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Vorübergehende Speicherung zum Zwecke der Betrachtung von digitalen Inhalten – § 44a UrhG!

Die jüngste Abmahnwelle der Kanzlei U+C sorgt für ein immer stärkeres mediales Echo. Auch unser Artikel zu diesem Thema sowie unsere Ausführungen zu den in diesem Zusammenhang relevanten Gesetzesnormen des Urheberrechts haben Herrn Erik Schwarz dazu bewogen, einen Kommentar zu schreiben, den wir an dieser Stelle gerne veröffentlichen:

Zur Anzeige und Betrachtung eines digital angelegten Inhaltes (Text, Bild, Film u.s.w) bedarf es aus technischen Gründen notwendig einer zumindest temporären Speicherung der zugehörigen digitalen Daten. Unabhängig vom Wortlaut des Gesetzes muss heute die Auslegungsregel zwingend gelten, dass eine temporär angelegte, der Anzeige und Wahrnehmung dienende Speicherung nicht als Vervielfältigung i.S. des UrhG gelten darf. Ansonsten wäre eine ungefährliche, rechtskonforme Nutzung des Internets praktisch ausgeschlossen. Dies ist heute absolut inakzeptabel und kann schlechterdings nicht Ergebnis einer Rechtsauslegung sein.

Zumindest der Beginn des Gesetzestextes (bis „Nr.1“) von § 44a UrhG legt nahe, dass der Gesetzgeber genau dem obigen Umstand Rechnung tragen wollte. Leider zeigt sich auch in diesem Fall wieder der traurige Umstand, dass je jünger Gesetzesvorschriften sind desto handwerklich schlechter sie formuliert sind. Dies gilt leider auch für § 44a UrhG. Die Fallalternative Nr.1 ist nicht einschlägig, weil der Zweck der vorübergehenden Speicherung im Cache eben nicht die Übertragung im Netz ist, sondern die Ermöglichung der Anzeige und damit der Betrachtung. Bei Nr.2 stellt sich die Frage, ob die bloße Betrachtung eines Werkes eine Nutzung i.S. von § 11 UrhG darstellt. Wenn man dies bejaht, regelt die Vorschrift nur das Betrachten von vom Urheber erlaubt veröffentlichten Werken. Gilt Betrachten jedoch nicht als Nutzung, ist § 44a UrhG gar nicht einschlägig.

Es bleibt aber der oben genannte zwingende Rechtsgedanke, dass eine temporär angelegte Speicherung (Cache), die zur Betrachtung eines digitalen Inhaltes notwendig ist, keine Vervielfältigung i. S. des UrhG ist. Bei der Anzeige von Text und (stehenden) Bildern sind nach Abruf einer Internet-Seite die zugehörigen Daten vollständig im Cache gespeichert. Ohne diese Speicherung wäre keine Internetseite zu betrachten. Zur Filmbetrachtung (Streaming) werden oftmals (besonders bei längeren Sequenzen) nur Teile desselben gleichzeitig im Cache gespeichert (Pufferung). Bezogen auf das geschützte Werk ist also hierbei im Vergleich zum Standbild beim Streaming eher ein Weniger gespeichert. Allerdings könnte man noch eine Unterscheidung machen, nämlich zwischen sich automatisch öffnenden Dateien einer Web-Seite und solchen, die sich erst nach einem zusätzlichen willentlichen Akt (Anklicken) öffnen. Dies würde natürlich genauso für Texte und Bilder zutreffen. Eine solche Unterscheidung wäre allerdings auch nicht sachgerecht. Zumal das Öffnungsverhalten auch vom Browser-Typ und dessen Einstellungen abhängt.

Fraglich könnte noch sein, ob § 53 I UrhG ausreicht, eine angemessene Internet-Nutzung zu ermöglichen. Dies muss verneint werden. Auch ein geschäftlich Tätiger muss in der Lage sein, den vollständigen Inhalt jeder Internetseite zumindest betrachten zu können und damit alle angebotenen Dateien temporär zwecks Anzeige derselben zu speichern.

