Rechtssystem Europa

Leitfaden zu Menschenrechten für Internetnutzer feiert 1. Geburtstag

Vor knapp einem Jahr, am 16. April 2014, haben die 47 Mitgliedsstaaten des Europarates gemeinsam den „Leitfaden zu Menschenrechten für Internetnutzer“ verabschiedet. Darin sollte den Bürgern in sehr einfacher Form veranschaulicht werden, welche Rechte sie im Internet aus Sicht der Menschenrechte haben. Es ging also nicht darum, für die Bürger neue Rechte zu schaffen, vielmehr soll der Leitfaden eine Art Auslegungshandbuch für die Anwendung der in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) bereits verbindlich festgelegten Normen auf dem Gebiet des Mediums Internet und seiner Nutzung sein.

Im Vergleich zur EMRK, die im November ihr 65-jähriges Bestehen feiert, befindet sich der Leitfaden noch in den Kinderschuhen. Von daher mag es nicht verwundern, dass man bisher wohl vergeblich nach Spuren sucht, die der Leitfaden in der digitalen Welt bereits hinterlassen haben könnte. Trotzdem muss man schon jetzt befürchten, dass diese eigentlich gute Idee des Europarates nie eine echte Chance bekommen wird sich zu bewähren. Dabei sind insbesondere drei wesentliche Faktoren zu bemängeln, die schon jetzt eine ernsthafte Anwendung des Leitfadens erschweren:

1. Der Leitfaden ist weitestgehend unbekannt

Nur wer seine Rechte kennt, kann diese auch gegebenenfalls einfordern. Erschreckender Weise gibt es aber kaum Internetnutzer, die überhaupt von der Existenz des Leitfadens wissen und nur ein verschwindend geringer Bruchteil kennt wenigstens Teile des Inhalts. In der Praxis bedeutet dies, dass mögliche Verletzungen der im Leitfaden benannten Rechte schon allein deshalb nicht verfolgt werden, weil der einzelne Betroffene gar nicht ausreichend über seine Rechte und den im Leitfaden verankerten Rechtsbehelfen gegen die jeweilige Verletzung informiert ist.

2. Mitgliedsstaaten des Europarates missachten den Leitfaden

Es ist auch wenig hilfreich, wenn die Mitgliedsstaaten des Europarates den von ihnen erlassenen Leitfaden und die darin enthaltenen Ansprüche der Internetnutzer sprichwörtlich mit Füßen treten. So ließ die türkische Regierung (die Türkei ist seit 1949 Mitglied des Europarates) im Januar dieses Jahres verschiedene Internetseiten sperren, was ein offensichtlicher Verstoß gegen den im Leitfaden festgehaltenen Grundsatz der Meinungs- und Informationsfreiheit darstellt. Auch in Russland werden die Rechte der Bürger aus dem Leitfaden in rechtswidriger Weise beschnitten, wenn die dortige Regierung den Zugang zu den Internetseiten bekannter Regimekritiker einfach sperren lässt. Trotzdem hatten derartige Handlungen für die jeweiligen Staaten in der Vergangenheit keine negativen Konsequenzen oder gar Sanktionen zur Folge.

3. Mangelnder Anwendungswille innerhalb der Rechtsprechung

In letzter Konsequenz wird der Leitfaden aber auch nur unzureichend in der europäischen Rechtsprechung angewandt. Nur wenige Wochen nach der Verabschiedung des Leitfadens hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am 13. Mai 2014 die Möglichkeit, ein deutliches Zeichen für die Rechte der Internetnutzer zu setzen und entschied sich dagegen. In seiner Entscheidung gegen den Suchmaschinenanbieter „Google“ stellte der Gerichtshof fest, dass das Persönlichkeitsrecht eines Menschen gegenüber dem Recht der Internetnutzer auf Meinungs- und Informationsfreiheit überwiege. Das „Recht auf Vergessen“ im Internet war geboren.

Damit die Idee von der Anwendung der Menschenrechte auch für Internetnutzer langfristig ein Erfolg werden kann, muss der Europarat zwei wesentliche Dinge zukünftig in den Griff bekommen: Die Information der Bürger über ihre Rechte muss konsequenter umgesetzt werden und die Mitgliedsstaaten müssen ihrerseits stärker zur Einhaltung der verabschiedeten Regelungen angehalten werden. Die Anpassung der Rechtsprechung wird dagegen eher eine Frage der Zeit sein. Spätestens wenn es eine Generation von Richtern am EGMR gibt, die schon mit dem Internet groß geworden ist und die digitale Welt nicht als unverständliches Teufelszeug ansieht, werden die Rechte der Internetnutzer auch dort ernst genommen werden.

