Schadensersatz

Entschädigung bei Flugverspätung

Wer heutzutage schnell und bequem größere Strecken zurücklegen möchte, bucht schon mal gerne ein Flugzeug für die Reise. Der Preiskampf der einzelnen Anbieter macht es dabei möglich, dass bei rechtzeitiger Buchung so ein Flug auch nicht besonders teuer sein muss. Ärgerlich nur, wenn der Plan schiefgeht, weil das Flugzeug nicht rechtzeitig abheben kann und man erst viel später als geplant am Zielort ankommt.

Was viele Flugreisende nicht wissen, für die durch eine solche Verspätung entstandenen Unannehmlichkeiten steht ihnen gemäß der Verordnung 261/2004/EG vom 11. Februar 2004 je nach Verspätung und Reisedistanz eine pauschale Entschädigung zu (EuGH, Urt. v. 19. November 2009, Az.: C – 402/07 und C – 432/07).

Bei Entfernungen unter 1.500 km und einer Verspätung von über 2 Stunden beträgt die pauschale Entschädigung bereits 250 Euro pro Fluggast. Bei Flügen innerhalb der Europäischen Union (EU) mit einer Entfernung über 1.500 km und bei allen anderen Flügen mit einer Entfernung zwischen 1.500 km und 3.500 km liegt die Entschädigungspauschale bei einer Verspätung von mehr als 3 Stunden schon bei 400 Euro und bei nicht innergemeinschaftlichen Flügen mit einer Entfernung von über 3.500 km erhält jeder Fluggast eine Entschädigung von 600 Euro, wenn die Verspätung mehr als 4 Stunden beträgt.

Um die Entschädigung zu erhalten, muss man sich an die ausführende Fluglinie wenden. Dann folgt ein fast schon traditionelles Ritual: Die Fluglinie wird den Anspruch generell ablehnen. Das hat folgenden Grund: die Entschädigungszahlungen erfolgen pauschal und sind daher nicht an den Preis für das Flugticket geknüpft. Wer ein besonders günstiges Flugticket gekauft hat, bekommt u.U. mehr Geld als Entschädigung zurück, als er an die Fluggesellschaft ursprünglich gezahlt hat. Man kann sich an dieser Stelle ohne große ökonomische Kenntnisse ausmalen, was es für eine Fluggesellschaft bedeutet, wenn sie einen gesamten Flug nicht nur kostenfrei ausführen muss, sondern den Fluggästen für die Beförderung auch noch Geld bezahlen soll. Deshalb lehnen die Sachbearbeiter entsprechende Anfragen von Privatpersonen erst einmal grundsätzlich ab. Dabei wird meistens auf einen der folgenden Punkte abgestellt:

  • Es lag ein „außergewöhnlicher Umstand“ vor oder
  • die Entschädigung wurde nicht rechtzeitig geltend gemacht.

Ein „außergewöhnlicher Umstand“ liegt aber insbesondere nur dann vor, wenn die Verspätung aufgrund von Vorkommnissen eintritt, die für die Fluggesellschaft nicht absehbar bzw. nicht beeinflussbar gewesen sind. Typische Beispiele hierfür sind Wetterkapriolen, Aschewolken oder Streik von Personal (insbesondere Piloten oder Fluglotsen). Die erfahrungsgemäß von Fluglinien vorgetragenen „technischen Defekte“ am Flugzeug gehören hingegen in den von der Fluglinie zu kontrollierenden Bereich und stellen daher gerade keinen „außergewöhnlichen Umstand“ dar (EuGH Urt. v. 22. Dezember 2008, Az.: C-549/07).

Als Grund für das verspätete Vorbringen des Rechtsanspruches wird gerne auf die Begrenzung des Art. 35 des Montrealer Übereinkommens verwiesen, wonach der Anspruch innerhalb von 2 Jahren geltend zu machen ist. Art. 35 des Montrealer Übereinkommens ist aber auf Ansprüche aus der der Verordnung 261/2004/EG überhaupt nicht anwendbar (BGH, Urt. v. 10.12.2009, Az.: Xa ZR 61/09). Für solche Ansprüche gilt stattdessen die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB von 3 Jahren, beginnend immer zum Jahresende.

Erfahrungsgemäß erfolgt eine Auszahlung der Entschädigung erst, wenn der Fluggesellschaft Post vom Rechtsanwalt zugeht. Bei Fluggästen, die einen Rechtsanwalt beauftragen, ist in der Regel zu befürchten, dass diese ihren Anspruch notfalls auch gerichtlich geltend machen werden. Ein solches Gerichtsverfahren würde der Fluggesellschaft aber noch einmal wesentlich höhere Kosten verursachen, so dass an dieser Stelle häufig nachgegeben wird.

Obwohl die Fluggesellschaften der Einforderung der Entschädigung durch Privatpersonen generell nicht nachkommen, empfehlen wir dringend, dass erst ein entsprechendes Schreiben an die Fluggesellschaft geschickt wird, bevor ein Rechtsanwalt mit der Durchsetzung des Anspruchs beauftragt wird. Erst durch eine Zahlungsaufforderung verbunden mit einer angemessenen Zahlungsfrist kommt die Fluggesellschaft gemäß § 286 Abs. 1 BGB in den sogenannten Schuldnerverzug (sollte die Fluggesellschaft die Entschädigung ablehnen tritt der Verzug gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB auch schon früher ein). Sobald sich die Fluggesellschaft im Schuldnerverzug befindet, haftet sie gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB für die Kosten der weiteren Rechtsverfolgung, insbesondere die Kosten der außergerichtlichen Beauftragung eines Rechtsanwalts. Wird der Rechtsanwalt hingegen mit der Bearbeitung der Sache beauftragt, bevor es eine entsprechende Zahlungsaufforderung gab, muss man die dabei entstehenden Kosten grundsätzlich selbst tragen.

