Was bedeutet der Streitwert

Sowohl eigene Mandanten als auch Verfahrensgegner haben uns in letzter Zeit häufig gefragt, warum Sie bei Unterlassungsverfügungen so hohe Streitwerte bezahlen müssten. Deswegen klären wir an dieser Stelle einmal kurz auf: Den Streitwert muss man nicht bezahlen! Der Streitwert dient einzig der Berechnung der Gebühren für Rechtsanwalt und Gericht.

Daher müsste die eigentliche Frage lauten: Wie berechnet sich der Streitwert?

Das hängt immer vom Wert des Verfahrens ab. Am einfachsten berechnet sich der Streitwert in den Fällen, in denen eine Partei von der anderen eine bestimmte Geldsumme gezahlt bekommen möchte. Dann ist die Höhe der Forderung auch gleichzeitig die Höhe des Streitwerts. Anders sieht es aber bei Unterlassungsverfügungen aus. Hier muss der Wert der unterlassenen Handlung geschätzt werden. Zu diesem Zweck wird überlegt, was für ein Schaden entstehen könnte, wenn die Handlung nicht unterlassen werden würde. Das klingt nicht nur ungemein kompliziert, es ist auch teilweise schwer nachvollziehbar. Keine Rolle spielt hierbei, wie hoch der Schaden bisher war, das ist erst beim Schadensersatz relevant. Wird z.B. das illegale Anbieten von Software auf Tauschbörsen (Filesharing) abgemahnt, so ergibt sich der Streitwert aus der Höhe des Schadens, der entstehen könnte, wenn derjenige die Software weiter anbieten würde. Weil Angebote im Internet von Tausenden genutzt werden können, werden aus einer Software im Wert von 10,00 €, plötzlich Streitwerte von 10.000,00 € und mehr. Wie lange das Angebot schon im Netz war und ob überhaupt schon jemand von dem illegalen Angebot Gebrauch gemacht hat, ist dabei unerheblich. Das ist wie gesagt erst beim Schadensersatz wichtig.

Sollte es in einem solchen Fall tatsächlich zu einer gerichtlichen Unterlassungsverfügung kommen, muss der Betroffene aber selbstverständlich keine 10.000,00 € bezahlen. Vielmehr genügt es einfach die entsprechende Handlung zukünftig zu unterlassen. Tatsächlich bezahlt werden muss nur der Schadensersatz. Der umfasst neben dem tatsächlichen Schaden in Form des illegal erzielten Gewinns oder den Kosten für den Erwerb der legalen Verkaufsrechte, auch die Gebühren für Gericht und Rechtsanwalt.

Wer nicht hören will, muss fühlen

Unsere Kollegen von Jahn & Rug (siehe diesen Blogeintrag ) haben sich unseren gut gemeinten Rat, das Abmahngeschäft wegen der Speicherung von IP-Adressen auf Webseiten schnellstmöglich aufzugeben, leider nicht zu Herzen genommen.

Stattdessen rollt jetzt die zweite Abmahnwelle an. Während die ersten Abmahnungen noch Besuche vom 5. August behaupteten, war Herr Jan Weidenbach nunmehr angeblich am 16. September im Internet und schon wieder werden im Minutentakt besuchte Internetseiten bzw. deren Betreiber wegen der Speicherung von IP-Adressen abgemahnt. Uns liegen mittlerweile 5 weitere Abmahnungen vor. Neu ist dabei, dass die Kollegen mittlerweile Rechtsanwaltsgebühren von über 1.000,00 Euro ersetzt haben wollen. Ganz wie ein professioneller Spieler im Casino: nach einem verlorenen Spiel in der nächsten Runde einfach den Einsatz erhöhen, damit am Ende, wenn der glückliche Moment des Siegens kommt, auch die Verluste aus den vorherigen Spielen wieder reingeholt werden.

Daher bleibt uns jetzt nur noch die Möglichkeit selber aktiv tätig zu werden. Im Rahmen von negativen Feststellungsklagen werden wir in den nächsten Tagen die Rechtswidrigkeit des Vorgehens von Herrn Weidenbach und, sollte sich der Verdacht des rechtsmissbräuchlichen Vorgehens durch die Kollegen von Jahn & Rug erhärten, auch der Rechtsanwälte selbst gerichtlich feststellen lassen.

Hoffentlich verstehen die Kollegen diesen Schuss vor den Bug, so dass die Webseitenbetreiber in Deutschland wieder einen Abmahnpiraten weniger fürchten müssen. Da wir davon ausgehen, dass noch zahlreiche weitere Abmahnungen verschickt wurden und Herr Weidenbach für seinen Feldzug gegen das Internet wohl einige zehntausend Euro an Rechtsanwaltsgebühren vorgestreckt haben muss, sei jedem Betroffenen geraten, sachkundigen anwaltlichen Rat einzuholen und keinesfalls unüberlegt zu bezahlen.