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Abmahnung wegen Grauimporten

© Axel Bueckert - Fotolia.comDie SCHULTERIESENKAMPFF Rechtsanwaltsgesellschaft mbH mahnt derzeit im Namen der Ubisoft GmbH sowie der Namco Bandai Games Germany GmbH Online-Händler wegen Grauimporten von Computerspielen ab. Grauimporte, auch Parallelimporte genannt, sind Importe von Waren aus dem Ausland durch Händler, die dafür nicht ausdrücklich vom Hersteller autorisiert worden sind. Grund für die Abmahnungen ist eine fehlende Alterskennzeichnung der freiwilligen Selbstkontrolle Unterhaltungssoftware (USK) auf den Verpackungen der jeweiligen Spiele.

Grundsätzlich besteht seit dem 1. April 2010 in Deutschland für Computer- und auch Konsolenspiele eine gewisse Kennzeichnungspflicht bzgl. der Altersfreigabe des jeweiligen Spiels. Nicht gekennzeichneter Spiele werden gemäß § 12 Abs. 3 JuSchG wie Spiele mit der Kennzeichnung „Keine Jugendfreigabe“ (nur an Personen über 18 Jahren) behandelt, für die es sehr strenge Einschränkungen gibt, u.a. dürfen diese nicht im Online-Handel vertrieben werden (Ausnahme: der Online-Händler nutzt technische oder sonstige Vorkehrungen, die sicherstellen, dass kein Versand an Kinder oder Jugendliche erfolgt).

Darüber hinaus ist das deutsche Recht an dieser Stelle auch besonders streng und lässt andere als die deutsche Alterskennzeichnung der USK (z.B. PEGI für Europa oder ESRB für die USA) nicht gelten. Somit sind importierte Spiele, auf denen die entsprechende Kennzeichnung der USK fehlt, als nicht gekennzeichnet zu betrachten und dürfen daher nicht im Online-Handel vertrieben werden. Das gilt sogar dann, wenn das Spiel für den deutschen Markt eigentlich ohne Altersbeschränkung freigegeben worden ist. Die Kennzeichnung selbst muss sowohl auf dem Datenträger als auch auf der Verpackung des Spiels aufgebracht sein.

Ungeklärt ist noch, ob die Online-Händler, wenn der Datenträger selbst mit der USK-Kennzeichnung versehen ist, die Verpackung nachträglich selber entsprechend kennzeichnen dürfen. Dieses Vorgehen ist in den Abmahnungen ebenfalls in mehreren Fällen moniert worden. Tatsächlich könnte man aber § 28 Abs. 2 Nr. 1 JuSchG genau dahingehend auslegen, dass es dem Händler erlaubt ist, einen entsprechenden Hinweis auf der Verpackung anzubringen, wenn der Datenträger selbst von der USK eingestuft worden ist (der Händler darf selbstverständlich nicht eine Kennzeichnung entgegen der USK-Vorgabe auf dem Datenträger oder gar ein Kennzeichnung nach seiner persönlichen Einschätzung vornehmen, wenn der Datenträger nicht überhaupt nicht von der USK geprüft wurde). Schwierig könnte dann allenfalls noch sein, dass die Kennzeichnung permanent erfolgen muss, d.h. nicht von der Verpackung ablösbar sein darf. Dies ist aber insbesondere bei Aufklebern, die lediglich auf einer das Verpackung umhüllenden Plastikfolie angebracht , definitiv der Fall und daher in jedem Fall nicht ausreichend.

Jugendschutz in Videospielen und in Medien

Aufgrund einer aktuellen Anfrage zum Thema Jugendschutz bei Videospielen und in den Medien wollen wir an dieser Stelle eine kurze Ausführung schreiben.

