Zuständigkeit der deutschen Gerichte für Klage gegen Internetveröffentlichung der New York Times

Lange hatte ich überlegt, ob ich etwas zu dem reißerischen Blogeintrag des Kollegen Udo Vetter schreibe, der das – meiner Meinung – schlicht juristisch korrekt begründete Urteil des Bundesgerichtshofes vom gestrigen Tage nutzt, um populistisch Stimmung gegen diverse Urteile des Landgericht Hamburg zu verbreiten und nach dem Sähen von Wind, in den Kommentaren Sturm erntet.

Ich habe mich dagegen entschieden, da nicht einmal der Sachverhalt die Hanseaten betrifft und beschränke mich daher auf die Wiedergabe der Pressemeldung, die Prof. Dr. Hoeren gestern verbreitete:

Die deutschen Gerichte sind für eine Klage wegen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts durch einen im Internet abrufbaren Artikel international zuständig, wenn der Artikel deutliche Bezüge nach Deutschland aufweist.

Der in Deutschland wohnhafte Kläger nimmt die Verlegerin der Tageszeitung „The New York Times“ sowie den in New York ansässigen Autor eines am 12. Juni 2001 in den Internetauftritt der Zeitung eingestellten und dort im „Online-Archiv“ zum Abruf bereit gehaltenen Artikels, durch den sich der Kläger in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt sieht, auf Unterlassung in Anspruch. Beide Vorinstanzen haben die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte verneint und die Klage deshalb als unzulässig abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der u.a. für den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige VI.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gemäß § 32 ZPO gegeben. Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Begehungsort der deliktischen Handlung ist dabei sowohl der Handlungs- als auch der Erfolgsort. Der Erfolgsort der vom Kläger behaupteten Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt in Deutschland, weil dort der Eingriff in das geschützte Rechtsgut droht. Der angegriffene Artikel weist einen deutlichen Inlandsbezug auf, der ein erhebliches Interesse deutscher Internetnutzer an seiner Kenntnisnahme nahe legt. In dem angegriffenen Artikel wird der in Deutschland wohnhafte Kläger namentlich genannt.
Ihm werden unter Berufung auf Berichte europäischer Strafverfolgungsbehörden Verbindungen zur russischen Mafia nachgesagt. Es wird behauptet, seine Firma in Deutschland sei ausweislich der Berichte deutscher Strafverfolgungsbehörden Teil eines Netzwerkes des internationalen organisierten Verbrechens und dem Kläger sei die Einreise in die USA untersagt. Bei dieser Sachlage liegt es nahe, dass der Artikel im Inland zur Kenntnis genommen wurde oder wird. Bei der „New York Times“
handelt es sich um ein international anerkanntes Presseerzeugnis, das einen weltweiten Interessentenkreis ansprechen und erreichen will. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war und ist die Online-Ausgabe der Zeitung auch in Deutschland abrufbar. Deutschland ist im Registrierungsbereich des Online- Portals ausdrücklich als „country of residence“ aufgeführt. Im Juni 2001 waren nach den Feststellungen des Berufungsgerichts 14.484 Internetnutzer registriert, die Deutschland als Wohnsitz angegeben hatten.

LG Düsseldorf – Entscheidung vom 9. Januar 2008 – 12 O 393/02

OLG Düsseldorf – Entscheidung vom 30. Dezember 2008 – I-15 U 17/08

Von der Leyen und die Kinderpornographie

Der Kollege Stadler inspiriert mich zur Erwähnung eines Umstandes, den ein Mandant gerade am Telefon erwähnt hat. Er hat nämlich Strafanzeige gegen Fr. von der Leyen erstattet und das Zitat unserer Bundesmutter und Familienministerin im Hamburger Abendblatt

„Eine zivilisierte Gesellschaft, einschließlich der Internetgemeinschaft, die Kinderpornografie ernsthaft ächtet, darf auch im Internet nicht tolerieren, dass jeder diese Bilder und Videos vergewaltigter Kinder ungehindert anklicken kann. (…) Das Leid der Opfer ist real, nicht virtuell. Jeder Klick und jeder Download verlängert die Schändung der hilflosen Kinder.“

passt dabei wie die Faust aufs Auge. Denn warum dann auf einer Pressekonferenz vor 30 Journalisten live auf skandinavischen Kinderpornoseiten surfen? Soll eine Pressekonferenz etwa nicht öffentlich i.S. von § 184 I Nr. 7 sein? Die Staatsanwaltschaft Berlin hat ähnlich geartete Anzeigen jedenfalls wohl abgeschmettert.

Wer übrigens trotzdem gegen Internetsperren ist, der trage sich hier in einer ePetition beim Bundestag ein.