Sollten auch Sie Ihren Zielflughafen nicht pünktlich erreicht haben, nehmen Sie gerne Kontakt zu uns auf. Wir helfen Ihnen dabei Ihr Recht auf eine Entschädigung durchzusetzen. Vergessen Sie aber auch aus Ihrem eigenen Interesse nicht, zunächst eine erste Zahlungsaufforderung an die Fluggesellschaft zu schicken.

Pressmeldung

Rechtsanwalt Marian Härtel wechselt zu Kaesler und Kollegen

Der auf die Spiele-Branche spezialisierte Anwalt baut dort den IT-Practice- und Games-Bereich auf.

Marian_Härtel
Rechtsanwalt Marian Härtel wechselt zur Berliner Kanzlei Kaesler & Kollegen und wird dort die Bereiche IT-Practice und Games aufbauen. Neben der normalen Beratung von Startups und KMU aus dem Spielbereich wird er sich bei Kaesler & Kollegen vor allem darauf spezialisieren, Ansiedlungen von Asiatischen (bzw. allgemein außereuropäischen) Unternehmen in Europa zu ermöglichen.

Härtel, der in Berlin Jura mit dem Schwerpunkt Wettbewerbs- und Urheberrecht studierte nahm nach seinem 2. Staatsexamen die Tätigkeit als Rechtsanwalt für Games-, Medien-, und Internetrecht auf. Daneben unterrichtete er Wettbewerbs- und Wirtschaftsrecht in einem kommerziellen Repetitorium. Marian Härtel gründete 2010 seine eigene Firma, welche Unternehmen bei der Planung, Erstellung und Vermarktung von Onlinespielen durch Erarbeitung und Verbesserung von Businessplänen und Vermarktungsstrategien berät. Insgesamt verfügt er mittlerweile über 15 Jahre Berufserfahrung in der Branche.

„Wir freuen uns, mit Marian Härtel einen erfahrenen Kollegen im Bereich Gaming und IT-Recht gewonnen zu haben. Marian Härtel ermöglicht es, dass die Gaming-Branche von dem bereits seit Jahren erfolgreichen Engagement der Kanzlei Kaesler & Kollegen in der Lösung europäischer Fragestellungen und im Bereich Corporate Compliance profitieren kann“, so Carsten Neuhaus, Partner bei Kaesler & Kollegen.

 

Die Kanzlei Kaesler & Kollegen wurde 1994 von Rechtsanwalt Hans-Jürgen Kaesler, Minister a. D. gegründet. Seit Gründung befasst sich die Kanzlei neben der allgemeinen Rechtsberatung und Rechtsvertretung mit der umfassenden Betreuung kleiner und mittelständischer Unternehmen – speziell multinationale, aber mittelständische Unternehmen. Sie steht diesen nicht nur mit juristischem Rat sowie in Compliance Fragen zur Seite, sondern unterstützt diese natürlich auch mit unternehmerischem Rat aus eigener Erfahrung, sowohl im Umgang mit Behörden und Gesetzgeber als auch mit Investoren.

Schadensersatz

Rechtsmissbräuchliche Schadensersatzforderungen der Moto-Company Michael Wittig (vormals Moto-GbR) bei eBay-Auktionen

Immer wieder kommt es vor, dass einem Anbieter beim Erstellen von Auktionen auf der Online-Plattform eBay Fehler unterlaufen, z.B. weil für eine hochwertige Sache kein Mindestpreis angegeben oder aber versehentlich ein Einzelstück mehrfach zur Versteigerung angeboten wird. Wird der Fehler rechtzeitig bemerkt, kann die Auktion in der Regel ohne weitere Schwierigkeiten wieder abgebrochen werden. Anders sieht es jedoch aus, wenn bereits Gebote auf die Auktion abgegeben worden sind. Dann kommt regelmäßig ein rechtswirksamer Kaufvertrag zwischen dem Anbieter und dem Höchstbietenden bei Auktionsende zustande. Dabei ist es unerheblich, ob das Auktionsende durch den vorgegebenen Zeitablauf oder aber durch einen Abbruch seitens des Anbieters herbeigeführt wird. Kann dann der Anbieter die versteigerte Sache nicht an den Höchstbietenden übergeben bzw. weigert er sich dies zu tun, macht er sich damit regelmäßig schadensersatzpflichtig und zwar in Höhe der Differenz zwischen dem Höchstgebot und dem tatsächlichen Wert der Sache (Mit anderen Worten, je größer das Schnäppchen für den Bieter desto höher sein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Anbieter).