Richtigstellung eines verbreiteten Gerüchts

Die Zivilkammer 12 des Landgerichts Hamburg hat in zwei durchaus fragwürdigen Entscheidungen einem unserer Mandanten die Verbreitung seiner Software verboten, welche es einem Spieler ermöglicht Handlungen in zwei der größten Online-Rollenspiele automatisch ausführen zu lassen. Dabei begründet das Gericht seine Entscheidung in einer Sache sogar damit, dass auf einzelne Klauseln der zum Spiel gehörenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) das deutsche AGB-Recht gar nicht anwendbar sei. Deswegen sei es unerheblich, ob diese Klauseln dem Spieler, im Regelfall einem Verbraucher, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses überhaupt vorgelegt worden sind. Diese Vorstellung des Gerichts, dass ein Unternehmer nachträglich gegenüber dem Verbraucher Vertragsbedingungen einseitig rechtswirksam einführen kann, ist aber wohl kaum mit den hohen Standards des europäischen Verbraucherschutzes zu vereinbaren. Und noch gehört Deutschland, anders als das Herkunftsland des US-amerikanischen Prozessgegners, zur Europäischen Union.

 In beiden Fällen haben wir deshalb fristgerecht die Berufung eingelegt, so dass keines der beiden Urteile (LG Hamburg, Urt. v. 19.07.2012, Az.: 312 O 322/12 und Urt. v. 23.05.2013, Az.: 312 O 390/11) bisher rechtskräftig geworden ist. Anderslautende Berichte, welche zuletzt in größeren Newslettern publiziert worden sind, sind daher grob falsch. Die Berufungssache gegen das Urteil aus dem Jahre 2012 läuft beim Hanseatischen Oberlandesgericht unter dem Aktenzeichen 3 U 125/12. Uns wurde aber bereits mitgeteilt, dass eine Bearbeitung der Sache, obwohl es sich eigentlich um ein vorläufiges Verfahren handelt, nicht vor dem 1. Quartal 2014 möglich ist.

Verbot von Werbung an Kinder in Onlinespielen

Der BGH hat im Rahmen eines Versäumnisurteils klargestellt, dass auch in Internetrollenspielen, Kinder nicht zum Kauf (von Spielzubehör) animiert werden dürfen. Es ging in dem Fall um den Titel „Runes of Magic“ von Gameforge.

Das Spiel finanziert sich nach dem sogenannten „Free-to-play“-Modell. Das heißt, die Spieler erhalten die Software zur Teilnahme an diesem Spiel kostenlos. Weitergehende Ausstattung ihrer Spielcharaktere, etwa mit Waffen oder Zeitvorteile, können sie aber dazuerwerben. Im BGH-Fall ging es um die (auch an Kinder gerichtete) Aufforderung, die Spielfiguren gegen Geld aufzurüsten. Dies ist nach §§ 4, 3 III UWG iVm. Nr. 28 des Anhangs zu 3 III UWG verboten.

Es bleibt abzuwarten, ob Gameforge das Versäumnisurteil stehen lässt oder nicht.

Geniale Werbung oder teurer Fehler

Paypal hat einem Teil seiner Kunden eine Gewinnbenachrichtigung über 500 € geschickt, um diese wenig später wegen Irrtums anzufechten. Nun streiten sich die Rechtsgelehrten darüber, ob Paypal den Gewinn trotzdem an jeden, der die Benachrichtigung erhalten hat, auszahlen muss.

Hintergrund ist § 661a BGB, welcher Verbrauchern einen Anspruch auf Auszahlung eines zugesagten Gewinns gewährt. Umstritten ist jetzt, ob eine solche Gewinnzusage nachträglich angefochten werden kann.

Anfechten kann man grundsätzlich nur Willenserklärungen. Eine Gewinnzusage gilt nach deutschem Recht aber als geschäftsähnliche Handlung, d.h. anders als bei einer Willenserklärung tritt die Rechtsfolge unabhängig vom Willen des Erklärenden ein. Die Frage ist, ob aber insoweit eine analoge Anwendung der Regeln über die Anfechtung auch für solche geschäftsähnliche Handlungen gilt. Der BGH hat im Jahre 1988 (Az.: XI ZR 81/88) dies ausdrücklich so angenommen und die Literatur ist auch weitgehend dieser Rechtsansicht gefolgt. Es gibt aber vereinzelt Stimmen, die diese Rechtspraxis mit durchaus gewichtigen Argumenten in Zweifel ziehen. Insbesondere stellt sich bei der Anfechtung die Frage der analogen Anwendung, weil eine Anfechtung als Grund einer irgendwie gearteten Beeinträchtigung der Willenstätigkeit des Erklärenden bedarf. Die Geschäftsähnliche Handlung ist in ihrer Wirksamkeit aber gerade unabhängig vom Willen des Erklärenden, eine Beeinträchtigung des Willens dürfte daher die Rechtswirksamkeit der Erklärung eigentlich nicht beeinflussen können.