Das Eigentum (im grundgesetzlichen Sinne) des Urhebers kann ausreichend durch die Verfolgung der unrechtmäßigen Veröffentlichung (primär!) und durch die Ahndung von auf Dauer angelegten Speicherungen (Vervielfältigungen, Downloads) unter Berücksichtigung von § 53 I UrhG geschützt werden. Gegen eine geringe Beeinträchtigung der Handlungsmöglichkeiten (Verfolgungsmöglichkeiten) des Urhebers steht das Recht der Allgemeinheit, das Internet überhaupt sinnvoll nutzen zu können.

Dem Gesetzgeber wäre dringend anzuraten, § 44a UrhG neu und unmissverständlich zu formulieren (frommer Wunsch!). Aber auch bis dahin muss für Gerichte gelten, dass Caching (damit erst recht Buffering) keine Vervielfältigung i.S. der UrhG darstellt.

Erik Schwarz

Wir bedanken uns bei Herrn Schwarz für diesen Beitrag.

Streaming im Licht des § 44a UrhG – Teil 2

Dies ist Teil 2 des Artikels, dessen Teil 1 hier zu finden ist

Im Anschluss an meine Betrachtung des Streaming hatte ich festgestellt, dass beim Streamen Daten automatisch in den temporären Zwischenspeicher des Computers kopiert werden. Damit wird in das Urheberrecht eingegriffen. Jetzt möchte ich der Frage nachgehen, ob es sich bei dieser Kopie um eine vorübergehende, gem. § 44a UrhG zulässige Kopie handeln könnte.

Zunächst kann man feststellen, dass die Dateien im Cache meiner Meinung nach generell vorübergehend sind, denn vorübergehend meint „nicht dauerhaft“. Und genau so ist das Cache konzipiert: es wird regelmäßig automatisch gelöscht, ja die meisten Computerbenutzer wissen nicht einmal von seiner Existenz.

Natürlich gilt dies nicht, wenn jemand die Dateien nach dem Ladevorgang aus seinem Cache auf den „normalen“ Festplattenspeicher kopiert. Dies ist eine neue Vervielfältigung, die dann wiederum nicht vorübergehend ist. Auch wenn jemand sein Cache so einrichtet, dass es nicht automatisch oder erst in 100 Jahren gelöscht wird, werden Dateien, die dorthin gespeichert werden, nicht mehr nur vorübergehend, sondern dauerhaft vervielfältigt. Denn niemand von uns ist für ewig hier und auch unsere gespeicherten Daten werden irgendwann vergehen. Mit „dauerhaft“ ist also nicht „in alle Ewigkeit“ gemeint. Immerhin ist auch Papier vergänglich, aber das Vervielfältigen per Ausdruck auf Papier nach der Rechtsprechung des EuGH nicht „vorübergehend“. Wo zieht man jetzt also die Grenze? Dies wird man nur im Einzelfall entscheiden können – bitte verzeihen Sie mir, dass ich mich nicht festlege. Allerdings gebietet auch hier die Vorsicht darauf hinzuweisen, dass man keinesfalls sicher sagen kann, mit welchen Cache-Einstellungen man sich „auf der sicheren Seite“ des § 44a UrhG bewegt. Auch sollte man beachten, dass die Rechtsprechung über die Problematik noch nicht abschließend entschieden hat und die Möglichkeit besteht, dass das Streamen von Filmen etwa als unverhältnismäßig und damit nicht mehr „vorübergehend“ betrachtet wird. Dieser Meinung könnte ich mich zwar nicht anschließen; im Zweifel würde ein Richter sich jedoch hieran nicht stören.

Als nächstes müsste das Vervielfältigen flüchtig oder begleitend sein. „Flüchtig“ ist als Steigerung von „vorübergehend“ zu verstehen: die Vervielfältigung darf nur von besonders kurzer Dauer sein. Damit sind Speichervorgänge gemeint, die z. B. bei der Wiedergabe eines Werkes von der DVD im Laufwerk eines Computers auf den Bildschirm entstehen. Dabei werden die Daten zum Beispiel im Arbeits- und Grafikkartenspeicher zwischengespeichert und sofort wieder gelöscht. Das Cache, das regelmäßig auch über ein paar Tage oder Wochen nicht geleert wird, fällt nicht mehr unter den Begriff „flüchtig“, sonst bedürfte es dieses Merkmals nicht mehr.