Diesen Umstand wollte sich die 2012 gegründete Moto-Company Michael Wittig (vormals Moto-GbR) zu Nutze machen und bot regelmäßig auf diesbezüglich aussichtsreiche Auktionen. Bis Mitte 2014 wurden aus diesem Grund bereits ca. 50 Gerichtsprozesse wegen vermeintlicher Schadensersatzansprüche begonnen. Dieser Geschäftspraxis hat aber mittlerweile eine Vielzahl von Gerichten einen Riegel vorgeschoben. Nach Ansicht der Gerichte verstößt ein Bieter, der ganz gezielt nach fehlerhaften Angeboten sucht, weil es ihm nicht auf die angebotene Sache, sondern einzig auf einen möglichen Schadensersatzanspruch ankommt, mit diesem Verhalten gegen den zivilrechtlichen Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB. Wird dann der Schadensersatzanspruch später wie von vornherein beabsichtigt geltend gemacht, handelt derjenige rechtsmissbräuchlich. Der Anspruch ist daher wegen einer unzulässigen Rechtsausübung zurückzuweisen. So hat es zuletzt auch das Amtsgericht Charlottenburg in einer von uns vertretenen Angelegenheit (das Urteil kann hier nachgelesen werden) entschieden.

Diese Rechtsprechung entbindet einen Anbieter bei eBay oder ähnlichen Auktionsplattformen aber nicht von seiner Pflicht bei der Erstellung der Auktion mit höchster Sorgfalt vorzugehen. Es schiebt lediglich der Geschäftspraxis Einzelner, gezielt Schadensersatzansprüche zur eigenen Bereicherung zu generieren, zumindest einen kleinen Riegel vor, vorausgesetzt dem Bieter kann ein solches Verhalten vom Anbieter auch nachgewiesen werden. Trotzdem gibt es erneut Berichte von derartigen Geschäftspraktiken, u.a. durch einen gewissen Herrn Martin Schemmel, der wiederum interessanterweise vom selben Rechtsanwalt vertreten wird, wie die Moto-Company Michael Wittig (Ein Schelm, wer Böses dabei denkt).

Sollten auch Sie Opfer solcher rechtsmissbräuchlicher Geschäftspraktiken geworden sein, helfen wir Ihnen gerne bei der Abwehr solcher unberechtigter Schadensersatzforderungen. Wenden Sie sich einfach für eine individuelle Beratung in Ihrer Sache an uns.

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Abmahnungen wegen „Tell a friend“-Funktion auf Amazon

Derzeit machen Abmahnungen gegenüber Unternehmen die Runde, die über Amazon ihre Produkte verkaufen. Grund für die Abmahnung soll das Nutzen der „Tell a friend“-Funktion sein, die Amazon anbietet und die sich auch nicht abschalten lässt.

Allerdings dürfte es auch keinen Grund geben diese Funktion abzustellen, da es einen entscheidenden Unterschied der Funktion zum “Tell a friend“-BGH Urteil sowie dem entsprechenden Urteil des Kammergericht gibt.

Die Form, in der die Funktion von Amazon ausgestaltet ist, dürfte wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden sein. Entscheidende Unterschiede sind

  • Die durch die Funktion versendete Email verweist auf genau ein Produkt und enthält keine weitere Werbung
  • Es kann immer nur genau eine E-Mail durch eine dritte Person versendet werden, die auch nur genau ein Produkt empfiehlt. Diese Person muss zudem auch noch bei Amazon angemeldet sein.
  • Als Absender der Email wird die empfehlende Dritte Person genannt und nicht Amazon oder gar der Amazon-Verkäufer.

Es ist natürlich nicht auszuschließen, dass weitere Abmahnungen die Runde mache, juristisch dürfte diese, jedenfalls in der aktuellen Konstellation, jedenfalls keinen Halt haben. Es ist daher dringend zu empfehlen, sich einen spezialisierten Rechtsbeistand zu suchen, sollte man Empfänger einer solchen Abmahnung sein.

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Neubesetzung EU-Kommission/Ressort Digitale Wirtschaft: Umfrage in der Computerspielbranche

Die Kanzlei Kaesler & Kollegen vertritt seit 20 Jahren die Interessen ihrer Mandanten in Brüssel und begleitet die dortige politische Willensbildung. Aufgrund ihrer langjährigen guten Kontakte, verfügt sie über ein vitales Netzwerk sowohl in der Europäischen Kommission, als auch im Europäischen Parlament.

Dieses Netzwerk wird regelmäßig eingesetzt, um Mandanten mit Blick auf künftige Gesetzesvorhaben zu sensibilisieren und die Interessen und das Know-How der Mandanten in die politische Willensbildung mit einzubringen. Ziel ist dabei immer die abstrakte Gesetzgebung an den praktischen Bedürfnissen und Notwendigkeiten auszurichten und damit gleichsam die Geschäftstätigkeit der Mandanten zu unterstützen und sie in Compliance zu den europäischen Regelungen zu bringen.

Im Zuge des Zusammengangs der Anwälte Marian Härtel und Dominik Büttner aus der Kanzlei Dr. Behrmann & Härtel mit der Kanzlei  Kaesler & Kollegen, wird ein Schwerpunkt der gemeinsamen Tätigkeit im Practice- Bereich IT-Recht, insbesondere im Games-Recht liegen.  Rechtsanwalt Marian Härtel ist in diesem Bereich sehr erfahren und als Senior Rechtsanwalt Ihr Ansprechpartner.

