Vorübergehende Speicherung zum Zwecke der Betrachtung von digitalen Inhalten – § 44a UrhG!

Die jüngste Abmahnwelle der Kanzlei U+C sorgt für ein immer stärkeres mediales Echo. Auch unser Artikel zu diesem Thema sowie unsere Ausführungen zu den in diesem Zusammenhang relevanten Gesetzesnormen des Urheberrechts haben Herrn Erik Schwarz dazu bewogen, einen Kommentar zu schreiben, den wir an dieser Stelle gerne veröffentlichen:

Zur Anzeige und Betrachtung eines digital angelegten Inhaltes (Text, Bild, Film u.s.w) bedarf es aus technischen Gründen notwendig einer zumindest temporären Speicherung der zugehörigen digitalen Daten. Unabhängig vom Wortlaut des Gesetzes muss heute die Auslegungsregel zwingend gelten, dass eine temporär angelegte, der Anzeige und Wahrnehmung dienende Speicherung nicht als Vervielfältigung i.S. des UrhG gelten darf. Ansonsten wäre eine ungefährliche, rechtskonforme Nutzung des Internets praktisch ausgeschlossen. Dies ist heute absolut inakzeptabel und kann schlechterdings nicht Ergebnis einer Rechtsauslegung sein.

Zumindest der Beginn des Gesetzestextes (bis „Nr.1“) von § 44a UrhG legt nahe, dass der Gesetzgeber genau dem obigen Umstand Rechnung tragen wollte. Leider zeigt sich auch in diesem Fall wieder der traurige Umstand, dass je jünger Gesetzesvorschriften sind desto handwerklich schlechter sie formuliert sind. Dies gilt leider auch für § 44a UrhG. Die Fallalternative Nr.1 ist nicht einschlägig, weil der Zweck der vorübergehenden Speicherung im Cache eben nicht die Übertragung im Netz ist, sondern die Ermöglichung der Anzeige und damit der Betrachtung. Bei Nr.2 stellt sich die Frage, ob die bloße Betrachtung eines Werkes eine Nutzung i.S. von § 11 UrhG darstellt. Wenn man dies bejaht, regelt die Vorschrift nur das Betrachten von vom Urheber erlaubt veröffentlichten Werken. Gilt Betrachten jedoch nicht als Nutzung, ist § 44a UrhG gar nicht einschlägig.

Es bleibt aber der oben genannte zwingende Rechtsgedanke, dass eine temporär angelegte Speicherung (Cache), die zur Betrachtung eines digitalen Inhaltes notwendig ist, keine Vervielfältigung i. S. des UrhG ist. Bei der Anzeige von Text und (stehenden) Bildern sind nach Abruf einer Internet-Seite die zugehörigen Daten vollständig im Cache gespeichert. Ohne diese Speicherung wäre keine Internetseite zu betrachten. Zur Filmbetrachtung (Streaming) werden oftmals (besonders bei längeren Sequenzen) nur Teile desselben gleichzeitig im Cache gespeichert (Pufferung). Bezogen auf das geschützte Werk ist also hierbei im Vergleich zum Standbild beim Streaming eher ein Weniger gespeichert. Allerdings könnte man noch eine Unterscheidung machen, nämlich zwischen sich automatisch öffnenden Dateien einer Web-Seite und solchen, die sich erst nach einem zusätzlichen willentlichen Akt (Anklicken) öffnen. Dies würde natürlich genauso für Texte und Bilder zutreffen. Eine solche Unterscheidung wäre allerdings auch nicht sachgerecht. Zumal das Öffnungsverhalten auch vom Browser-Typ und dessen Einstellungen abhängt.

Fraglich könnte noch sein, ob § 53 I UrhG ausreicht, eine angemessene Internet-Nutzung zu ermöglichen. Dies muss verneint werden. Auch ein geschäftlich Tätiger muss in der Lage sein, den vollständigen Inhalt jeder Internetseite zumindest betrachten zu können und damit alle angebotenen Dateien temporär zwecks Anzeige derselben zu speichern.