Viele Regelungen für den Jugendschutz bezüglich elektronischer Medien finden sich im Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien, kurz Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (= JMStV). In diesem Fall bedeutet Staatsvertrag nicht ein internationaler Vertrag, sondern ein Vertrag zwischen den sechzehn Bundesländern. Diese haben im Bereich des Strafrechts nach Art. 74 I Nr. 1 GG und aus Art. 74 I Nr. 7 GG für die öffentlichen Fürsorge die Gesetzgebungsbefugnis, was zu einer einheitlichen Gesetzgebungskompetenz beim Jugendmedienschutz führt.

Sinn und Zweck dieses Staatsvertrages ist nach §1 JMStV der einheitliche Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Angeboten in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien (= Telemedien), welche die Entwicklung oder Erziehung beeinträchtigen oder gefährden und Schutz vor solchen Angeboten, die die Menschenwürde oder sonstige strafrechtlich relevanten Rechtsgüter verletzen.

An wen richtet sich dieses Verbot nach dem JMStV nun genau? Zum einen finden die Vorschriften Anwendung auf Rundfunk und die Telemedien sowie Werbung und Teleshopping, zusammengefasst also betrifft es insbesondere die Betreiber und Anbieter solche Dienste. Im Bereich der Werbung und des Teleshoppings muss das Angebot so ausgestaltet sein, dass es z.B. bei Bewerbung von alkoholischen Getränken nicht ansprechend auf Kinder wirkt oder Gegenstände, die für oder mit Kindern beworben werden dürfen, nicht ihrem Interesse widersprechen oder ihre Unerfahrenheit ausnutzen. Außerdem dürfen Teleshopping-Angebote Kinder und Jugendliche nicht dazu verleiten Verträge abzuschließen.

Den Schutzvorschriften bezüglich des Rundfunks wird genüge getan, indem Filme oder Serie zu einer Zeit ausgestrahlt werden zu welcher Kinder und Jugendliche normalerweise nicht mehr vor dem Fernseher sitzen  (22 – 6 Uhr). Außerdem muss auf die Ungeeignetheit für Zuschauer unter 16 Jahren durch ein akustisches Signal oder durch optische Mittel hingewiesen werden.

In Telemedien kann der Anbieter seiner Pflicht nachkommen, indem er ein für geeignet anerkanntes Jugendschutzprogramm vorschaltet oder programmiert. Dieses muss zuvor der zuständigen Landesmedienanstalt zur Prüfung vorgelegt werden. Es besteht auch eine Kennzeichnungspflicht der jeweiligen Altersfreigabe für Film-, Spiele- oder Musikdatenträger.

Darüber hinaus spielt auch das Jugendschutzgesetz (= JuSchG) eine wichtigte Rolle. Das JuSchG unterscheidet verschiedene Sphären: den Jugendschutz in der Öffentlichkeit und den Jugendschutz im Bereich der Medien. Der Jugendschutz in der Öffentlichkeit umfasst Gaststätten, Tanzveranstaltungen, Spielhallen, Glücksspiele und jugendgefährdende Veranstaltungen und Orte. Es richtet sich an all jene, die Veranstalter oder Betreiber entsprechender Örtlichkeiten sind.

 An dieser Stelle soll jedoch nicht näher auf die Bestimmungen im öffentlichen Bereich eingegangen werden, sondern auf den medialen Bereich. Dieser lässt sich noch einmal in den Bereich der Trägermedien mit Filmveranstaltungen, Bildträgern mit Filmen oder Spielen und Bildschirmspielgeräten und den Bereich der Telemedien untergliedern.

Im Bereich der Sonderregelung der Telemedien kann an dieser Stelle nach oben zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder verwiesen werden.

Die Regelungen des Jugendschutzes bei Filmveranstaltungen richten sich an die Veranstalter. Sie haben dafür Sorge zu tragen, dass Kinder und Jugendliche nur an diesen Filmveranstaltungen teilnehmen, die entweder ihrem Alter entsprechend ausgezeichnet sind oder vom Anbieter mit „Infoprogramm“ oder „Lehrprogramm“ gekennzeichnet wurden. Ausnahmen von diesem Grundsatz gelten bezüglich Kinder ab dem Alter von sechs Jahren, wenn diese in einen Film für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren in Begleitung eines Elternteils, eines gerichtlich bestellter Pflegers oder eines Vormunds gehen. Sondervorschriften:

·         Kinder unter sechs Jahren dürfen generell nur in Begleitung eines Elternteils oder in Begleitung eines Volljährigen mit Erlaubnis der Eltern