Durch die Verschmelzung der Kompetenzen beider Kanzleien vertreten wir die Interessen von internationalen Unternehmen im Bereich der Computerspiele nicht nur in Deutschland, sondern nunmehr auch in Brüssel.

Mit Blick auf die Neubesetzung der Europäischen Kommission und die Schaffung des Ressorts „Digitale Wirtschaft“ eröffnen sich neue Möglichkeiten für den Games-Bereich. In diesem Sinne ist es uns wichtig, die Sorgen und Hoffnungen der Gamesbranche direkt von den betreffenden Unternehmen oder Spielern zu hören.

Wir wären daher dankbar, wenn uns Informationen an haertel@kaesler.eu zu folgenden Fragen geschickt werden könnten.

  • Welche Gesetzesvorhaben/Entwicklungen beunruhigen Sie aktuell am meisten?
  • Welche gesetzliche Regelung vermissen Sie in Europa?
  • Welche Unterstützung von der EU vermissen Sie bzw. wünschen Sie sich?
  • Welche juristischen Regelungen/Gegebenheiten beinträchtigen Ihr Unternehmen aktuell am meisten? Bzw. welche fehlenden Regelungen beeinträchtigen Ihr Unternehmen?
  • Welche Fördermöglichkeiten wünschen Sie sich in welchen Ländern oder europaweit?
  • Welche Ungleichbehandlung gegenüber außereuropäischen Unternehmen beinträchtigen Sie?
  • Welche Entwicklungen/Gesetzesvorhaben halten Sie für Fehlentwicklungen bzw. fürchten Sie könnten Ihr Unternehmen in Zukunft beeinträchtigen oder besondere Kosten verursachen?

Gerne können Sie zu allen Fragen Stellung nehmen oder nur zu einzelnen. Sämtliche Information werden von uns absolut diskret im Rahmen anwaltlicher Vertraulichkeit behandelt, niemals an dritte Personen weitergegeben und, außer in abstrakter Art und Weise, auch nicht an politische Institutionen weitergeben, es sei denn, Sie geben dazu Ihr ausdrückliches Einverständnis.

Gerichtskostenhilfe

Effizientes Arbeiten der Gerichte – offenbar immer noch Utopie

Im Jahr 2009 habe ich Frau N. in ihrem Ehescheidungsverfahren vor dem Amtsgericht Bernau vertreten. Frau N. ist geistig behindert. U.a. für den Aufgabenkreis „Vermögenssorge“ steht Frau N. unter Betreuung.

Für das damalige Ehescheidungsverfahren wurde Frau N. Verfahrenskostenhilfe bewilligt, denn aufgrund ihrer Behinderung kann sie keiner „normalen“ Tätigkeit nachgehen. Sie arbeitete damals in einer Behindertenwerkstatt.

Nun ist es so, dass nach § 120 Abs. 4 ZPO (Zivilprozessordnung) das Gericht innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren ab rechtskräftiger Gerichtsentscheidung die Entscheidung über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe überprüfen kann. Wenn sich also innerhalb dieses Zeitraums die wirtschaftlichen Verhältnisse derart verbessern, dass die Verfahrenskosten nun bezahlt werden könnten, wird die Bewilligung aufgehoben.

Diese Regelung ist natürlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Wenn jemand nach Abschluss eines Verfahrens, für dessen Kosten ihm Steuergelder zur Verfügung gestellt worden sind, in eine wirtschaftliche Lage kommt, die es ihm erlaubt, die Verfahrenskosten „aus eigener Tasche“ zu zahlen, ist es selbstverständlich, dass der Staat eine Handhabe hat, sich die von ihm übernommenen Kosten zurückzuholen.

Bei Frau N. ist nun aber die Änderung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse aufgrund ihrer persönlichen Umstände beim besten Willen nicht zu erwarten. Dennoch fordert das Amtsgericht alljährlich eine neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Frau N. Die Erklärung wird mir zugesandt, die längst abgelegte Akte wird aus dem Archiv geholt, ich leite die entsprechenden Formulare der Betreuerin zu, die sie mir ausgefüllt und mit Anlagen (Arbeitsvertrag, Hartz-IV-Bescheid, Mietvertrag usw.) zurückschickt. Ich leite dann alles an das Amtsgericht weiter.

Wenn ich bedenke, welche Ressourcenverschwendung mit dieser Verfahrensweise einhergeht, fehlt mir, auch angesichts der häufig beklagten Überlastung der Gerichte, jedes Verständnis. Es stand im Fall von Frau N. von Anfang an fest, dass Sie niemals ein Einkommen haben würde, dass es ihr erlauben könnte, die Verfahrenskosten selbst zu tragen, eine Änderung der Verhältnisse also beim besten Willen nicht zu erwarten war. Warum in solchen Fällen die Akte nach Beendigung des Verfahrens nicht einfach weggelegt wird, ist mir unbegreiflich. Nicht nur meine Arbeitszeit und die Arbeitszeit der Betreuerin, sondern auch die der Rechtspfleger und Schreibkräfte des Gerichts wird in meinen Augen verschwendet, von den Porto- und sonstigen Kosten ganz zu schweigen.

