Keine Xbox 720 für den europäischen Markt?
Aktuell laufen noch die Entwicklungen an einer neuen Generation von Spielekonsolen. Namentlich Microsoft, mit der Xbox 720, und Sony, mit der Playstation 4, liefern sich gerade ein Kopf-an-Kopf-Rennen darum, ihr jeweiliges Produkt als erster auf den Markt bringen zu können. Dabei sickern immer wieder kleinste Details über die beiden Produkte an die Öffentlichkeit. Das neuste bisher von offizieller Seite noch nicht bestätigte Gerücht ist, dass die Xbox 720 für den Betrieb eine permanente Onlineverbindung voraussetzt. Sollte das stimmen, könnte Microsoft der Xbox 720 damit zumindest europaweit das eigene Grab geschaufelt haben.
Sinn und Zweck des Online-Zwangs ist vor allem, dass der einzelnen Nutzer ein erworbenes Spiel nach dem einmaligen Gebrauch nicht mehr an andere weiterveräußern kann. Eine bis dato gängige Praxis in der Spieleindustrie, welche aber seit neuestem auf rechtlich äußerst wackeligen Beinen steht.
Der EuGH hat am 3. Juli 2012 (Az.: C‑128/11) entschieden, dass der vertragliche Ausschluss des Weiterverkaufes von gebrauchter Software nicht zulässig ist. Die Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2009/24/EG müssen zwingend derart ausgelegt werden, dass das Recht des Urhebers eine Verbreitung seines Werkes, im dortigen Fall Computersoftware, zu verbieten dann nicht mehr greift, wenn der Urheber das Werk zuvor bereits selbst veröffentlicht hat (Erschöpfungsgrundsatz). Lediglich eine Vervielfältigung könne noch unterbunden werden, aber eine solche Vervielfältigung liege gerade nicht vor, wenn der Veräußerer die Software vollständig von seinem Rechner entfernt bevor er sie an einen Dritten weiterveräußert.
Bei einer so genannten Box-Version, also auf einem körperlichen Datenträger gespeicherter Software, ergibt sich dies nach dem EuGH bereits aus dem Eigentumsrecht des Erwerbers am Datenträger. Denn das Eigentumsrecht gestattet dem Eigentümer einer Sache die vollständige Verfügungsgewalt über die Sache und damit auch das Recht zur Weiterveräußerung. Sofern aber der Software-Anbieter dem Erwerber eine Übertragung des Nutzungsrechtes an der Software untersagt, würde dies das Weiterveräußerungsrecht des Nutzers am Datenträger wertlos werden lassen, weil eine Dritter zwar das Eigentum am Datenträger erwerben kann, die auf dem Datenträger gespeicherte Software aber nicht nutzen dürfte. Diese Einschränkung des Eigentumsrechts ist nach der Rechtsprechung des EuGH nunmehr nicht zulässig. Denselben Rechtsgedanken hat der EuGH in seiner Entscheidung dann genauso für Client-Software, die aus dem Internet heruntergeladen werden kann, angewandt. Es kann insoweit für den Nutzer keinen Unterschied im rechtlichen Sinne machen, ob er die Software mit oder ohne einen Datenträger erwirbt. Der EuGH hat hier darauf verwiesen, dass insoweit eine Trennung von Lizenzrecht an der Software, also das Recht die Software auf einem entsprechenden Gerät zu installieren, und das Nutzungsrecht an der Software, also das Recht die installierte Software auch tatsächlich zu benutzen, ebenfalls eine untrennbare Einheit bilden. Andernfalls wäre das dem Käufer übertragene Lizenzrecht nämlich genauso wertlos wie sein Eigentumsrecht am Datenträger. Damit macht es also für das Recht des Nutzers zur Weiterveräußerung von gebrauchter Software keinen Unterschied ob die lizensierte Software auf einem körperlichen Datenträger gespeichert ist, an welchem der Nutzer Eigentumsrechte erworben hat, oder einfach im Internet heruntergeladen worden ist. Daraus folgt, dass jeder Nutzer seine Software stets weiterveräußern kann.
Dieses Urteil hat aber nicht nur Konsequenzen für AGB-Klauseln in Softwareverträgen, die die Weiterveräußerung der Software untersagen. Auch sämtliche Spieleplattformen, die die Nutzung ihrer Software nur gegen Einrichtung eines unübertragbaren Online-Accounts ermöglichen, schränken die Rechte des Nutzers im Sinne der Rechtsprechung des EuGH in unzulässiger Weise ein. Als ersten erwischt hat es Valve. Der Betreiber von Steam wurde nicht nur von der Verbraucherzentrale wegen der fehlenden Weiterveräußerungsmöglichkeit abgemahnt, inzwischen läuft vor dem Landgericht Berlin eine entsprechende Klage der Verbraucherzentrale gegen Valve. Zwar gibt sich Valve noch selbstbewusst, nach unseren Einschätzungen aber hat die Verbraucherzentrale derzeit die besseren Karten.
Was heißt das jetzt für die Xbox 720? Sollte die Verbraucherschutzzentrale in ihrem Verfahren gegen Valve vom Landgericht Berlin Recht bekommen, droht Microsoft ähnliches Ungemach. Dabei wäre eine Klage der Verbraucherschutzzentrale in Deutschland noch das geringste Problem. Eine echte Katastrophe droht, sollte Sony für die Playstation 4 auf einen Online-Zwang verzichten. Dann könnte auch Sony gegen Microsoft wegen unlauteren Wettbewerbes vorgehen. Und Sony ist anders als die Verbraucherschutzzentrale in seiner Klage nicht auf Deutschland beschränkt, sondern könnte die Xbox 720 auf dem gesamten europäischen Markt rechtlich aus dem Verkehr ziehen. Das Landgericht Berlin steht wohl vor einer seiner grundlegenden Entscheidungen der letzten Jahrzehnte…
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