Wenn Berliner Gerichtsvollzieher das eigene Unverständnis für eine Gerichtsentscheidung bestätigen…

Ich will einmal eine kleine Geschichte erzählen…

Es war einmal ein Mann in Berlin, der schöne Dinge über seinen eigenen Onlineshop vertreibt. Leider wusste dieser Mann nicht, was im Textilkennzeichnungsgesetz steht bzw. wusste nicht einmal, dass ein solches existiert. Er bot daher mehrere Schale an und beachtete bei der Beschreibung auf EBay nicht die Regelungen des Textilkennzeichnungsgesetzes, was einem Mitbewerber gar nicht gefiel.

Dieser Mitbewerber erwirkte daher eine einstweilige Verfügung gegen den Mann, wovon dieser wiederum sehr überrascht war. Eine Abmahnung hat er nämlich nie erhalten. Er war insbesondere überrascht, weil dieser Mann eine Unterlassungserklärung sofort abgegeben hätte, da ihm das Textilkennzeichnungsgesetz eben nicht bekannt war. Dieser Onlinehändler ging daher zu einem Rechtsanwalt und fragte, was man tun könnte, worauf dieser ihm riet auf Rechtsmittel zu verzichten und höchstens Kostenwiderspruch einzureichen, um nicht die Kosten für die einstweilige Verfügung zu tragen. Auf das Risiko hingewiesen, dass – wohl bis auf das Kammergericht in Berlin – die Oberlandesgerichte in Deutschland der Meinung sind, dass eine Zustellung durch den Zustellenden mittels Postausgangsbuch einer Kanzlei und Beleg über das Einschreiben nachgewiesen werden könne, wurde trotzdem der Weg des Kostenwiderspruchs gewählt.

Es kam am Ende jedoch wie erwartet, die einstweilige Verfügung wurde auch im Kostenauspruch bestätigt, weil das Gericht der Meinung war, dass der Mann nicht dargelegt und bewiesen habe, dass er die Abmahnung nicht bekommen habe. Obwohl der Mann die angebliche Originalabmahnung bislang immer noch nicht bekommen hat, beließ er es jedoch bei der Entscheidung und beglich, widerwillig und mit Unverständnis für diese Entscheidung, die entstandenen Kosten.

Ich persönlich, finde diese Entscheidung auch recht seltsam, möge es noch so sehr regelmäßige Rechtsprechung sein. Es war nämlich schlicht nicht möglich mehr darzulegen, als den Umstand, dass der Gerichtsvollzieher die einstweilige Verfügung zustellen konnte und dass es für den Mandanten keinen Grund gab, die Abmahnung, die angeblich von der Post ordentlich hinterlegt wurde, zu ignorieren und eine einstweilige Verfügung zu riskieren. Eine clevere Antwort darauf scheint es aber bislang nicht zu geben…bis…ja bis uns heute in der Kanzlei ein ungenannt bleibender Gerichtsvollzieher das wunderbare Beispiel dafür lieferte, dass Gerichtsvollzieher beim Zustellen eben doch nicht unfehlbar sind und Briefboten, die täglich hunderte Briefe einwerfen, sicherlich schon gar nicht diese Tugend aufweisen können.

Im Hinterhaus unserer Kanzlei wohnt nämlich eine Frau mit einem sehr ähnlichen Namen einer unserer Partner in der Kanzlei, nur anders geschrieben. Bisher war es nur nervig, dass wir ständig die Post der Frau bekommen und Briefträger spielen müssen, heute aber fanden wir sogar einen netten gelben Briefumschlag im Briefkasten, adressiert nicht an uns, sondern an die Mitbewohnerin im anderen Gebäude. Markiert war es, wie schön üblich, mit einem Zustellungsvermerk des Herrn Gerichtsvollziehers, der – so denkt er wohl – seine Arbeit getan hat. Was die gute Frau wohl für ein amtliches Schreiben nicht bekommt, dann ihr aber die Zustellung zugerechnet wird, wenn wir nicht Gehilfen des Gerichtsvollziehers spielen?

4 Antworten
  1. Malte S.
    Malte S. says:

    GoA für die Post anmelden und die eigenen Kosten für eine anwaltliche Tätigkeit als Zusteller geltend machen?

    Ich habe übrigens vor einiger Zeit Post für einen RA bekommen, der einen nur teilweise ähnlichen Namen hatte und in einer völlig anderen Gegend saß…

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  2. Marian Härtel
    Marian Härtel says:

    Ja sollte man einmal überlegen, könnte hier auf Dauer vielleicht ein einträgliches Nebengeschäft in der Kanzlei werden 😉

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  3. -stm
    -stm says:

    Mir ist irgendwie so, mal gelesen zu haben, daß es nach herrschender Rechtsprechung für den Ausschluß des kostenmindernden sofortigen Anerkenntnisses genüge, wenn der Kläger/Abmahner die Abmahnung nur versucht habe, auf deren tatsächlichen Zugang komme es also schon aus Rechtsgründen nicht an – abseits aller Beweisfragen.

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  4. Marian Härtel
    Marian Härtel says:

    Richtig, siehe dazu z.b. http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=4328e3534fbbe6e818f32c73c5bccfed&client=%5B%273%27%2C+%273%27%5D&client=%5B%273%27%2C+%273%27%5D&nr=40012&pos=0&anz=1

    insofern gebe ich zu, ist der Satz „[…]dass eine Zustellung durch den Zustellenden mittels Postausgangsbuch einer Kanzlei und Beleg über das Einschreiben nachgewiesen werden könne, wurde trotzdem der Weg des Kostenwiderspruchs gewählt.“ falsch. Den Antragsgegegner trifft die Beweislast, dass die Voraussetzungen des § 93 ZPO vorliegen.

    Ändert aber nichts an der Sache, dass ich das Ganze einfach für großen Blödsinn halte und vor allem im Zuge des Problems von Massenabmahnungen für eine extreme Aushöhlung von 12 I UWG halte.

    Das Aufgeben zur Post und – wie eben hier gesehen nicht einmal das Abgeben beim Gerichtsvollzieher – sind eben heutzutage gerade kein Garant dafür, dass der Empfänger die Post auch wirklich ordnungsgemäß bekommt. Wahrscheinlich muss aber so entschieden werden, denn sonst kann man auch in allen anderen Rechtsgebieten Zustellungen vergessen und den „Ich habe nichts bekommen“-Lügnern ist wieder Tür und Tor geöffnet….

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