Das Eigentum (im grundgesetzlichen Sinne) des Urhebers kann ausreichend durch die Verfolgung der unrechtmäßigen Veröffentlichung (primär!) und durch die Ahndung von auf Dauer angelegten Speicherungen (Vervielfältigungen, Downloads) unter Berücksichtigung von § 53 I UrhG geschützt werden. Gegen eine geringe Beeinträchtigung der Handlungsmöglichkeiten (Verfolgungsmöglichkeiten) des Urhebers steht das Recht der Allgemeinheit, das Internet überhaupt sinnvoll nutzen zu können.

Dem Gesetzgeber wäre dringend anzuraten, § 44a UrhG neu und unmissverständlich zu formulieren (frommer Wunsch!). Aber auch bis dahin muss für Gerichte gelten, dass Caching (damit erst recht Buffering) keine Vervielfältigung i.S. der UrhG darstellt.

Erik Schwarz

Wir bedanken uns bei Herrn Schwarz für diesen Beitrag.

Thomas Urmann ist der neuer Xaver

Vor genau einer Woche bedrohte das Sturmtief „Xaver“ große Teile Deutschlands. Insbesondere an der Nord- und Ostseeküste sorgten orkanartige Winde für einen enormen Anstieg der Wasserpegel und setzten weite Teile unter Wasser. Die Bilder von enormen Wellen, die Hafenanlage überspülten und zum Teil sogar über Deiche und Dünenkanten schwappten, sind uns allen noch in Erinnerung.

Kaum aber ist „Xaver“ über uns hinweggefegt, droht neues Ungemach aus Hamburg bzw. Regensburg. Von dort schwappte vor wenigen Tagen eine riesige Abmahnwelle über das Land. Betroffen waren dabei ca. 10.000 Besucher des Erotik-Portals Redtube. Die Regensburger Urmann + Collegen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (U+C) mahnte diese wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen durch so genanntes Streaming ab. Und das soll erst der Anfang gewesen sein. Aus Hamburg ließ der Geschäftsführer der Kanzlei, Rechtsanwalt Thomas Urmann, verlauten, dass weitere Abmahnungen, auch bzgl. anderer Streaming-Portale, in großer Zahl folgen werden (zu den Fragen der Rechtmäßigkeit des Streamings finden Sie hier genauere Ausführungen).

Dabei scheint es den Kollegen gar nicht zu stören, dass er sich mit seinem Handeln offenbar auf ganz dünnem Eis bewegt. Das beginnt bereits beim eingereichten Auskunftsersuchen beim LG Köln. Der zu diesem Zeitpunkt noch von der abmahnenden „The Archieve AG“ beauftragte Berliner Rechtsanwalt Daniel Sebastian hat darin anscheinend die entscheidenden Richter über die genauen Umstände der Sache getäuscht. So ging das Gericht ausweislich seiner Entscheidung, fälschlicherweise davon aus, dass es sich bei dem gegenständlichen Portal um eine Tauschbörse handelt. Die Richter begründen daher den Auskunftsanspruch mit dem urheberrechtsverletzenden Veröffentlichen des Werkes „Amanda’s secrets“. In den Abmahnungen der Kanzlei U+C, welche der beauftragte Rechtsanwalt Sebastian anscheinend bei der Bearbeitung der Fälle um Hilfe gebeten hatte, wird nunmehr aber eine urheberrechtswidrige Vervielfältigung abgemahnt, wohl wissend das die Nutzung eines Streaming-Angebotes gerade kein Veröffentlichen ist. Dafür hat das LG Köln den Auskunftsanspruch aber genaugenommen gar nicht gewährt.

Noch spannender ist aber fast die Frage, wie „The Archieve AG“ an die ganzen IP-Adressen gekommen ist. Die von der beauftragten Firma ITGuards genutzte Software Gladll 1.1.3 funktioniert bei Tauschbörsen, aber nicht bei Streaming. Soweit aber die Daten auf einem anderen Wege erlangt worden sind, stellt sich die Frage, warum das dann gegenüber dem Gericht verheimlicht worden ist. Redtube hat sich mittlerweile auch dazu geäußert und erklärt, dass sie keine Informationen herausgegeben haben. Inzwischen läuft diesbezüglich sogar schon ein Strafverfahren gegen einen Mitarbeiter von ITGuards.