Kein privates Unternehmen könnte sich eine solche Verfahrensweise leisten. Warum gibt es bei den Gerichten immer noch keine Aufgabenkritik, anhand der sich ohne weiteres feststellen ließe, welche Aufgaben ersatzlos wegfallen könnten, um mehr Zeit für die Fälle zu haben, die einer intensiven Bearbeitung bedürfen?

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Gesetzesentwurf „Mietpreisbremse“ vom Bundeskabinett verabschiedet

Am 23.09.2014 hat die Bundesregierung den vom Justizministerium erarbeiteten Gesetzesentwurf zur Mietpreisbremse beschlossen. Damit wurde nach teilweise heftigen Diskussionen eine im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD geregelte Vereinbarung umgesetzt.

Mit dem noch von Bundestag und Bundesrat zu beschließenden Gesetz soll die Entwicklung der Mieten bei Neuvermietung von Wohnraum in Gebieten mit „angespannten“ Wohnungsmärkten eingeschränkt werden.

Zur Bestimmung der Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt werden die Landesregierungen ermächtigt. Diese können per Rechtsverordnung festlegen, für welche Gebiete die Mietpreisbremse für einen Zeitraum von zunächst 5 Jahren gelten soll, sofern eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1. Die Mieten steigen in dem Gebiet stärker als im Bundesdurchschnitt

2. Die durchschnittliche Mietbelastung der Haushalte in dem Gebiet übersteigt den Bundesdurchschnitt

3. In dem Gebiet wächst die Bevölkerung, ohne dass durch Neubautätigkeit Wohnraum in ausreichendem Maße geschaffen wird

4. In dem Gebiet gibt es geringen Wohnungsleerstand bei großer Nachfrage

Es ist davon auszugehen, dass es den Bundesländern nicht schwerfallen wird, für die meisten Großstädte, aber auch für viele Mittelstädte, entsprechende Rechtsverordnungen zu erlassen, weil zumindest eines der o. g. Kriterien erfüllt ist, zumal die Bedingungen nur unscharf definiert sind.

Nach dem beschlossenen Gesetzesentwurf darf der Vermieter im Anwendungsbereich einer solchen Rechtsverordnung die Miete bei der Neuvermietung von Wohnraum mit maximal 110% der ortüblichen Vergleichsmiete vereinbaren. War die frei geworden Wohnung zuvor zu einer Miete vermietet, die über diesem Betrag lag, darf der Vermieter diese Miete erneut vereinbaren und muss sich nicht an den nach dem Mietpreisbremsen-Gesetz gekappten Maximalbetrag (110% der ortsüblichen Miete) halten. Um dies kontrollierbar zu machen, wird dem Mieter ein gesetzliches Auskunftsrecht zu den preisbildenden Tatsachen eingeräumt, so dass der Vermieter auf Verlangen den (anonymisierten) Mietvertrag mit dem Vormieter vorlegen muss. Der Vermieter kann in dem vorgenannten Fall die Miete auch bei der Neuvermietung erst dann erhöhen, wenn die ortsübliche Vergleichsmiete einen höheren Betrag erlaubt.

Für den Fall, dass ein Vermieter die Wohnung zu teuer im Sinne des Gesetzes zur Mietpreisbremse vermietet, muss der Mieter nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf den Verstoß schriftlich rügen. Ein Rückforderungsrecht bzgl. der „überzahlten“ Miete ergibt sich erst ab dem Zeitpunkt des Zugangs einer solchen Rüge beim Vermieter.

Ausnahmen regelt der Gesetzesentwurf für Neubauten, die nach dem 01.10.2014 erstmals genutzt wurden und für die Erstvermietung von Wohnraum, der umfassend saniert wurde. Nach Auffassung des Justizministeriums ist eine Modernisierung umfassend, wenn sie einen solchen Umfang aufweist, dass eine Gleichstellung mit Neubauten gerechtfertigt erscheint. Das kann häufig angenommen werden, wenn die Investition etwa ein Drittel des für eine vergleichbare Neubauwohnung erforderlichen Aufwands erreicht.

Von dem Gesetz sind bestehende Mietverträge nicht betroffen. Sämtliche Staffel- und Indexvereinbarungen bleiben wirksam. Die Mietpreisbremse gilt erst für alle Mietverträge, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen werden. Staffelmietverträge können dann nur im preislichen Rahmen der Mietpreisbremse (110% der ortsüblichen Miete) vereinbart werden. Das gilt sowohl für den Ausgangsbetrag, als auch für die Staffeln. Bei Indexmietverträgen gilt die Beschränkung des Mietpreises nur für die Ausgangsmiete.

Eine wesentliche Änderung ergibt sich nach dem verabschiedeten Gesetzesentwurf bei der Umlage der Kosten für einzelne (nicht umfassende) Modernisierungsmaßnahmen. Während nach der aktuellen Gesetzeslage die Umlage von 11% der Modernisierungsaufwendungen pro Jahr nur für vermiete Wohnungen gilt, soll dies künftig auch für zum Zeitpunkt der Modernisierung nicht vermietetem Wohnraum gelten, um Modernisierungsanreize auch für leerstehende Wohnungen zu schaffen. Die Obergrenze der Mietpreisbremse (110% der ortsüblichen Miete) kann dann überschritten werden.

Geplant ist, dass die Mietpreisbremse in der ersten Jahreshälfte 2015 in Kraft tritt. Konkret wird es jedoch erst, wenn die Bundesländer im Anschluss die Gebiete mit angespanntem Wohnraum per Rechtsverordnung definieren.