·         Kinder ab sechs Jahren dürfen nur in Begleitung eines Elternteils oder einer Volljährigen Person mit Erlaubnis der Eltern, wenn der Film nach 20 Uhr endet

·         Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren dürfen nur in Begleitung eines Elternteils oder einer Volljährigen Person mit Erlaubnis der Eltern, wenn der Film nach 22 Uhr endet

·         Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren dürfen nur in Begleitung eines Elternteils oder einer Volljährigen Person mit Erlaubnis der Eltern, wenn der Film nach 24 Uhr endet

Der wohl bekannteste Ausdruck des Jugendschutzes ist die Anbringung von Altersklassifikationen auf den Verpackungen von Videospielen oder Filmen im Rahmen der freiwilligen Selbstkontrolle oder durch die oberste Landesbehörde. Diese Vorschrift richtet sich an die Hersteller der Spiele und Filme, die ihre Produkte entsprechend kennzeichnen müssen. Außerdem werden die Händler verpflichtet, unzureichend oder falsch ausgezeichneten Produkte nicht in den Verkauf zu bringen. Eine Ausnahme dieser Einordnungen besteht ebenfalls wieder für Programme und Filme die vom Anbieter als „Infoprogramm“ oder „ Lehrprogramm“ gekennzeichnet wurden. Weiter sollen Kinder und Jugendliche dadurch geschützt werden, dass ihnen Datenträger, die keine Jugendfreigabe erhalten haben, weder angeboten werden noch ihnen sonst zugänglich gemacht werden dürfen. Dies wird durch ein Verbot für die Verkäufer erweitert solche Datenträger im leicht zugänglichen, öffentlichen Raum, z.B. vor dem Geschäft des Einzelhändlers oder in einem Kioskstand, anzubieten.

Ein weiterer Punkt, der den Bestimmungen des Jugendschutzes unterliegt, sind Spieleautomaten für Kinder, die man häufig in Banken oder großes Kaufhäusern findet, an denen die Kleinen spielen können, während die Eltern einkaufen oder ihren Bankgeschäften nachgehen. Hier sind erneut die Hersteller der Automaten sowie die Betreiber des jeweiligen Geschäfts, in welchem der Automat aufgestellt wurde, gefordert. Die Bestimmungen richten sich hier, ebenso wie bei Filmveranstaltungen und Film- und Spieledatenträgern, nach der Altersfreigabe durch die oberste Landesbehörde oder die freiwillige Selbstkontrolle oder nach der Auszeichnung des Anbieters als „Infoprogramm“ oder „Lehrprogramm“.

Eine weitere Interessante Frage in diesem Themengebiet ist der Versuch eines bundesgesetzlichen Verbotes sogenannter „Killerspiel“ aus jugendschutzrechtlichen Erwägungen. Mit diesem Thema hat sich Dipl. Jur. Marian Härtel in seinem 2007 erschienen Artikel „Zur Frage der Verfassungsgemäßheit eines bundesgesetzlichen Verbotes u.a. der Herstellung, Einfuhr, des Verkaufes und der Vermietung von gewaltverherrlichenden Computerspielen („Killerspiele“) im Wege der Schaffung eines § 131a StGB„ beschäftigt.

Computerspiele vor Gericht in den USA

Heute wird vor dem obersten Gerichtshof in den USA über das sogenannte „Kalifornische Anti-Games Gesetz“ verhandelt, der im Juristenenglisch einfach nur „Schwarzenegger vs. Entertainment Merchants Association“ heißt. Auf der einen Seite stehen konservative Kräfte mitsamt der entsprechenden Lobbygruppen, auf der anderen Seite Gamesbranche. Es geht dabei um nichts geringeres als die Zukunft des Jugendmedienschutzes bei Games in den USA, etwas das bei Juristen in Deutschland an der Tagesordnung ist und demnächst mit der Änderung des Jugendmedienschutzstaatsvertrages eine Novellierng spendiert bekommt.

Die Richter werden heute versuchen zwei Fragen zu beantworten: Erlaubt der erste Verfassungszusatz der USA einzelnen Bundesstaaten den Verkauf von gewaltdarstellenden Games an Minderjährige zu verbieten? Und muss der Staat vor dem Verbot den Beweis erbringen, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen gewalthaltigen Videospielen und Verhaltensaufälligkeiten bei Minderjährigen gibt?