Und ganz am Ende stellt sich noch die Frage nach der rechtlichen Situation des Streamings im Internet. Hier sind insbesondere 2 Paragrafen des Urheberrechts interessant: § 44a und § 53 UrhG. Der eine erlaubt eine nur vorrübergehende Vervielfältigung, die lediglich Teil des technischen Verfahrens der Nutzung sind, was bei der temporären Speicherung der Datei beim Streaming schon sehr nahe kommt (näheres haben wir hier ausgeführt). Der andere erlaubt die Vervielfältigung zur Nutzung bereit gestellter Werke zum privaten Gebrauch, soweit diese nicht offensichtlich rechtswidrig hergestellt worden sind.

Sollten auch Sie eine Abmahnung der Kanzlei U+C wegen Streamings erhalten haben, zögern sie daher nicht sich einen fachkompetenten Rechtsbeistand für die Angelegenheit zu suchen.

Die Luft wird dünn für Jahn & Rug

Die Mühlen der Justiz mahlen langsam und so ist es leider nicht verwunderlich, dass unsere Klageverfahren gegen die Abmahnungen der Kanzlei Jahn & Rug im Namen von Herrn Jan Weidenbach noch immer im schriftlichen Vorverfahren stecken. Aber schon dort kann man die Skrupellosigkeit, mit der hier vorgegangen wird um Webseiten-Betreiber abzuzocken, offensichtlich erkennen.

Das mit den Klagen betraute LG Berlin fand den von uns angesetzten Streitwert von 7.500,00 Euro als zu hoch angesetzt. Die eine Kammer geht vielmehr von einem Streitwert von lediglich 4.000,00 Euro, die Kammer im Parallelverfahren schätzte den Streitwert sogar nur auf 600,00 Euro. Im Vergleich: die Kollegen von Jahn & Rug beziffern in ihren Abmahnungen einen Streitwert zwischen 10.000,00 Euro und 20.000,00 Euro, um damit Rechtsanwaltsgebühren zwischen 880,00 und 1170,00 Euro zu kreieren!

Mittlerweile liegt uns die Antwort der Kollegen Jahn & Rug auf die Einschätzung des Gerichts bzgl. des Streitwertes vor. Darin steht nun überraschender Weise kein Protest gegen die Einschätzung, immerhin würde das die Gebühren der Abmahnungen um bis zu 85 % schmählern. Vielmehr teilen die Kollegen die Auffassung des Gerichts vollumfänglich.

Wir wissen nicht wann man bei der Gegenseite zu der Erkenntnis gelangt ist, dass die angenommenen Streitwerte im fünfstelligen Bereich nicht der Realität entsprechen. Vielleicht hat erst die Aussicht auf entsprechende Rückforderungen von Rechtsanwaltskosten durch zu Unrecht Abgemahnte bei den Kollegen zu der Einsicht geführt, dass die vermeintliche Gelddruckmaschine „Abmahnung“ auch ganz schön zur Kostenfalle für den Abmahner werden kann. Vielleicht ist damit der Abmahnwelle durch die Rechtsanwaltskanzlei Jahn & Rug endlich ein Ende gesetzt. Zumindest aber dürften die in den Abmahnungen geforderten Kosten zukünftig deutlich geringer ausfallen.

Was bedeutet der Streitwert

Sowohl eigene Mandanten als auch Verfahrensgegner haben uns in letzter Zeit häufig gefragt, warum Sie bei Unterlassungsverfügungen so hohe Streitwerte bezahlen müssten. Deswegen klären wir an dieser Stelle einmal kurz auf: Den Streitwert muss man nicht bezahlen! Der Streitwert dient einzig der Berechnung der Gebühren für Rechtsanwalt und Gericht.

Daher müsste die eigentliche Frage lauten: Wie berechnet sich der Streitwert?