Dauerwerbesendung darf nicht Promotion genannt werden

Beim Verwaltungsgericht Berlin stritten die Parteien darüber ob ob die Kennzeichnung während des Verlaufs einer Dauerwerbesendung mit dem Begriff žPromotionœ der Kennzeichnungspflicht genügt. Der Medienrat der Antragsgegnerin beschloss in seiner Sitzung am 7. Dezember 2007 die genannte Sendung als Verstoß gegen die Pflicht žDauerwerbesendungen während ihres gesamten Verlaufes mit dem Schriftzug žWerbesendungœ oder žDauerwerbesendungœ zu kennzeichnenœ zu beanstanden, nachdem die Antragstellerin hierzu angehört worden war. In Vollziehung dieses Medienratsbeschlusses erließ die Antragsgegnerin am 28. Dezember 2007 einen entsprechenden rundfunkaufsichtsrechtlichen Bescheid und forderte die Antragstellerin auf, den Verstoß künftig zu unterlassen.u.

Das VG Berlin stimmt dem zu und begründet dies wie folgt:

[…] Rechtsgrundlage ist $ 58 Abs. 1 MStV, der wortgleich ist mit dem zum Zeitpunkt der Ausstrahlung der beanstandeten Sendung geltenden $ 69 Abs. 1 MStV. Hiernach hat die Medienanstalt, wenn sie feststellt, dass ein Veranstalter die rechtlichen Bindungen nach diesem Staatsvertrag oder einer auf der Grundlage dieses Staatsvertrages ergangenen Entscheidung nicht beachtet, den Verstoß zu beanstanden und den Veranstalter unter Hinweis auf die möglichen Folgen einer Nichtbeachtung der Anordnung aufzufordern, den Verstoß zu beheben und künftig zu unterlassen. Die Antragstellerin hat gegen $ 7 Abs. 5 RStVverstoßen, wonach Dauerwerbesendungen zu Beginn als Dauerwerbesendung angekündigt und während ihres gesamten Verlaufs als solche gekennzeichnet werden müssen. Zwar hat die Antragstellerin ihre Dauerwerbesendung zu Beginn als Dauerwerbesendung angekündigt, sie hat sie jedoch nicht während ihres gesamten Verlaufs als solche gekennzeichnet. Die Kennzeichnung als ž¦-Promotionœ stellt keine Kennzeichnung als Dauerwerbesendung im Sinne dieser Vorschrift dar.

Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des $ 7 Abs. 5 Satz 2 RStV, da eine Dauerwerbesendung nicht als Promotion oder Ähnliches, sondern als solche, nämlich als Dauerwerbesendung zu kennzeichnen ist. Dem entspricht auch der Sinn und Zweck der Kennzeichnungspflicht während des Verlaufs der Dauerwerbesendung nach $ 7 Abs. 5 Satz 2 RStV. Dem Zuschauer, der während des Verlaufs der Sendung das Programm wählt, soll unmittelbar der Werbecharakter der Sendung verdeutlicht werden (vgl. die amtliche Begründung zu $ 6 Abs. 4 Rundfunkstaatsvertrag 1991, jetzt $ 7 Abs. 5). Da eine Dauerwerbesendung redaktionell aufbereitet ist, besteht im Gegensatz zur Spotwerbung eine größere Gefahr der Verunsicherung, dass der Zuschauer irrig annehmen könnte, sich im Programmteil des Senders zu befinden. Dieser Pflicht zur unmittelbaren Erkennbarkeit als Werbesendung wird eine Kennzeichnung mit dem Schriftzug žPromotionœ nicht gerecht. […] Soweit die Antragstellerin auf Werbung im Printbereich verweist, verkennt sie, dass dies nicht mit dem Fernsehen vergleichbar ist, da im Fernsehen eine deutlich höhere Reizüberflutung des Zuschauers durch die bewegten Bilder gegeben ist. Der Zuschauer kann, anders als der Leser einer Zeitschrift, die Werbung nicht beliebig lang und entsprechend intensiv betrachten.

Äußerungen über Befindlichkeiten kann zu Gegendarstellungsanspruch führen

Der Anspruch auf Gegendarstellung ist in allen landesrechtlichen Pressegesetzen kodifiziert. Fraglich ist im Detail nur des öftern, wann der Tatbestand erfüllt ist. Eine interessante Entscheidung dazu erreicht uns nun vom OLG Karlsruhe, wonach das Recht auf Gegendarstellung auch bei einer Äußerung über Befindlichkeiten einer Person möglich sein kann, wenn Leser die Mitteilung von Tatsachen erwarten. In der Tat liegt hier ein durchaus kniffliges Problem vor, eine Tatsachenbehauptung von einer nicht gegendarstellungsfähigen Schlussfolgerung auf Meinungsebene, lediglich eine wertende Interpretation und damit eine Meinungsäußerung, zu unterscheiden.

Als Entscheidungsmaßstab soll dabei sein, in welcher Weise eine veröffentlichte Äußerung zu verstehen ist, also der ihr vom maßgeblichen Empfängerkreis beigelegte Sinngehalt. Insbesondere ist das ganze somit eine ausgesprochene Einzelfallentscheidung.

Religionskritik ist nicht jugendgefährdend

Für Verfechter der Meinungsfreiheit dürfte ein Ruck durch den Körper gehen, denn der Indizierungsantrag für das religionskritische Kinderbuch žWo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel“ von Michael Schmidt-Salomon und Helge Nyncke wurde abgelehnt. Nach Meinung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ist das Buch somit anscheinend nicht žgeeignet, Kinder und Jugendliche sozial-ethisch zu desorientieren“, wie das Bundesfamilenministerium es vertritt.