Von den Vermietern und deren Interessenverbänden wird grundsätzlich jede Regulierung des Marktes abgelehnt. Da die Mietpreisbremse im Rahmen der Diskussionen im Vorfeld des Gesetzesentwurfs jedoch deutlich gravierende Einschränkungen befürchten ließ, herrscht dank der zahlreichen Ausnahmeregelungen allgemein eine gewisse Erleichterung. Es wird dennoch davon ausgegangen, dass aufgrund der zahlreichen Unklarheiten im Gesetzesentwurf und dadurch bedingte Unsicherheiten Vermieter Investitionen einschränken oder verschieben.

Gegenstand der Diskussion bei der praktischen Umsetzung des künftigen Gesetzes wird wohl die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete sein. In den meisten Fällen wird die ortsübliche Vergleichsmiete anhand des Mietspiegels ermittelt. Für die Aufstellung von Mietspiegeln gibt es jedoch keine einheitlichen Bestimmungen, so dass es hierbei zu sehr unterschiedlichen Methoden kommt. Teilweise werden die vom Bundesgerichtshof definierten wissenschaftlichen Methoden nicht eingehalten. Die bei der Aufstellung des Mietspiegels verwendeten Daten sind überwiegend nicht aktuell, so dass der Mietspiegel kein realistisches, sondern ein historisches Bild von der Ortsüblichkeit der Miete zeichnet. Einige Städte und Gemeinden stellen qualifizierte, die Mehrheit nur einfache und weitere gar keine Mietspiegel auf. In der Folge wird auch von Seiten der Bundesregierung mit einer Zunahme von gerichtlichen Streitigkeiten über die Höhe der ortsüblichen Miete gerechnet.

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Niederlage für Abmahnanwälte Jahn & Rug

In einer Vielzahl von Fällen hat die Rechtsanwaltskanzlei Jahn & Rug die Inhaber bzw. einmal den Admin-C, wegen der Speicherung der IP-Adresse ohne das Einverständnis ihres Mandanten abgemahnt. Dabei wurden regelmäßig Streitwerte zwischen 10.000 und 20.000 Euro von den Abmahnanwälten behauptet. Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg hat nun in einem Urteil die vermeintlichen Unterlassungsansprüche wegen der bloßen Speicherung der IP-Adressen genauer unter die Lupe genommen und als unbegründet abgewiesen (hier  können Sie das Urteil nachlesen). Es beruft sich dabei insbesondere auf die Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 31. Januar 2013 (Az.: 57 S 87/08), wonach die IP-Adresse für sich betrachtet gerade kein personenbezogenes Datum im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) ist, deren Speicherung einen Unterlassungsanspruch des Betroffenen begründen könnte.

Das Gericht deutet aber an, dass bei der Erhebung weiterer Daten auf der Internetseite, z.B. im Rahmen einer Registrierung oder bei Verwendung von Software für die Datenverkehrsanalyse (z.B. Google Analytics) die Sache durchaus anders gesehen werden kann.

Enttäuschender Weise ließ das Gericht den Umstand der Rechtsmissbräuchlichkeit in seiner Entscheidung gänzlich unbeachtet. Tatsächlich wurde jedoch eine Vielzahl von Internetseiten abgemahnt, die vom angeblichen Verletzten, einer Privatperson, binnen weniger Minuten wahllos aufgerufen worden sind. Einzelne dieser Seiten richten sich dabei nicht einmal an Privatpersonen bzw. lediglich an Privatperson im direkten Einzugsgebiet (600 km entfernt vom Wohnort des angeblich Verletzten). Eine solche Entscheidung hilft den Betroffenen zwar im aktuellen Fall, sie bietet der Abmahnindustrie aber keinen Einhalt, sondern ermutigt diese möglicherweise dazu ihre Vorgehensweise, an die Entscheidung angepasst, gezielt fortzusetzen. Daher sollten Betreiber von Internetseiten im Zweifelsfall sich vorher bzgl. der Rechtssicherheit ihrer Internetseiten kompetent beraten lassen.

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Zivilprozesse dauern häufig viel zu lange

© kwarner - Fotolia.comEs kommt vor, dass man bei einem Landgericht mehrere Jahre auf ein Urteil warten muss. Ich bearbeite z.B. gerade einen Verkehrsunfall aus dem September 2011, ein Urteil ist nicht vor 2015 zu erwarten. Im Grunde ist eine derartige Prozessdauer für alle Beteiligten unzumutbar.  Es stellen sich Fragen, ob man das Auto reparieren und dabei die Unfall- und damit Beweisspuren vernichten darf, ob man es verkaufen kann oder wie die Beweischancen aussehen, wenn sich Zeugen nach Jahren nicht mehr an Einzelheiten des Unfalls erinnern können,

Nachdem meine Klage im August 2012 (!) nach einem vorausgegangenen Prozesskostenhilfeverfahren rechtshängig geworden war, d.h. nachdem die Gegenseite die Klage vom Gericht zugestellt erhalten hatte, wurde ein Verhandlungstermin auf den 25. 2. 2013 anberaumt. Am Morgen des 25. 2. 2013 erreichte mich ein Telefonanruf des Gerichts, in dem mir mitgeteilt wurde, die Richterin sei krank, der Termin fände deshalb nicht statt. Als ich am 15. 3. 2013 die Ladung zu einem neuen Termin erhielt, glaubte ich, meinen Augen nicht trauen zu können. Der neue Termin sollte erst am 9. 9. 2013 stattfinden, 6 Monate nach dem zunächst vorgesehenen.