Ich werde in den nächsten Tagen versuchen über den Ausgang zu berichten.

Mal wieder: „problematische“ Computerspiele in der Diskussion

Meiner Meinung nach sollte ein Computerspiel nicht nur deshalb verboten werden können, weil es jemandem nicht gefällt. Persönlich bedauere ich es zuweilen zwar, dass das Angebot an Actionspielen von Titeln dominiert wird, in denen das simulierte Töten von Menschen im Mittelpunkt steht. Da ich aber davon überzeugt bin, dass das Klicken auf Pixel niemanden dazu bringt, in der Realität auf seine Mitmenschen, loszugehen halte ich diese Titel allenfalls ihres Suchtpotentials wegen für gefährlich.

Jetzt aber bin ich über einen Artikel über ein (zugegebenermaßen schon älteres) Spiel gestolpert, das die Simulation von sexueller Belästigung bis hin zur wiederholten Vergewaltigungen zum Gegenstand hat. Und auf einmal muss ich über die Frage, ob manche Spiele verboten werden sollten, neu nachdenken. Zwar dürfte ein solches Spiel unter das in Deutschland bereits existierende Verbot der Verbreitung gewaltpornographischer Schriften gem. § 184a StGB fallen. Um zu untersuchen, was für mich der Unterschied zwischen der Simulation physischer und der Simulation sexueller Gewalt ist, möchte ich die Frage eines Verbots dennoch diskutieren.

Mein Bauch sagt sofort: Ja, solche Spiele muss man aus dem Verkehr ziehen. Das ist etwas anderes als Herumballern; das hier ist böse und gefährlich. Wenn ich darüber nachdenke, finde ich auch Argumente für diese Ansicht. Das Schießen im Ego-Shooter ist für mich nicht das virtuelle Auslöschen eines Lebens. Es geht dort um schnelle Reaktionen und das Adrenalin, das ausgeschüttet wird, weil die eigene Spielfigur in Gefahr ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das, was der Spieler dabei empfindet, in irgendeiner Weise mit einer realen Tötungshandlung vergleichbar ist. Schließlich scheint es auch paradox, dass der Staat Kriegssimulationen verbieten soll, wenn gleichzeitig Staatsbürger gezwungen werden, im Grundwehrdienst (auch) das Töten zu lernen.

Auch zeigen zahllose Filme, dass viele Menschen (meist Jugendliche männlichen Geschlechts) sich vom Anblick und von der Geräuschkulisse eines Schlachtfeldes faszinieren lassen – zumindest solange dessen wahrer Horror nicht allzu wahrhaftig spürbar wird. Im Gegensatz dazu wird Vergewaltigung im Film fast ausnahmslos als zutiefst abstoßend empfunden. Diese gesteigerte Sensibilität mag daher kommen, dass wir gegenüber dieser Art von Gewalt nicht so abgestumpft sind, wie wir es gegenüber physischer Gewalt aufgrund deren ständiger Präsenz in den Medien sind. Die Ablehnung mag auch daher kommen, dass eine Vergewaltigung nicht einfach harmlos und ästhetisch dargestellt werden kann.

Darüber hinaus denke ich aber auch, dass der Zuschauer auf sexuelle Gewalt anders reagiert als auf physische: weniger als das Gesehene wirkt das, was man mit dem Opfer fühlt.

Stellt man sich nun den Konsumenten eines solchen Computerspiels vor, so muss man davon ausgehen, dass er nicht wie die meisten Menschen mit dem Opfer fühlt und ihn das Spielgeschehen abstößt. Andernfalls würde er ja nicht spielen. Gleichzeitig wird durch die visuelle Stimulation sein Sexualtrieb direkt angesprochen. Ob dies sich tatsächlich in irgendeiner Weise auf das Verhalten eines Menschen auswirken kann weiß ich nicht (zum Thema auch hier). Jedenfalls bin ich davon überzeugt, dass eine solche Gewaltdarstellung auf den Konsumenten erheblich anders wirken als ein Ballerspiel, und aufgrund der Stimulation dessen Instinkts auch wesentlich geeigneter ist, sich auf sein Verhalten auszuwirken.