Anders als beim Download kann man beim Betrachten eines Streams jedoch das Merkmal „begleitend“ bejahen. Denn die Vervielfältigung dient ja einem anderen Hauptzweck, nämlich dem Betrachten des Streams. Auch hierbei handelt sich aber um meine persönliche Wertung; wenn man das Streamen als Selbstzweck betrachtet, fällt die Bewertung anders aus.

Fraglich ist weiter, ob das Streaming als „integraler und wesentlicher Teil eines technischen Verfahrens“ zu betrachten ist. Zunächst verwirrt ein wenig, dass ein gem. § 44a UrhG zulässiger Vorgang sowohl „beiläufig“ als auch „wesentlich“ sein muss. Beiden Erfordernissen gerecht wird jedenfalls eine Vervielfältigung, die einerseits nicht Hauptzweck ist, andererseits auch nicht bloßes „Abfallprodukt“ eines anderen Vorganges. Man muss sich also einen Vorgang vorstellen, der zwar auf dem Vervielfältigungsvorgang basiert, aber letztlich etwas anderes bezweckt. Dabei ist festzustellen, dass nicht nur die Wiedergabe über einen Computer, sondern generell die Wiedergabe elektronisch gespeicherter Werke über moderne Wiedergabegeräte um einen kurzen Speichervorgang nicht umhinkommt. Denn die Wiedergabe dieser Datenträger erfolgt nicht mehr über ein direktes Abgreifen der Werke vom Medium wie etwa bei der Schallplatte oder der Filmrolle. Die Daten werden magnetisch oder optisch ausgelesen, decodiert, teilweise auch optimiert, weitergeleitet und erst dann ausgegeben. Für eine Gleichbehandlung moderner Medien mit älteren, direkt wiedergebenden spricht einerseits der Gedanke, dass Gesetze der Weiterentwicklung der Informationstechnologie nicht im Weg stehen sollten. Zudem ist ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung nicht erkennbar.

Es spricht daher vieles dafür, das Zwischenspeichern im Cache als „integralen und wesentlichen Teil“ der Wiedergabe im Browser anzusehen, der es dient. Denn Ziel der Vervielfältigung ist lediglich das Betrachten des Werkes – eine Nutzung, die nicht ausschließlich dem Urheber zugeordnet ist. Auch dies kann aber anders bewertet werden – insbesondere die Unklarheiten zwischen „beiläufig“ und „wesentlich“ machen eine endgültige Bewertung schwer.

Klar ist jedenfalls, dass der direkte Download auch hier nicht erfasst ist, denn er ist ein eigenes Verfahren und nicht Teil eines anderen.

Die Vervielfältigung müsste ausschließlich dem Zweck der Übermittlung oder der rechtmäßigen Wiedergabe dienen. Die Übermittlung erfasst nur die Dienstleister, die Daten kopieren um sie unverändert zu übertragen. Der Betrachter eines Streams ist damit nicht erfasst. Fraglich ist jedoch, wie das Erfordernis der „rechtmäßige[n] Nutzung“ zu verstehen ist. Denn § 44a UrhG erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen die ansonsten unzulässige Vervielfältigung. Wenn die Vervielfältigung ohnehin rechtmäßig wäre, beispielsweise als Privatkopie gem. § 53 UrhG, so bedürfte es des § 44a UrhG nicht. Einen eigenen Zweck hätte § 44a UrhG beispielsweise dann, wenn er das Abwehrrecht des Urhebers vorverlagern soll, beispielsweise auf das Zwischenspeichern zum Zweck späterer unzulässiger Vervielfältigung.

Entscheidende Bedeutung kommt auch hinsichtlich dieses Punktes dem Verständnis des Begriffes „Nutzung“ zu. Wenn man davon ausgeht, dass das Caching nur dem späteren Betrachten dient und dieses nicht gegen das Urheberrecht verstößt, so stünde § 44a UrhG dem nicht entgegen.