Das hängt immer vom Wert des Verfahrens ab. Am einfachsten berechnet sich der Streitwert in den Fällen, in denen eine Partei von der anderen eine bestimmte Geldsumme gezahlt bekommen möchte. Dann ist die Höhe der Forderung auch gleichzeitig die Höhe des Streitwerts. Anders sieht es aber bei Unterlassungsverfügungen aus. Hier muss der Wert der unterlassenen Handlung geschätzt werden. Zu diesem Zweck wird überlegt, was für ein Schaden entstehen könnte, wenn die Handlung nicht unterlassen werden würde. Das klingt nicht nur ungemein kompliziert, es ist auch teilweise schwer nachvollziehbar. Keine Rolle spielt hierbei, wie hoch der Schaden bisher war, das ist erst beim Schadensersatz relevant. Wird z.B. das illegale Anbieten von Software auf Tauschbörsen (Filesharing) abgemahnt, so ergibt sich der Streitwert aus der Höhe des Schadens, der entstehen könnte, wenn derjenige die Software weiter anbieten würde. Weil Angebote im Internet von Tausenden genutzt werden können, werden aus einer Software im Wert von 10,00 €, plötzlich Streitwerte von 10.000,00 € und mehr. Wie lange das Angebot schon im Netz war und ob überhaupt schon jemand von dem illegalen Angebot Gebrauch gemacht hat, ist dabei unerheblich. Das ist wie gesagt erst beim Schadensersatz wichtig.

Sollte es in einem solchen Fall tatsächlich zu einer gerichtlichen Unterlassungsverfügung kommen, muss der Betroffene aber selbstverständlich keine 10.000,00 € bezahlen. Vielmehr genügt es einfach die entsprechende Handlung zukünftig zu unterlassen. Tatsächlich bezahlt werden muss nur der Schadensersatz. Der umfasst neben dem tatsächlichen Schaden in Form des illegal erzielten Gewinns oder den Kosten für den Erwerb der legalen Verkaufsrechte, auch die Gebühren für Gericht und Rechtsanwalt.

Auch Fitnessstudios sind nur Dienstherren

Der heutige Beitrag entspringt der Kategorie, „nur weil es alle machen, ist es noch lange nicht rechtens“. Diesmal ging es um die anscheinend verbreitete Praxis von Fitnessstudios, ihre Kursleiter nur dann zu bezahlen, wenn der Kurs tatsächlich stattgefunden hat, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt die Absage dem Kurseiter mitgeteilt worden ist.

Gegen diese Praxis hat sich inzwischen eine Fitnesstrainerin mit unserer Hilfe zur Wehr gesetzt und Recht bekommen.

Unsere Mandantin war für die Vertretung zweier Kurse von einem Fitnessstudio gebucht worden. Während der erste Kurs noch ohne weitere Besonderheiten von unserer Mandantin abgehalten worden war, wurde der zweite Kurs von Seiten des Fitnessstudios erst vor Ort aufgrund mangelnder Beteiligung abgesagt. Unsere Mandantin stellte daraufhin eine Rechnung über die Vertretung von 2 Fitnesskursen, für die sie ursprünglich gebucht worden war. Das Fitnessstudio weigerte sich jedoch den ausgefallenen Kurs zu bezahlen.

Nachdem es außergerichtlich zu keiner Einigung gekommen ist, musste schließlich das Amtsgericht Mitte sich der Sache annehmen und fand in der mündlichen Verhandlung deutliche Worte:

Der Kursleiter ist ein Dienstleister gegenüber dem Fitnessstudio als Dienstherrn und im Dienstrecht trägt stets der Dienstherr das Risiko, dass die Arbeit nicht durchgeführt werden kann. Dies kann zwar individuell zwischen den Parteien anders vereinbart werden, eine solche Vereinbarung lag hier jedoch nicht vor. Der Verweis des Studios darauf, dass unsere Mandantin auf diese Regelung durch eine festangestellte Trainerin hingewiesen worden sei, ließ sich nicht beweisen. Weiterhin stellte das Gericht klar, dass selbst das bloße Wissen um eine solche Regelung nicht ausgereicht hätte. Vielmehr bedarf es einer entsprechenden Vereinbarung zwischen den Parteien selbst. Ob das Gericht damit andeuten wollte, dass eine solche Regelung nur mittels einer Individualvereinbarung möglich ist oder aber auch im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), blieb offen. Da das Fitnessstudio nach dem Vortrag des Gerichts die Ansprüche unserer Klägerin anerkannte, endete das Gerichtsverfahren ohne ein entsprechend begründetes Urteil. Für alle anderen Trainerinnen und Trainer, die sich ebenfalls wegen ausgebliebener Vergütungen gegen ein Fitnessstudio zur Wehr setzen möchten, können wir an dieser Stelle daher nur das Protokoll der mündlichen Verhandlung anbieten. Wir hoffen aber, dass bereits damit ein eindeutiger Hinweis gegeben werden kann, wie ein Gericht in einem solchen Verfahren entscheiden würde und damit die bisher verbreitete Praxis der Zahlungsverweigerung ein Ende findet. Sollte das jedoch nicht reichen, empfehlen wir den Gang zum Rechtsanwalt Ihres Vertrauens.

