen

Die bisher in § 356 BGB eingeräumte Möglichkeit des Händlers gegenüber Verbrauchern anstelle des Widerrufsrechts ein bloßes Rückgaberecht einzuräumen, wird ersatzlos gestrichen. Ein Rückgaberecht kann aber zusätzlich zum Widerrufsrecht und deutlich von diesem abgegrenzt zusätzlich vereinbart werden.

4. Neue Informationspflichten

Im Online-Handel müssen zukünftig weitere Informationen, teilweise auch im Impressum, bereitgestellt werden. Dazu zählen insbesondere

a) eine Telefonnummer, wobei es sich dabei nicht mehr um eine kostenpflichtige Hotline handeln darf,
b) eine Angabe über den genauen Liefertermin, wobei Ca.-Angaben in begrenztem Maße zulässig sind,
c) eine Belehrung über das Bestehen des gesetzlichen Mängelhaftungsrechts, welche bisher erst mit der Lieferung der Ware erfolgen musste,
d) gegebenenfalls Informationen über die genauen Bedingungen einer vom Händler gewährten Garantie und
e) Angaben über mögliche Lieferbeschränkungen sowie die akzeptierten Zahlungsmittel.

5. Zahlungsmittel

Zuschläge für bestimmte Zahlungsmittel dürfen nur noch dann erhoben werden, wenn daneben eine gängige und zumutbare unentgeltliche Alternative angeboten wird und müssen den tatsächlichen Mehrkosten des Händlers für die gewählte Zahlungsmethode entsprechen.

6. Vertragsbestätigung

Der Online-Händler muss den Vertrag gegenüber dem Verbraucher spätestens mit Lieferung der Ware schriftlich bestätigen. Dazu zählt aber neben einer schriftlichen Bestätigung auf Papier auch eine digitale, speicher- und druckbare Datei, sofern der Verbraucher dem zugestimmt hat.

Sollten auch Sie Ihren Online-Shop an die neuen Regelungen anpassen müssen, zögern sie nicht sich einen fachkompetenten Rechtsbeistand für die Angelegenheit zu suchen. Fehler an dieser Stelle können, wie Eingangs schon erwähnt, teure Abmahnungen nach sich ziehen.