Es bleibt daher noch ein Punkt: die Vervielfältigung darf keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben. Nach dem bisher gesagten läge die wirtschaftliche Bedeutung des gesamten Vorgangs ebenfalls nicht im Vervielfältigen, sondern im Betrachten. Und hier wird abermals der Unterschied zwischen Caching und Download deutlich: das Caching führt generell zu einer einmaligen Betrachtung des Werkes, während ein Download beliebig oft angesehen und zudem erneut vervielfältigt werden kann. Wenn man sich aber auf den Standpunkt stellt, dass das Streaming insgesamt zu weniger kostenpflichtigen Nutzungen und damit zu weniger Umsatz führt, so kann man auch die wirtschaftliche Bedeutung des Streaming bejahen. Meiner Meinung nach ist aber auf die jeweilige konkrete Handlung, nicht auf ein Phänomen insgesamt abzustellen.

Abschließend ist allerdings nach § 5 Abs. 5 der Richtlinie 2001/29/EG (auf der § 44a UrhG beruht) bei der Anwendung des § 44a UrhG noch ein Drei-Stufen-Test zu berücksichtigen. Demnach muss es sich um Sonderfälle handeln (womit die Fälle, die von § 44a UrhG erfasst sind, gemeint sind), die normale Verwertung des Werkes darf nicht beeinträchtigt sein und berechtigte Interessen des Urhebers dürfen nicht ungebührlich verletzt werden.

Was unter der normalen Verwertung zu verstehen ist, muss erneut untersucht werden. Beeinträchtigt wird auf jeden Fall durch das Bereitstellen eines Streams das Recht des Urhebers zur öffentlichen Zugänglichmachung. Das Betrachten des Werkes, welches durch das Ansehen des Streams geschieht, gehört nicht zur Verwertung, denn es steht dem Urheber nicht ausschließlich zu, s. o. Fragt sich also noch, ob berechtigte Interessen des Urhebers ungebührlich verletzt werden. Da die Verwertung bereits genannt wurde, stellt sich schon die Frage, ob die Verwertungsrechte von diesem Erfordernis noch erfasst sind, oder ob es eher um Urheberpersönlichkeitsrechte geht, die vom Caching normalerweise nicht berührt werden. Im Zweifel ist jedoch weiter festzustellen, dass hier der Tatbestand durch das Merkmal „ungebührlich“ eingeschränkt wird. Gewisse Beeinträchtigungen muss der Urheber also hinnehmen. Stellt man weiter fest, dass das gros der Beeinträchtigung durch das Bereitstellen des Streams verursacht wird, so muss man feststellen, dass der einzelne Betrachter Interessen des Urhebers kaum merklich zu berühren vermag.

Bis zu einer grundsätzlichen höchstrichterlichen Entscheidung ist aber erneut schwer, eine verlässliche Aussage hierzu zu treffen.

Es bleibt festzustellen, dass das Caching zumindest geeignet ist, in den Schutz des § 44a UrhG zu gelangen. Dies scheint auch dem Willen des Gesetzgebers zu entsprechen. Den Erwägungsgründen zur Richtlinie zufolge soll „diese Ausnahme auch Handlungen [erfassen], die das ‚Browsing‘ sowie Handlungen des ‚Caching‘ ermöglichen“ – allerdings unter der Voraussetzung, dass der Tatbestand des § 44a UrhG erfüllt ist. Damit hilft diese Erwägung bei der Auslegung des § 44a UrhG nur zwar wenig weiter, zumal man auch nicht weiß, ob wirklich jedes Caching von der Erwägung umfasst sein sollte. Aber auch die Gesetzgebungsmaterialien des Bundestages (BT-Drs. 15/38 S. 18 zu Nr. 8 ) beziehen sich auf den Erwägungsgrund und setzten sich kurz mit dem Vorgang des Caching auseinander (auch wenn dabei Fragen offen bleiben). Man kann daher zumindest feststellen, dass die Gesetzgeber den Vorgang des Caching zur Kenntnis genommen haben und ihn nicht grundsätzlich verbieten wollten. Ob jedoch das Streamen von ganzen Filmen vom Willen der Gesetzgeber erfasst war, ist nicht feststellbar. Meiner Meinung nach sollte es keinen Unterschied in der rechtlichen Bewertung machen, da dies zu einer Besserstellung der Filme gegenüber anderen Werkformen führen würde. Es wäre jedoch vorstellbar, dass in der Rechtsprechung größere Downloads etwa als unverhältnismäßig angesehen werden.

