Die höhere Mathematik der Abmahnung
Sie haben eine Abmahnung erhalten und wollen nun wissen, was zu tun ist? Da wird Ihnen jeder gute Anwalt die juristische Standardantwort geben: Das kommt darauf an.
Zum einen stellt sich eine grundsätzliche Frage, nämlich wurde ich zu Recht abgemahnt, weil ich tatsächlich das angegeben Werk, sei es ein Computerspiel, ein Musikstück ein Bild o.ä., durch eine sogenannte Filesharing-Software im Internet angeboten habe, oder liegt ein Irrtum vor. Bei einem Irrtum teilen Sie dies dem Abmahner unverzüglich mit, damit dieser nicht vor Gericht eine Einstweilige Verfügung gegen Sie erwirkt. Neben der Wirkung der Einstweiligen Verfügung werden Ihnen dann insbesondere die Kosten für das Gerichtsverfahren auferlegt.
Aber auch wenn die Abmahnung zu Recht erfolgt ist, sollten Sie auf keinen Fall den Kopf in den Sand stecken. Nicht immer stimmt nämlich alles, was ein Abmahner in seinem Schreiben behauptet. Ganz genau müssen Sie auf die veranschlagten Kosten schauen. Diese werden nicht immer richtig wiedergegeben.
Bei der Prüfung der Abmahnkosten sollten Sie immer Folgendes beachten:
1.Schadensersatz:
Für die Verletzung des Urheber- oder Lizenzrechtes steht dem Verletzten ein Schadensersatz zu. Der zu ersetzende Schaden wird vom Gericht geschätzt. Dabei muss das Gericht verschiedenste Aspekte berücksichtigen u.a. den Wert des rechtsverletzend angebotenen Werkes, die Dauer der Rechtsverletzung und die Menge der verbreiteten Kopien. Viele Abmahner nehmen hier pauschale Werte zwischen 200 und 300 € je angebotenem Werk an. Diese Werte stimmen zwar mit den meisten der gerichtlich festgestellten Schadensersatzansprüche überein, müssen aber bei weitem nicht für Ihren konkreten Fall passend sein. Prüfen Sie daher nach, welchen Wert das betroffene Werk aktuell hat und wie viele Einnahmen dem Abmahner durch Ihre Handlung entgangen sind bzw., wenn eine solche Feststellung unmöglich ist, wie viele Einnahmen auf Grund der gegebenen Umstände dem Abmahner entgangen sein könnten.
Darüber hinaus kann der Abmahner auch alle Kosten ersetzt verlangen, die zur Ermittlung Ihres Anschlusses notwendig waren. Aber auch hier müssen Sie aufpassen. Teilweise machen die Abmahner nämlich sämtliche Ermittlungskosten für den betreffenden Zeitpunkt gegenüber allen Personen geltend, die in dem betreffenden Zeitpunkt abgemahnt worden sind, z.B. die monatlichen Gebühren für die zuständige Überwachungsfirma für Urheberrechtsverstöße. Diese sind aber für den Abmahner nur einmalig angefallen und können deshalb gegenüber den abgemahnten Personen auch nur anteilig geltend gemacht werden.
2. Rechtsanwaltskosten:
Für die Beauftragung eines Rechtsanwaltes entstehen ebenfalls Kosten, welche der Abmahner bei einer rechtmäßigen Abmahnung ersetzt verlangen kann, soweit diese notwendig waren, wobei sich die Notwendigkeit üblicherweise bereits aus der Verletzung des Urheberrechts ergibt. Diese Rechtsanwaltskosten bemessen sich dabei am Streitwert der Sache. Bei der Verletzung des Urheberrechts ergibt sich der Streitwert nicht aus dem oben dargelegten Schadensersatz, sondern aus den fiktiven Lizenzgebühren, die der Abgemahnte hätte zahlen müssen, hätte er das Werk rechtmäßig anbieten wollen. Hier liegen die angegebenen Werte regelmäßig im 5-stelligen Bereich. Auch hier können sich die meisten Abmahnanwälte auf entsprechende Gerichtsurteile berufen. Aber für die Streitwerte gilt ähnliches wie für den Schadensersatz, sie bemessen sich letztendlich am konkreten Fall. Soweit das bei Ihnen betroffene Werk also im Vergleich zum üblichen Marktpreis aktuell deutlich günstiger verkauft wird, können Sie annehmen, dass ein Gericht den Streitwert niedriger ansetzen wird. Dies hat gleichzeitig zur Folge, dass auch die nach dem RVG zustehenden Rechtsanwaltsgebühren geringer ausfallen werden.
Darüber hinaus existiert theoretisch die Möglichkeit gemäß § 97a UrhG, die Rechtsanwaltskosten für eine solche Abmahnung auf 100 € zu begrenzen. Allerdings gilt diese Regelung nur für einfach gelagerte Fälle. Was ein solcher „einfach gelagerter Fall“ ist, hat der Gesetzgeber leider offengelassen, so dass sich die deutsche Rechtsprechung diesbezüglich gegenüber den abmahnenden Anwälten stets großzügig zeigen konnte und die Deckelung der Rechtsanwaltskosten nahezu durchgängig abgelehnt hat. Und eine Besserung der Umstände ist auch mit der geplanten Reform des UrhG offensichtlich nicht zu erwarten, wie der Spiegel bereits berichtete.
Zur Sicherheit sollten Betroffene aber auch in diesen Fällen einen Anwalt zu Rate ziehen. Beachten Sie dabei unbedingt, dass dieser seine Anwaltsgebühren an der Höhe der geforderten Abmahnsumme festmacht. Auf diese Weise kann es passieren, dass die Kosten für den eigenen Anwalt am Ende geringer sind als die Einsparungen, welche sich aus der überhöhten Abmahnforderung ergeben. Andernfalls könnte es Ihnen passieren, dass Sie am Ende sowohl vom Abmahner als auch Ihrem eigenen Rechtsanwalt über den Tisch gezogen werden und nur noch draufzahlen. Dies ist zwar nicht die Regel, aber Vorsicht ist bekanntlich die Mutter der Porzellankiste.
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