Letztendlich spricht die Rechtsprechung noch zu Gunsten von Paypal. Sollten sich aber einer oder mehrere der von Paypal angeschriebenen Kunden auf einen Rechtstreit mit Paypal einlassen, könnten diese durchaus einige Argumente anführen, die vielleicht geeignet sind eine mittlerweile 25 Jahre alte Entscheidung des BGH ins Wanken zu bringen.

Bevor aber jetzt Nachahmer von Paypal meinen, diese Form der Werbung nachahmen zu wollen, sollten sie Folgendes bedenken:

  1. Wer die Gewinnzusage bewusst zum Kundenfang nutzt, kann sie hinterher gerade nicht mehr wegen eines Irrtums anfechten. Dies kann zwar im Zweifelsfall eine Frage der Beweisbarkeit werden, Paypal hat aber Gewinnzusagen von 500 € an knapp 3,5 Millionen Nutzer verschickt. Sollten diese tatsächlich gewollt verschickt worden sein, kann sich jeder ausrechnen wie teuer die Geschichte werden kann, wenn es dann doch mal ein Leck im Unternehmen gibt.
  2. Auch eine Anfechtung kann teuer werden. § 122 Abs. 1 BGB sichert nämlich dem Adressaten einer Willenserklärung einen Schadensersatz für alle Aufwendungen zu, die er in der Annahme der Richtigkeit der Erklärung des Anderen getätigt hat. Hat also ein Kunde nach dem Erhalt der Gewinnzusagen und vor Zugang der Anfechtung die versprochenen 500 € oder Teile davon bereits ausgegeben, könnte er insoweit möglicherweise anstatt des Anspruchs auf Auszahlung des Gewinns einen Schadensersatz in Höhe der bereits ausgegebenen Summe haben.

Ihr gutes Recht macht auch mal Ferien

Was haben Internationale Gewässer und virtuelle Spielewelten gemeinsam? In beiden Fällen handelt es sich um rechtsfreie Räume. Jetzt wird der eine oder andere Leser erschrocken aufhorchen und sagen: „Oh Nein, das kann doch nicht wahr sein!“ Und tatsächlich können wir beruhigen, selbstverständlich gelten in internationalen Gewässern die dem Völkerrecht zugeordneten Bestimmungen des internationalen Seerechts. Piraterie ist daher auch in internationalen Gewässern untersagt.

Anderes gilt nach Ansicht der Zivilkammer 12 des Hamburger Landgerichts für virtuelle Spielewelten. In dem uns heute in vollständiger Form zugestellten Urteil kommt die Kammer zu dem Ergebnis:

Die Klägerin (der Publisher des Spiels, Anm. d. Red.) ist uneingeschränkte Herrscherin über die interne Spielwelt und kann diese nach Belieben verändern. Insoweit sind Inhalt des Spiels und die Spielregeln rechtlich kontrollfrei.

Im Klartext, wer eine virtuelle Welt erschafft, hat dort die uneingeschränkte Macht und zwar nicht nur über die Programmierung dieser Welt, sondern auch gegenüber allen natürlichen Personen, die diese Welt „bereisen“. Diese Welten sind nach Ansicht des Landgerichts Hamburg der rechtlichen Kontrolle durch deutsche Gerichte entzogen. Virtuelle Welten haben quasi den Status eines eigenen Staates, mit der vollen Kompetenz zur Gesetzgebung (den Spielregeln), zum Gesetzesvollzug und der Rechtsprechung.

Es darf bezweifelt werden, dass die meisten virtuellen Welten, welche im Regelfall einer juristischen Personen des Privatrechts gehören, eine den Ideen von Montesquieu entsprechende Form der Gewaltenteilung haben. Es existieren demnach also viele große und kleine Diktaturen im Internet. Wenn man dann noch bedenkt, dass in einigen davon mit einer eigenen Währung bezahlt wird, diese Währung aber weder einer nationalen Bankenkontrolle unterworfen ist, geschweige denn dass Maßnahmen zur Verhinderung von Geldwäsche betrieben werden, kann es eigentlich nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die USA ihre Achse des Bösen um ein paar virtuelle Welten erweitern werden. Besonders belustigend ist dabei die Vorstellung, wie plötzlich virtuelle Flugzeugträger der US-Navy mit einem Schwadron von B-2 Spirit Tarnkappenbombern vor der Küste von Kalimdor erscheinen, während in den östlichen Königreichen M1A1-Abrams-Kampfpanzer die Gegend nach dem flüchtigen Diktator durchkämmen (dies stellt keinen Vorschlag über die Aufnahme der virtuellen Welt mit den Kontinenten Kalimdor und östliche Königreiche für eine vermeintliche virtuelle Achse des Bösen dar, sondern ist rein beispielhaft gewählt). Ob die Vereinten Nationen eigentlich umdenken müssen und zukünftig auch virtuelle Welten als Mitglieder aufnehmen?