Der Autor äußer sich wie folgt dazu: „Eine offene Gesellschaft kann es sich nicht leisten, religiöse Gefühle unter Denkmal-Schutz zu stellen. Dies würde zu einer gefährlichen Unterhöhlung der Streitkultur der Aufklärung führen“ und wird dabei von Illustrator Helge Nyncke mit Sieg des gesunden Menschenverstandes über das religiöse Scheuklappendenken“: žIch bin sehr erleichtert – jetzt darf endlich ganz offiziell in unseren Kinderbüchern auch über Religion wieder nachgedacht und gelacht werden.“ ergänzt.

Nachdem das Buch sich übrigens schon 12.000 Mal verkauft hat, wird die 4. Auflage Ende März erwartet.

Kein Gegendarstellungsanspruch bei Mehrdeutigkeit

Ein Wort mit X, dat war wohl Nix. Dies mag dem Quizmaster durch den Kopf gegangen sein, als ihm mitgeteilt wurde, dass er vor dem OLG Düsseldorf unterliegen würde. Der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hat heute in einem einstweiligen Verfügungsverfahren (Eilverfahren) einen Gegendarstellungsanspruch gemäß $ 11 Landespressegesetz Nordrhein-Westfalen verneint. Ein Gegendarstellungsanspruch bestehe bei verdeckten, sich aus dem Zusammenspiel mit einer offenen Behauptung ergebenden Aussage nur dann, wenn sich eine bestimmte Schlussfolgerung für einen Leser als unabweisbar oder zwingend aufdränge.

Eine gewagte und gleichzeitig interessante Aussage. Hintergrund des Berufungsverfahrens ist ein Streit zwischen einem Wirtschaftsverlag und einem Moderator/Quizmaster. In der Zeitschrift der Beklagten war im September 2007 ein Artikel mit der Überschrift žSpione im Gartenœ erschienen, der sich mit den Möglichkeiten der Internetrecherche žGoogle Earthœ befasste. Der Artikel enthielt eine Luftbildaufnahme, die die Villen des klagenden Quizmasters und eines Nachbarn sowie deren Umgebung zeigte. Die Villa des Klägers liegt an einem See, an dessen Ufer sich ein Bootssteg befindet. Pikanter Weise lies sich wohl nicht ermitteln, ob neben dem Bootssteg ein Motorboot, eine Motoryacht oder etwas anderes zu sehen ist.

Nichtsdestotrotz war dem Verlag dieses Bild folgender Text wert:

Ja, hier lässt es sich aushalten. Unten am Bootssteg schaukelt eine Motoryacht auf dem Wasser des Sees, auf der Terrasse laden Liegen zu einer Verschnaufpause ein. Die Umrisse der Villa mit einem Türmchen im klassizistischen Stil lassen auf große Räume schließen, die Fenster versprechen großartige Ausblicke hinaus auf das Wasser. Hier wohnt Quizmaster …, der für sich und seine Familie eine moderne Prunkvilla bauen konnte.

Der Kläger begehrte daraufhin eine Gegendarstellung, dass an dem Bootssteg keine Motoryacht liege und er eine solche auch nicht besitze. Ein solches Luxusaccessoire halte er auch nicht für erstrebenswert, denn es entspreche auch nicht seinem Selbstverständnis, mit seinen Einkommensverhältnissen zu protzen.

Als Folge davon hatte das Landgericht Düsseldorf den Verlag am 24.10.2007 zunächst zum Abdruck einer Gegendarstellung verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die landgerichtliche Entscheidung heute abgeändert und den Antrag des Klägers auf Abdruck einer Gegendarstellung zurückgewiesen. Ein Gegendarstellungsanspruch bestehe nur dann, wenn bei mehrdeutigen, sich aus dem Gesamtzusammenhang ergebenden Äußerungen nicht gegendarstellungsfähige Deutungen ausgeschlossen werden können. Eine Gegendarstellung könne daher nur dann erfolgen, wenn sich nur diejenige Deutung, auf die Gegendarstellung erwidern will, als unabweisliche Schlussfolgerung aufdränge.

Der Senat hat sich hierbei auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19.12.2007 gestützt. Im konkreten Fall dränge sich nicht zwingend oder unabweisbar auf, dass das Boot oder die Motoryacht dem Kläger gehöre. Es kämen verschiedene Deutungsvarianten in Betracht. Für den Leser sei nämlich erkennbar, dass das Foto nur eine Momentaufnahme zu einem unbestimmten Zeitpunkt zeige und in dem Artikel ein Ambiente beschrieben werden solle, ohne dass “ jedenfalls in Bezug auf das Boot “ zwangsläufig Aussagen zu Eigentumsverhältnissen enthalten seien. So müsse das abgebildete Boot nicht dem Kläger, es könne etwa auch einem Wassersportler, Paparazzi, Fan oder Besucher gehören. Auch sei das Haus des Klägers nur als žAufhängerœ für das Thema žGoogle Earthœ erwähnt worden.