In der Verhandlung am 9. 9. 2014 wurde vom Gericht beschlossen, dass ein Unfallrekonstruktionsgutachten durch einen Sachverständigen erstellt werden soll. Der Gutachtenauftrag selbst wurde dem Sachverständigen erst am 11. 11. 2013, also erst zwei Monate nach der Verhandlung, erteilt. Das Gericht setzte dem Sachverständigen eine Frist für die Erstellung des Gutachtens bis zum 14. 2. 2014.

Man kann erfahrungsgemäß davon ausgehen, dass derartige Fristen von den Gutachtern nicht eingehalten werden und dass das Gericht von den ihm zur Verfügung stehenden Sanktionsmöglichkeiten gegen einen Gutachter (Verhängung eines Ordnungsgeldes) keinen Gebrauch macht. Auch in diesem Fall war das Gutachten am 14. 2. 2014 nicht fertig, der Gutachter hatte die Fahrzeuge bis zu diesem Tag nicht einmal besichtigt. Die gemeinsame Besichtigung der Unfallfahrzeuge in Gegenwart der Parteien und deren Rechtsanwälten fand schließlich am 20. 2. 2014 statt. Der Sachverständige erklärte im Anschluss an die Besichtigung, das Gutachten werde voraussichtlich Anfang Mai 2014 vorliegen. Mitte Mai teilte der Sachverständige mit, das Gutachten würde bis Anfang Juni 2014 fertiggestellt werden, immerhin entschuldigte er sich für die Verzögerung.

Bei mir ist das Gutachten letztlich am 2. Juli 2014 eingegangen.

Nun ist es natürlich so, dass die Prozessparteien Gelegenheit haben, sich mit dem Gutachten auseinanderzusetzen und dazu Stellung zu nehmen. Es mutet angesichts des vorstehend beschriebenen Zeitablaufs schon merkwürdig an, dass die Rechtsanwälte dann nur 2 Wochen Zeit haben, sich mit einem 17-seitigen Gutachten, in dem Bezug genommen wird auf 36 Anlagen, zu beschäftigen, mit dem Mandanten Rücksprache zu nehmen und einen Schriftsatz an das Gericht zu schicken. Aber im Interesse des zügigen Fortgangs des Verfahrens wird der Rechtsanwalt in der Regel diese Frist einhalten, so auch in diesem Fall.

Daraufhin teilte das Gericht mit, dass ein Termin für eine weitere mündliche Verhandlung über das Gutachten frühestens im März 2015 stattfinden könne.

Zwei Probleme könnten also bei der Erledigung der landgerichtlichen Verfahren eine Rolle spielen:

  1. Eine mögliche Überlastung der Gerichte.
  2. Die Verzögerung der Prozesse bei notwendiger Einholung von Sachverständigengutachten.

Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention), Art. 2 Abs. 1 GG (Grundgesetz) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG sollen einen wirkungsvollen Rechtsschutz gewährleisten und verpflichten damit zugleich, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen.

Erschreckende gut 25 Prozent der erstinstanzlichen landgerichtlichen Urteile werden erst nach mehr als zwei Jahren gesprochen.

Liegt es an der Überlastung der Landgerichte?

Nein, denn Baden-Württemberg, das bundesweit die geringste Verfahrensdauer verzeichnet, hat ca. 18 Richter pro 100.000 Einwohner und Schleswig-Holstein, das auf eine wesentlich längere durchschnittliche Verfahrensdauer kommt, hat mehr als doppelt so viele Richter auf 100.000 Einwohner (Statistisches Jahrbuch 2012, S. 304).*

Nein, es ist viel banaler, wie eine vom Oberlandesgericht Hamm durchgeführte Ursachenforschung, an der sich vier Oberlandesgerichte beteiligt haben, ergeben hat (Der Präsident des Oberlandesgerichts Hamm (Hrsg) Langdauernde Zivilverfahren, 2013).

Danach werden die Verfahrensdauern beeinflusst durch:

  • die Höhe des Streitwerts
  • die Blattzahl der Akten
  • Verfahrensbesonderheiten (z.B. Widerklage)
  • eine Mehrheit von Klägern oder Beklagten
  • Anwaltswechsel
  • die Zahl der Zeugen
  • Terminverlegungen
  • den Verfahrensgegenstand

In jedem zweiten der langdauernden landgerichtlichen Verfahren findet eine Beweiserhebung mit Hilfe eines Sachverständigen statt. In 75 % der Fälle wurden die von den Gerichten gesetzten Fristen für die Erstellung des Sachverständigengutachtens um durchschnittlich 4,9 Monate überzogen. Nur in der Hälfte dieser Fälle folgte auf die Fristüberschreitung eine gerichtliche Reaktion und dann auch nur in Form einer Sachstandsanfrage.