 

Richtigstellung eines verbreiteten Gerüchts

Die Zivilkammer 12 des Landgerichts Hamburg hat in zwei durchaus fragwürdigen Entscheidungen einem unserer Mandanten die Verbreitung seiner Software verboten, welche es einem Spieler ermöglicht Handlungen in zwei der größten Online-Rollenspiele automatisch ausführen zu lassen. Dabei begründet das Gericht seine Entscheidung in einer Sache sogar damit, dass auf einzelne Klauseln der zum Spiel gehörenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) das deutsche AGB-Recht gar nicht anwendbar sei. Deswegen sei es unerheblich, ob diese Klauseln dem Spieler, im Regelfall einem Verbraucher, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses überhaupt vorgelegt worden sind. Diese Vorstellung des Gerichts, dass ein Unternehmer nachträglich gegenüber dem Verbraucher Vertragsbedingungen einseitig rechtswirksam einführen kann, ist aber wohl kaum mit den hohen Standards des europäischen Verbraucherschutzes zu vereinbaren. Und noch gehört Deutschland, anders als das Herkunftsland des US-amerikanischen Prozessgegners, zur Europäischen Union.

 In beiden Fällen haben wir deshalb fristgerecht die Berufung eingelegt, so dass keines der beiden Urteile (LG Hamburg, Urt. v. 19.07.2012, Az.: 312 O 322/12 und Urt. v. 23.05.2013, Az.: 312 O 390/11) bisher rechtskräftig geworden ist. Anderslautende Berichte, welche zuletzt in größeren Newslettern publiziert worden sind, sind daher grob falsch. Die Berufungssache gegen das Urteil aus dem Jahre 2012 läuft beim Hanseatischen Oberlandesgericht unter dem Aktenzeichen 3 U 125/12. Uns wurde aber bereits mitgeteilt, dass eine Bearbeitung der Sache, obwohl es sich eigentlich um ein vorläufiges Verfahren handelt, nicht vor dem 1. Quartal 2014 möglich ist.

LG Berlin hält nur ausdrückliche Einwilligungen bei Werbe-Mails für ausreichend

Das Landgericht Berlin (LG Berlin) hat in einer von uns vertretenen Rechtssache entschieden, dass das Zusenden von Werbe-Mails nur mit der ausdrücklichen Einwilligung des jeweiligen Empfängers erlaubt ist (Einstweilige Verfügung des LG Berlin). Dabei, so das Gericht, sind auch an die ausdrückliche Einwilligung sehr enge Voraussetzungen zu stellen.

Unser Mandant hatte bei der Suche nach seinem privaten Glück in einer Zeitschrift eine Kontaktanzeige geschaltet. Darin bat er interessierte Damen, sich mit ihm auf einen Cocktail zu treffen. Als Kontaktmöglichkeit gab er seine E-Mail-Adresse an. Neben einigen Frauen meldete sich aber auch eine gewerbliche Partnervermittlung über diese E-Mail-Adresse bei ihm. Diese wollte sich natürlich nicht zum Cocktailtrinken treffen, sondern pries unserem Mandanten ihre Dienste an. Unser Mandant hatte daran aber kein Interesse und forderte die Partnervermittlung auf, derartige Mails an ihn zu unterlassen, was diese jedoch ablehnte.

Im anschließenden Gerichtsverfahren lehnte das Amtsgericht Charlottenburg einen Unterlassungsanspruch unseres Mandanten zunächst noch ab. Es war der Ansicht, dass sich aus der geschalteten Kontaktanzeige zumindest eine mutmaßliche Einwilligung gegenüber kommerziellen Partnervermittlern zur Zusendung von entsprechendem Werbematerial ergibt.