Schließlich sehe ich aber das Entscheidende Problem nicht im Verbot der Titel. Vielmehr zeigt ein Blick auf die aktuellen Bemühungen um den Jugendschutz-Staatsvertrag, wie kompliziert eine effektive Durchsetzung eines Verbots wäre. Den Nutzer eines solchen Spiels zu belangen (ähnlich wie bei der Kinderpornographie, dazu hier) läge fast genauso nahe wie die Bestrafung der Hersteller. Müsste man aber auch die Netzbetreiber dazu verpflichten, gegen die Nutzung und den Vertrieb von solchen Spielen über das Internet vorzugehen? Eine solche Pflicht würde zwar die Durchsetzung eines Verbotes erheblich erleichtern, zugleich aber die Tür zur Internetzensur weiter aufdrücken. An dieser Stelle steht wieder die Frage der Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit, die die Entwicklung des Internets noch auf etliche Jahrzehnte begleiten wird. Tendenziell sehe ich aber die Pflicht, den Rechtsstaat auch im Internet zu verteidigen, beim Staat und nicht bei den Netzbetreibern.

Vorsätzliches Betrachten von Kinderpornographie ist strafbar

Wer Bilder mit kinderpornographischem Inhalt im Internet bewusst und gewollt betrachtet, ohne sie herunterzuladen, macht sich strafbar. Das hat das Hamburger Oberlandesgericht am gestrigen Montag, den 15. Februar 2010 entschieden.
Nach § 184b Abs. 4 StGB macht sich des Besitzes kinderpornographischer Schriften strafbar, „wer es unternimmt, sich den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen […]“. Um zu klären, wie der Begriff „Besitz“ in Bezug auf das Abrufen von Bildern im Internet zu verstehen ist, hatte die Staatsanwaltschaft beim Amtsgericht Hamburg-Harburg Sprungrevision gegen den Freispruch des dortigen Angeklagten im Februar 2009 eingelegt. Das Oberlandesgericht hielt auch in Bezug auf online-Inhalte die Grundsätze des bisherigen Besitzbegriffes für anwendbar und stellte fest, dass der Betrachter von online-Inhalten volle Verfügungsgewalt über das Betrachtete hat, da er die Art der Betrachtung, beispielsweise Dauer und Vergrößerung, frei bestimmen kann. Die zumeist nur kurze Dauer der Verfügungsgewalt ist laut OLG durch eine weite Auslegung des Begriffs „Besitz“ gedeckt; das OLG verwies zudem auf § 11 Abs. 3 StGB, der Datenspeicher mit Schriften gleichstellt. Bei der entsprechenden Auslegung stützte das OLG sich schließlich auch auf den Willen des Gesetzgebers, auch unkörperliche Gegenstände in den Tatbestand einzubeziehen. Denn auch das Betrachten der Bilder fördert den Absatz der Kinderpornographie, da der Konsum der Bilder den kommerziellen Anreiz für ihre Herstellung schafft.
Damit kam es auf die Frage, ob der Angeklagte wusste, dass die betrachteten Bilder automatisch im Arbeitsspeicher und Browser-Cache seines Rechners gespeichert werden, nicht mehr an.
Der entscheidende 2. Strafsenat des OLG Hamburg hat daher den Freispruch aufgerufen und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen. Dieses Revisionsurteil ist unanfechtbar und somit rechtskräftig.
In wieweit dieser Besitzbegriff in Bezug auf unkörperliche Gegenstände sich auf andere Rechtsgebiete ausweiten lässt wird nun mit Spannung erwartet.

Neuer Jugendmedienschutzstaatsvertrag

Auch Onlinespieleanbieter, aber natürlich auch alle anderen Anbieter von Dienstleistungen über das Internet,  müssen sich über kurz oder lang mit dem JMStV auseinandersetzen.

Zum neuen Jahr liegt ein neuer Arbeitsentwurf vor.  Der gerade für Onlinespieleanbieter kritische § 5 wurde angepaßt und dürfte jetzt besser verständlich bzw. eindeutiger sein.

(1) Sofern Anbieter Angebote, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, verbreiten oder zugänglich machen, haben sie dafür Sorge zu tragen, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufen sie üblicherweise nicht wahrnehmen. Die Altersstufen sind:

1. ab 6 Jahren,
2. ab 12 Jahren,
3. ab 16 Jahren,
4. ab 18 Jahren.