Mit der gesamten Problematik befasst sich der diesjährige Juristentag in Hannover. Prof. Dr. Gralf-Peter Callies hat hierzu ein Gutachten verfasst und verschiedene Thesen aufgestellt, wie den Problemen beizukommen sein könnte, und die zu diskutieren sind, s. Juristentag, Prozessrecht, Der Richter im Zivilprozess –Sind ZPO und GVG noch zeitgemäß?, Thesen zum Gutachten von Prof. Dr. Gralf-Peter Callies, Bremen.

Hier eine Auswahl:

  • Bei den Landgerichten sind Spezialkammern für komplexe Verfahren, z.B. für Bausachen, Arzthaftungssachen, Verkehrsunfallsachen, Anlegerschutzverfahren etc. einzurichten.
  • Die Richterbank ist dabei interdisziplinär mit ehrenamtlichen Richtern (Bausachverständige, Amtsärzte, Steuerberater etc.) oder Fachrichtern zu ergänzen.
  • Die Zuständigkeiten dieser Kammern sind im Hinblick auf deren Auslastung ggfs. auch über Ländergrenzen hinweg zu konzentrieren.
  • Ein Richter, der wegen Überlastung oder aus sonstigen Gründen eine Erledigung von einem oder mehreren Verfahren in angemessener Zeit für unwahrscheinlich hält, hat dies dem Präsidium des Gerichts unverzüglich anzuzeigen, damit das Präsidium Maßnahmen ergreifen kann, die die Erledigung der betroffenen Verfahren in angemessener Zeit ermöglichen.

Ferner fordert Prof. Callies u.a.:

Im DRiG (Deutsches Richtergesetz) wird eine Fortbildungspflicht für Richter in fachlicher (Spezialisierung(, methodischer (Intervision etc.) und technischer (elektronische Akte etc.) Hinsicht verankert.

Die Vorschriften der ZPO (Zivilprozessordnung) zum Sachverständigenbeweis sind mit dem Ziel zu reformieren, das hoheitliche Zwangsverhältnis zwischen Gericht und Sachverständigen durch ein anreizgesteuertes Marktverhältnis zu ersetzen. Es ist eine bundesweite, gerichtinterne Sachverständigendatenbank mit Bewertungen und Erfahrungsberichten einzurichten.

Man darf gespannt sein………

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Pflicht zur Unterbindung von Proxy-Servern und VPNs

© mindscanner - Fotolia.comDas LG Hamburg hat in einem Ordnungsmittelverfahren seine Unkenntnisse bzgl. des heutigen Stands der Technik im Internet erneut offengelegt.

Nachdem das LG Hamburg einem Unternehmen das Anbieten seiner Software in Deutschland im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt hatte, richtete dieses eine Sperre für IP-Adressen aus Deutschland ein und nahm keine Zahlungen mehr an, die aus Deutschland erfolgten. Auf diese Weise wollte es sicherstellen, dass es insoweit zwar dem gerichtlichen Verbot für Deutschland entsprach, das Angebot aber außerhalb Deutschlands weiterhin legal betrieben werden konnte. In dem oben erwähnten Ordnungsmittelverfahren stellte das Gericht nun fest, dass die getroffenen Maßnahmen nicht ausreichend für eine Einhaltung des Verbots wären, weil insbesondere durch die Nutzung ausländischer Proxy-Server oder VPNs die eingerichtete Sperre zweifelsohne umgangen werden könnte.

Ohne überhaupt auf die möglichen Unterschiede zwischen transparenten und versteckten Proxy- bzw. VPN-Verbindungen einzugehen, geht das Gericht in seiner Entscheidung davon aus, dass es heutzutage ohne weiteres möglich sein soll, ausländische Proxy-Server und VPNs zu ermitteln und diese ebenso wie die deutschen IP-Adressen zu sperren. Wenn das die Chinesen wüssten…die würden sich für die Technologie sicher interessieren.

Darüber hinaus würden nach Ansicht des Gerichts Proxy-Server und VPNs, wie sie heutzutage von jeder deutschen Universität bzw. großen Unternehmen mit einem eigenen internen Netzwerk genutzt werden, nur der Umgehung von IP-Sperren dienen. Quasi ein Generalverdacht gegen jeden angehenden Akademiker.

Abschließend nimmt das Gericht auch noch Bezug auf die Kunden des Unternehmens. Diese verfügten als Online-Spieler über überdurchschnittliche Kenntnisse im Bereich der Internetnutzung, so dass es ihnen unproblematisch möglich wäre die genannten technischen Umgehung für sich zu nutzen. Weswegen die Kunden dann aber mit diesem Wissen nicht verstärkt die Proxy-Server und VPNs nutzen sollten, die gerade nicht zu ermitteln sind, bleibt ein Geheimnis des Gerichts. Man fragt sich an dieser Stelle auch, warum das Gericht nicht einen dieser Experten als Sachverständigen zu der Sache gehört hat, wo es dem Gericht doch in der Sache anscheinend am technischen Sachverstand gemangelt hat.

Gegen die Entscheidung wurden bereits Rechtsmittel eingelegt. Es bleibt nur zu hoffen, dass die nächsten Instanz zumindest soviel Sachverstand aufbringt, wie es seinerzeit das VG Düsseldorf schon hatte, als es eine solche Umgehung als in der Praxis hinnehmbar eingestuft hat (VG Düsseldorf, Beschl. v. 22. Juli 2010, Az.: 27 L 1469/09).