Unser Mandant wollte diese Entscheidung nicht hinnehmen, rief die nächste Instanz an und bekam Recht. Das LG Berlin hob die Entscheidung des Amtsgerichts auf. Dabei führte es aus, dass

         an eine ausdrückliche Einwilligung hohe Anforderungen zu stellen sind,

         eine mutmaßliche Einwilligung gerade nicht ausreichend ist und

         in unserem konkreten Fall in der Kontaktanzeige weder eine ausdrücklich noch eine mutmaßliche Einwilligung in die Zusendung von Werbe-Mails zu verstehen sei.

Letzteres ergibt sich für das Gericht insbesondere aus dem Zusammenhang. Mit dem Schalten einer privaten Kontaktanzeige bringt der Betreffende gerade eindeutig zum Ausdruck, dass er sich bei der Partnersuche eben nicht eines anderen kommerziellen Partnervermittlers bedienen will.

Das Gericht begründet seine Entscheidung mit § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Das UWG führt zwar eigentlich nur zu Ansprüchen zwischen im Wettbewerb stehenden Unternehmen, nach Ansicht des LG Berlin muss aber gegenüber Verbrauchern das Gleiche gelten. Soweit nämlich § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG für Konkurrenzunternehmen einen Unterlassungsanspruch erkennt, wenn Werbe-Mails ohne vorherige Einwilligung an Verbraucher verschickt werden, dann muss der Verbraucher selbst erst recht einen solchen Unterlassungsanspruch gegen den Versender haben. Dies ergibt aus der belästigenden Wirkung von Werbe-Mails und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht eines jeden einzelnen.

Geniale Werbung oder teurer Fehler

Paypal hat einem Teil seiner Kunden eine Gewinnbenachrichtigung über 500 € geschickt, um diese wenig später wegen Irrtums anzufechten. Nun streiten sich die Rechtsgelehrten darüber, ob Paypal den Gewinn trotzdem an jeden, der die Benachrichtigung erhalten hat, auszahlen muss.

Hintergrund ist § 661a BGB, welcher Verbrauchern einen Anspruch auf Auszahlung eines zugesagten Gewinns gewährt. Umstritten ist jetzt, ob eine solche Gewinnzusage nachträglich angefochten werden kann.

Anfechten kann man grundsätzlich nur Willenserklärungen. Eine Gewinnzusage gilt nach deutschem Recht aber als geschäftsähnliche Handlung, d.h. anders als bei einer Willenserklärung tritt die Rechtsfolge unabhängig vom Willen des Erklärenden ein. Die Frage ist, ob aber insoweit eine analoge Anwendung der Regeln über die Anfechtung auch für solche geschäftsähnliche Handlungen gilt. Der BGH hat im Jahre 1988 (Az.: XI ZR 81/88) dies ausdrücklich so angenommen und die Literatur ist auch weitgehend dieser Rechtsansicht gefolgt. Es gibt aber vereinzelt Stimmen, die diese Rechtspraxis mit durchaus gewichtigen Argumenten in Zweifel ziehen. Insbesondere stellt sich bei der Anfechtung die Frage der analogen Anwendung, weil eine Anfechtung als Grund einer irgendwie gearteten Beeinträchtigung der Willenstätigkeit des Erklärenden bedarf. Die Geschäftsähnliche Handlung ist in ihrer Wirksamkeit aber gerade unabhängig vom Willen des Erklärenden, eine Beeinträchtigung des Willens dürfte daher die Rechtswirksamkeit der Erklärung eigentlich nicht beeinflussen können.

Letztendlich spricht die Rechtsprechung noch zu Gunsten von Paypal. Sollten sich aber einer oder mehrere der von Paypal angeschriebenen Kunden auf einen Rechtstreit mit Paypal einlassen, könnten diese durchaus einige Argumente anführen, die vielleicht geeignet sind eine mittlerweile 25 Jahre alte Entscheidung des BGH ins Wanken zu bringen.