Die Altersstufe „ab 0 Jahre“ kommt für offensichtlich nicht entwicklungsbeeinträchtigende Angebote in Betracht.

(2) Angebote können entsprechend der Altersstufen gekennzeichnet werden. Die Kennzeichnung muss die Altersstufe sowie die Stelle, die die Bewertung vorgenommen
hat, eindeutig erkennen lassen. Private Anbieter können ihre Bewertung einer nach § 19 anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle zur Überprüfung und Bestätigung vorlegen. Durch die KJM bestätigte Altersbewertungen von anerkannten Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle sind von den obersten Landesjugendbehörden für die Freigabe und Kennzeichnung inhaltsgleicher oder im Wesentlichen inhaltsgleicher Angebote nach dem Jugendschutzgesetz zu übernehmen. Die Kennzeichnung von Angeboten, die den Zugang zu Inhalten vermitteln, die gemäß §§ 7 ff. des Telemediengesetzes nicht vollständig in den Verantwortungsbereich des Anbieters fallen, insbesondere weil diese von Nutzern in das Angebot integriert werden oder das Angebot durch Nutzer verändert wird, setzt voraus, dass der Anbieter nachweist, dass die Einbeziehung oder der Verbleib von Inhalten im Gesamtangebot verhindert wird, die geeignet sind, die Entwicklung von jüngeren Personen zu beeinträchtigen. Der Anbieter hat nachzuweisen, dass er ausreichende Schutzmaßnahmen ergriffen hat. Dieser Nachweis gilt als erbracht, wenn sich der Anbieter dem Verhaltenskodex einer anerkannten Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle unterwirft.

(3) Altersfreigaben nach § 14 Abs. 2 des Jugendschutzgesetzes sind für die Bewertung zu übernehmen. Es sind die Kennzeichen der Selbstkontrollen nach dem Jugendschutzgesetz oder ein dafür von der KJM zur Verfügung gestelltes Kennzeichen zu verwenden. Satz 1 gilt entsprechend für Angebote, die mit den bewerteten Angeboten im Wesentlichen inhaltsgleich sind.

(4) Der Anbieter kann seiner Pflicht aus Absatz 1 dadurch entsprechen, dass er

1. durch technische oder sonstige Mittel die Wahrnehmung des Angebots durch Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufe unmöglich macht
oder wesentlich erschwert oder
2. die Zeit, in der die Angebote verbreitet oder zugänglich gemacht werden, so wählt, dass Kinder oder Jugendliche der betroffenen Altersstufe üblicherweise die Angebote nicht wahrnehmen.

(5) Ist eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung im Sinne von Absatz 1 auf Kinder oder Jugendliche anzunehmen, erfüllt der Anbieter seine Verpflichtung nach Absatz 1, wenn das Angebot nur zwischen 23 Uhr und 6 Uhr verbreitet oder zugänglich gemacht wird. Wenn eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung auf Kinder oder Jugendliche unter 16 Jahren zu befürchten ist, erfüllt der Anbieter seine Verpflichtung nach Absatz 1, wenn das Angebot nur zwischen 22 Uhr und 6 Uhr verbreitet oder zugänglich gemacht wird. Bei der Wahl der Sendezeit und des Sendeumfelds für Angebote der Altersstufe „ab 12 Jahren“ ist dem Wohl jüngerer Kinder Rechnung zu tragen.

(6) Ist eine entwicklungsbeeinträchtigende Wirkung im Sinne von Absatz 1 nur auf Kinder unter 12 Jahren zu befürchten, erfüllt der Anbieter von Telemedien seine Verpflichtung nach Absatz 1, wenn das Angebot getrennt von für Kinder bestimmten Angeboten verbreitet wird oder abrufbar ist.

(7) Absatz 1 gilt nicht für Nachrichtensendungen, Sendungen zum politischen Zeitgeschehen im Rundfunk und vergleichbare Angebote bei Telemedien, soweit ein berechtigtes Interesse gerade an dieser Form der Darstellung oder Berichterstattung vorliegt.