Spaß beiseite. Es bleibt nur zu hoffen, dass die Vorstellung des LG Hamburg von der virtuellen Welt als rechtsfreiem Raum sich als böser Spuk erweist und in der nächsten Instanz zügig verworfen wird. Es kann doch nicht ernsthaft Ziel der deutschen Rechtsordnung sein, dass der Fahrgast auf dem Traumschiff durch mehr Rechtsnormen geschützt wird, als der einfache Computerspieler zu Hause vor dem eigenen Rechner. Das Recht ist insoweit nicht den Arbeitszeitbestimmungen unterworfen. Es hat keinen Urlaub und macht auch keine Ferien, weder auf dem Traumschiff noch in den virtuellen Welten des Internets.

Hamburger Brauch?

Als Berliner Kanzlei haben wir in unserer Tätigkeit bisher relativ wenige Berührungspunkte mit der Hamburger Judikative gehabt. Im Grunde beschränkt sie sich auf zwei Verfahren, welche dafür umso größer sind. Deswegen können und wollen wir auch nicht von dem bisher dort erlebten auf die gesamte Hamburger Justiz schließen, insbesondere weil beide Verfahren vor derselben Kammer des LG Hamburg einmal begonnen haben, mittlerweile drängt sich uns jedoch der Eindruck auf, dass in Hamburg würde unter dem Begriff „Rechtsprechung“ eher „Rechtschweigen“ verstanden.

In der einen Sache hat das LG Hamburg im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahren per Urteil eine vorläufige Entscheidung bis zum Abschluss der Hauptsache gefällt (bereits dort lagen zwischen der Verkündung des Urteils und dem Zugang der Urteilsgründe über 6 Monate!), gegen welches wir Berufung eingelegt haben. In diesem Berufungsverfahren sind auch schon viele Seiten Papier von Partei zu Partei geschickt worden, einzig das zuständige OLG Hamburg äußerte sich nicht. Mittlerweile hat vor dem LG Hamburg das Hauptsacheverfahren begonnen, es ist sogar schon ein Termin für eine mündliche Verhandlung Mitte Juli terminiert worden. Das OLG Hamburg weigert sich allerdings weiterhin das einstweilige Verfügungsverfahren, welches eigentlich ein beschleunigtes Verfahren ist, voran zu treiben. Vielleicht möchte die Hamburger Justiz die Prinzipien der deutschen Zivilgerichtsbarkeit ein wenig ad absurdum führen und in der Hauptsache bereits eine Entscheidung treffen, bevor es im einstweiligen Verfügungsverfahren die Regelung bis zu Entscheidung der Hauptsache festgelegt hat.

Aber möglicherweise das OLG Hamburg auch schon Kenntnis, dass selbst Termine zur Verkündung eines Urteils beim LG Hamburg eigentlich alles bedeuten können, nur nicht, dass tatsächlich ein Urteil verkündet wird. Was uns auch gleich zu unserem zweiten Verfahren am LG Hamburg führt: Nachdem die Kammer dort Anfang Dezember 2012 im letzten Termin zur mündlichen Verhandlung den Termin zur Verkündung des Urteils für Ende Januar 2013  bestimmt hatte, folgte zum angekündigten Zeitpunkt der Beschluss, den Termin auf Mitte März  zu verschieben. Aber auch im März wurde kein Urteil gefällt, sondern der Termin per Beschluss nunmehr auf Mitte April verschoben. So überraschte es kaum als im April dann der Beschluss kam, den Termin zur Verkündung des Urteils um weitere zwei Wochen zu verschieben. Die folgende Entscheidung beinhaltete dann…NICHTS! Zwar wurde das Schreiben mit Beschluss betitelt, wies aber an der entscheidennen Stelle eine klaffende weiße Lücke auf. Was will uns das LG Hamburg mitteilen?

Bevor jemand diesen Eintrag missversteht, es ist nicht unsere Absicht die Hamburger Gerichte zu diskreditieren. Im Gegenteil, wir würden uns sogar freuen, wenn Kollegen oder Mitbürger uns versichern können, dass unsere Erfahrungen die absolute Ausnahme sind, denn Brauch sollte das, was uns bisher in Hamburg widerfahren ist, unter keinen Umständen sein oder werden.