Bevor aber jetzt Nachahmer von Paypal meinen, diese Form der Werbung nachahmen zu wollen, sollten sie Folgendes bedenken:

  1. Wer die Gewinnzusage bewusst zum Kundenfang nutzt, kann sie hinterher gerade nicht mehr wegen eines Irrtums anfechten. Dies kann zwar im Zweifelsfall eine Frage der Beweisbarkeit werden, Paypal hat aber Gewinnzusagen von 500 € an knapp 3,5 Millionen Nutzer verschickt. Sollten diese tatsächlich gewollt verschickt worden sein, kann sich jeder ausrechnen wie teuer die Geschichte werden kann, wenn es dann doch mal ein Leck im Unternehmen gibt.
  2. Auch eine Anfechtung kann teuer werden. § 122 Abs. 1 BGB sichert nämlich dem Adressaten einer Willenserklärung einen Schadensersatz für alle Aufwendungen zu, die er in der Annahme der Richtigkeit der Erklärung des Anderen getätigt hat. Hat also ein Kunde nach dem Erhalt der Gewinnzusagen und vor Zugang der Anfechtung die versprochenen 500 € oder Teile davon bereits ausgegeben, könnte er insoweit möglicherweise anstatt des Anspruchs auf Auszahlung des Gewinns einen Schadensersatz in Höhe der bereits ausgegebenen Summe haben.

Hamburger Brauch?

Als Berliner Kanzlei haben wir in unserer Tätigkeit bisher relativ wenige Berührungspunkte mit der Hamburger Judikative gehabt. Im Grunde beschränkt sie sich auf zwei Verfahren, welche dafür umso größer sind. Deswegen können und wollen wir auch nicht von dem bisher dort erlebten auf die gesamte Hamburger Justiz schließen, insbesondere weil beide Verfahren vor derselben Kammer des LG Hamburg einmal begonnen haben, mittlerweile drängt sich uns jedoch der Eindruck auf, dass in Hamburg würde unter dem Begriff „Rechtsprechung“ eher „Rechtschweigen“ verstanden.

In der einen Sache hat das LG Hamburg im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahren per Urteil eine vorläufige Entscheidung bis zum Abschluss der Hauptsache gefällt (bereits dort lagen zwischen der Verkündung des Urteils und dem Zugang der Urteilsgründe über 6 Monate!), gegen welches wir Berufung eingelegt haben. In diesem Berufungsverfahren sind auch schon viele Seiten Papier von Partei zu Partei geschickt worden, einzig das zuständige OLG Hamburg äußerte sich nicht. Mittlerweile hat vor dem LG Hamburg das Hauptsacheverfahren begonnen, es ist sogar schon ein Termin für eine mündliche Verhandlung Mitte Juli terminiert worden. Das OLG Hamburg weigert sich allerdings weiterhin das einstweilige Verfügungsverfahren, welches eigentlich ein beschleunigtes Verfahren ist, voran zu treiben. Vielleicht möchte die Hamburger Justiz die Prinzipien der deutschen Zivilgerichtsbarkeit ein wenig ad absurdum führen und in der Hauptsache bereits eine Entscheidung treffen, bevor es im einstweiligen Verfügungsverfahren die Regelung bis zu Entscheidung der Hauptsache festgelegt hat.

Aber möglicherweise das OLG Hamburg auch schon Kenntnis, dass selbst Termine zur Verkündung eines Urteils beim LG Hamburg eigentlich alles bedeuten können, nur nicht, dass tatsächlich ein Urteil verkündet wird. Was uns auch gleich zu unserem zweiten Verfahren am LG Hamburg führt: Nachdem die Kammer dort Anfang Dezember 2012 im letzten Termin zur mündlichen Verhandlung den Termin zur Verkündung des Urteils für Ende Januar 2013  bestimmt hatte, folgte zum angekündigten Zeitpunkt der Beschluss, den Termin auf Mitte März  zu verschieben. Aber auch im März wurde kein Urteil gefällt, sondern der Termin per Beschluss nunmehr auf Mitte April verschoben. So überraschte es kaum als im April dann der Beschluss kam, den Termin zur Verkündung des Urteils um weitere zwei Wochen zu verschieben. Die folgende Entscheidung beinhaltete dann…NICHTS! Zwar wurde das Schreiben mit Beschluss betitelt, wies aber an der entscheidennen Stelle eine klaffende weiße Lücke auf. Was will uns das LG Hamburg mitteilen?

Bevor jemand diesen Eintrag missversteht, es ist nicht unsere Absicht die Hamburger Gerichte zu diskreditieren. Im Gegenteil, wir würden uns sogar freuen, wenn Kollegen oder Mitbürger uns versichern können, dass unsere Erfahrungen die absolute Ausnahme sind, denn Brauch sollte das, was uns bisher in Hamburg widerfahren ist, unter keinen Umständen sein oder werden.