Abschließend folgende Überlegungen: das ausschließliche Vervielfältigungsrecht des Urhebers soll diesem die Möglichkeit geben, sich gegen die Ausbeutung seines Werkes durch Unberechtigte zu wehren. Ein zu weit gehender Schutz würde auch dazu führen, dass man sich nur noch mit Scheuklappen durch das Internet bewegen könnte, denn im Internet kann nichts betrachtet werden, ohne es zumindest kurzzeitig zu speichern. In dem Moment, indem eine rechtswidrige Zugänglichmachung für den Nutzer offensichtlich ist, kann er zudem bereits geschütztes Material im Cache gespeichert haben, sodass ihm § 53 UrhG keinen angemessenen Schutz bietet.

Unstreitig sind zudem auch flüchtige Zwischenspeicherungen beispielsweise im Laufwerk oder der Grafikkarte zulässig. Andernfalls könnte niemand mehr bedenkenlos den Inhalt unbekannter Datenträger auch nur überprüfen. Und auch der Zwischenspeicher von Wiedergabegeräten wie DVD-Playern kann wie das Cache von versierten Bastlern so manipuliert werden, dass Inhalte dauerhaft gespeichert werden.

Einzig geeignet zum Abwenden übermäßigen Schadens für die Urheber durch Streaming und Caching aufgrund des § 44a UrhG ist meiner Meinung nach daher eine angemessene Auslegung des Merkmals „vorübergehend“. Es begegnet keinen Bedenken meinerseits, das „Zwischen“speichern von Daten in einem Cache, welches derart manipuliert ist, dass es dem Nutzer wie eine kleine Mediathek jederzeit Zugriff darauf erlaubt, nicht als dauerhaft zu betrachten.

Abschließend möchten wir gerne alle, insbesondere die juristisch gebildeten Leser, zu einer Diskussion einladen. Uns interessiert aber auch, wie der „gemeine Bürger“ zu der Frage der urheberrechtlichen Situation von Streamingangeboten im Kontrast zu den berechtigten Interessen der Contentindustrie steht

Vorsätzliches Betrachten von Kinderpornographie ist strafbar

Wer Bilder mit kinderpornographischem Inhalt im Internet bewusst und gewollt betrachtet, ohne sie herunterzuladen, macht sich strafbar. Das hat das Hamburger Oberlandesgericht am gestrigen Montag, den 15. Februar 2010 entschieden.
Nach § 184b Abs. 4 StGB macht sich des Besitzes kinderpornographischer Schriften strafbar, „wer es unternimmt, sich den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen […]“. Um zu klären, wie der Begriff „Besitz“ in Bezug auf das Abrufen von Bildern im Internet zu verstehen ist, hatte die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Hamburg-Harburg Sprungrevision gegen den Freispruch des dortigen Angeklagten im Februar 2009 eingelegt. Das Oberlandesgericht hielt auch in Bezug auf online-Inhalte die Grundsätze des bisherigen Besitzbegriffes für anwendbar und stellte fest, dass der Betrachter von online-Inhalten volle Verfügungsgewalt über das Betrachtete hat, da er die Art der Betrachtung, beispielsweise Dauer und Vergrößerung, frei bestimmen kann. Die zumeist nur kurze Dauer der Verfügungsgewalt ist laut OLG durch eine weite Auslegung des Begriffs „Besitz“ gedeckt; das OLG verwies zudem auf § 11 Abs. 3 StGB, der Datenspeicher mit Schriften gleichstellt. Bei der entsprechenden Auslegung stützte das OLG sich schließlich auch auf den Willen des Gesetzgebers, auch unkörperliche Gegenstände in den Tatbestand einzubeziehen. Denn auch das Betrachten der Bilder fördert den Absatz der Kinderpornographie, da der Konsum der Bilder den kommerziellen Anreiz für ihre Herstellung schafft.
Damit kam es auf die Frage, ob der Angeklagte wusste, dass die betrachteten Bilder automatisch im Arbeitsspeicher und Browser-Cache seines Rechners gespeichert werden, nicht mehr an.
Der entscheidende 2. Strafsenat des OLG Hamburg hat daher den Freispruch aufgerufen und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen. Dieses Revisionsurteil ist unanfechtbar und somit rechtskräftig.
In wieweit dieser Besitzbegriff in Bezug auf unkörperliche Gegenstände sich auf andere Rechtsgebiete ausweiten lässt wird nun mit Spannung erwartet.