  • a href=“http://blog.odem.org/2010/01/12/Arbeitsentwurf-JMStV–Stand-2009-12-07.pdf“>Zum vollständigen Entwurf
  • Microsoft engagiert sich bei Aufklärung zum Jugendschutz

    Im Juni dieses Jahres ist Microsoft in Media Märkten in ganz Deutschland unterwegs, um Verbraucher über die Jugendschutz-Möglichkeiten der Xbox 360 und von Windows Vista zu informieren. Beide Unternehmen möchten Eltern dabei unterstützen, das Spielverhalten ihrer Kinder im Auge zu behalten “ ob online oder offline. Im Zuge dieser Kampagne konnten sich Interessierte bereits dieses Wochenende im Media Markt in Kassel die verschiedenen Einstellungen zum Schutz der Jugendlichen vor für sie ungeeigneten Inhalten erklären lassen.

    Xbox 360 war das erste Videospiel- und Entertainmentsystem am Markt mit integrierten Kontrollmechanismen für Eltern. Diese Jugendschutz-Einstellungen erlauben Eltern festzulegen, welche Spiele ihre Kinder spielen und mit wem sie online zusammentreffen dürfen. Auch bei Windows Vista können Eltern so das Surfverhalten und die gesamte Computernutzung ihrer Kinder lenken. Die Funktion des Family Timers ermöglicht es Eltern darüber hinaus, die Spielzeit ihrer Kinder zu begrenzen. Mit dem Family Timer können Eltern festlegen, an welchen Tagen in der Woche ihre Kinder wie lange spielen dürfen. Nähert sich die zuvor eingestellte Spielzeit dem Ende, wird dies dem Nutzer durch Benachrichtigungen auf dem Bildschirm mitgeteilt. Ist die Höchstspielzeit des Nutzers abgelaufen, schaltet der Family Timer das System automatisch ab.

    Im Zuge der Informationskampagne veröffentlichte Microsoft den Elternratgeber für interaktive Computer- und Videospiele Klug spielen heißt sicher spielen.

    Änderung des Jugendschutzgesetzes beschlossen

    Der Bundesrat hat die finale Änderung des Jugendschutzgesetzes beschlossen Zum verbesserten Schutz von Kindern und Jugendlichen vor medialen Gewaltdarstellungen wurde der Katalog der schwer jugendgefährdenden Trägermedien, die kraft Gesetzes indiziert sind, im Hinblick auf Gewaltdarstellungen erweitert, indem besonders realistische, grausame und reißerische Darstellungen selbstzweckhafter Gewalt beinhalten, die das Geschehen beherrschen„, mit aufgenommen wurde. Ein schwammiger Begriff, der wohl von den Gerichten genauer betrachtet werden muss, wie ich es in ähnliche Weise auch schon in meinem Verfassungsrechtsgutachten zum ehemals geplanten $ 131a StGB beschrieben hatte.  

    Desweiteren wird die Indizierungsliste erweitertet beispielsweise um Medien, in denen „Gewalthandlungen wie Mord- und Metzelszenen selbstzweckhaft und detailliert dargestellt werden“ oder „Selbstjustiz als einzig bewährtes Mittel zur Durchsetzung der vermeintlichen Gerechtigkeit nahegelegt wird“. Schließlich folgt eine formalere Änderung, indem die Platzierung und Mindestgröße von FSK- und USK-Alterskennzeichen geregelt wird.

    Das Zeichen ist auf der Frontseite der Hülle links unten auf einer Fläche von mindestens 1200 Quadratmillimetern und dem Bildträger auf einer Fläche von mindestens 250 Quadratmillimetern anzubringen.

    AK Games lädt zur Debatte zur Umsetzung des JSchG

    Jens HilgersTurtle Entertainment, Betreiber der größten eSport Liga ESL, und der eco e.V. laden zu einer Sitzung des Arbeitkreises Games am 6. Juni in Köln umd die aktuuell geplante Änderung des Jugendschutzgesetzes und deren Anforderungen an künftige Spiele u debattieren.

    Die Leitung des Arbeitskreise wird Turtle-Geschäftsführer Jens Hilgers übernehmen, der dabei auch Beispiele aus der Praxis darlegen möchte und plant zu erörtern, welche Maßnahmen dazu sinnvoll erscheinen. Weitere bekannte Teilnehmer werden Martin Pinkerneil von Klicksafe.de, Ivo Ivanov, Jugendreferent beim eco und Dr. Thomas Jansen, Director Desktop Software bei Turtle sein.

    Weitere Infos findet man hier.