Gerichtskostenhilfe

Effizientes Arbeiten der Gerichte – offenbar immer noch Utopie

Im Jahr 2009 habe ich Frau N. in ihrem Ehescheidungsverfahren vor dem Amtsgericht Bernau vertreten. Frau N. ist geistig behindert. U.a. für den Aufgabenkreis „Vermögenssorge“ steht Frau N. unter Betreuung.

Für das damalige Ehescheidungsverfahren wurde Frau N. Verfahrenskostenhilfe bewilligt, denn aufgrund ihrer Behinderung kann sie keiner „normalen“ Tätigkeit nachgehen. Sie arbeitete damals in einer Behindertenwerkstatt.

Nun ist es so, dass nach § 120 Abs. 4 ZPO (Zivilprozessordnung) das Gericht innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren ab rechtskräftiger Gerichtsentscheidung die Entscheidung über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe überprüfen kann. Wenn sich also innerhalb dieses Zeitraums die wirtschaftlichen Verhältnisse derart verbessern, dass die Verfahrenskosten nun bezahlt werden könnten, wird die Bewilligung aufgehoben.

Diese Regelung ist natürlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Wenn jemand nach Abschluss eines Verfahrens, für dessen Kosten ihm Steuergelder zur Verfügung gestellt worden sind, in eine wirtschaftliche Lage kommt, die es ihm erlaubt, die Verfahrenskosten „aus eigener Tasche“ zu zahlen, ist es selbstverständlich, dass der Staat eine Handhabe hat, sich die von ihm übernommenen Kosten zurückzuholen.

Bei Frau N. ist nun aber die Änderung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse aufgrund ihrer persönlichen Umstände beim besten Willen nicht zu erwarten. Dennoch fordert das Amtsgericht alljährlich eine neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Frau N. Die Erklärung wird mir zugesandt, die längst abgelegte Akte wird aus dem Archiv geholt, ich leite die entsprechenden Formulare der Betreuerin zu, die sie mir ausgefüllt und mit Anlagen (Arbeitsvertrag, Hartz-IV-Bescheid, Mietvertrag usw.) zurückschickt. Ich leite dann alles an das Amtsgericht weiter.

Wenn ich bedenke, welche Ressourcenverschwendung mit dieser Verfahrensweise einhergeht, fehlt mir, auch angesichts der häufig beklagten Überlastung der Gerichte, jedes Verständnis. Es stand im Fall von Frau N. von Anfang an fest, dass Sie niemals ein Einkommen haben würde, dass es ihr erlauben könnte, die Verfahrenskosten selbst zu tragen, eine Änderung der Verhältnisse also beim besten Willen nicht zu erwarten war. Warum in solchen Fällen die Akte nach Beendigung des Verfahrens nicht einfach weggelegt wird, ist mir unbegreiflich. Nicht nur meine Arbeitszeit und die Arbeitszeit der Betreuerin, sondern auch die der Rechtspfleger und Schreibkräfte des Gerichts wird in meinen Augen verschwendet, von den Porto- und sonstigen Kosten ganz zu schweigen.

Kein privates Unternehmen könnte sich eine solche Verfahrensweise leisten. Warum gibt es bei den Gerichten immer noch keine Aufgabenkritik, anhand der sich ohne weiteres feststellen ließe, welche Aufgaben ersatzlos wegfallen könnten, um mehr Zeit für die Fälle zu haben, die einer intensiven Bearbeitung bedürfen?

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Niederlage für Abmahnanwälte Jahn & Rug

In einer Vielzahl von Fällen hat die Rechtsanwaltskanzlei Jahn & Rug die Inhaber bzw. einmal den Admin-C, wegen der Speicherung der IP-Adresse ohne das Einverständnis ihres Mandanten abgemahnt. Dabei wurden regelmäßig Streitwerte zwischen 10.000 und 20.000 Euro von den Abmahnanwälten behauptet. Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg hat nun in einem Urteil die vermeintlichen Unterlassungsansprüche wegen der bloßen Speicherung der IP-Adressen genauer unter die Lupe genommen und als unbegründet abgewiesen (hier  können Sie das Urteil nachlesen). Es beruft sich dabei insbesondere auf die Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 31. Januar 2013 (Az.: 57 S 87/08), wonach die IP-Adresse für sich betrachtet gerade kein personenbezogenes Datum im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) ist, deren Speicherung einen Unterlassungsanspruch des Betroffenen begründen könnte.

Das Gericht deutet aber an, dass bei der Erhebung weiterer Daten auf der Internetseite, z.B. im Rahmen einer Registrierung oder bei Verwendung von Software für die Datenverkehrsanalyse (z.B. Google Analytics) die Sache durchaus anders gesehen werden kann.

Enttäuschender Weise ließ das Gericht den Umstand der Rechtsmissbräuchlichkeit in seiner Entscheidung gänzlich unbeachtet. Tatsächlich wurde jedoch eine Vielzahl von Internetseiten abgemahnt, die vom angeblichen Verletzten, einer Privatperson, binnen weniger Minuten wahllos aufgerufen worden sind. Einzelne dieser Seiten richten sich dabei nicht einmal an Privatpersonen bzw. lediglich an Privatperson im direkten Einzugsgebiet (600 km entfernt vom Wohnort des angeblich Verletzten). Eine solche Entscheidung hilft den Betroffenen zwar im aktuellen Fall, sie bietet der Abmahnindustrie aber keinen Einhalt, sondern ermutigt diese möglicherweise dazu ihre Vorgehensweise, an die Entscheidung angepasst, gezielt fortzusetzen. Daher sollten Betreiber von Internetseiten im Zweifelsfall sich vorher bzgl. der Rechtssicherheit ihrer Internetseiten kompetent beraten lassen.

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Zivilprozesse dauern häufig viel zu lange

© kwarner - Fotolia.comEs kommt vor, dass man bei einem Landgericht mehrere Jahre auf ein Urteil warten muss. Ich bearbeite z.B. gerade einen Verkehrsunfall aus dem September 2011, ein Urteil ist nicht vor 2015 zu erwarten. Im Grunde ist eine derartige Prozessdauer für alle Beteiligten unzumutbar.  Es stellen sich Fragen, ob man das Auto reparieren und dabei die Unfall- und damit Beweisspuren vernichten darf, ob man es verkaufen kann oder wie die Beweischancen aussehen, wenn sich Zeugen nach Jahren nicht mehr an Einzelheiten des Unfalls erinnern können,

Nachdem meine Klage im August 2012 (!) nach einem vorausgegangenen Prozesskostenhilfeverfahren rechtshängig geworden war, d.h. nachdem die Gegenseite die Klage vom Gericht zugestellt erhalten hatte, wurde ein Verhandlungstermin auf den 25. 2. 2013 anberaumt. Am Morgen des 25. 2. 2013 erreichte mich ein Telefonanruf des Gerichts, in dem mir mitgeteilt wurde, die Richterin sei krank, der Termin fände deshalb nicht statt. Als ich am 15. 3. 2013 die Ladung zu einem neuen Termin erhielt, glaubte ich, meinen Augen nicht trauen zu können. Der neue Termin sollte erst am 9. 9. 2013 stattfinden, 6 Monate nach dem zunächst vorgesehenen.

In der Verhandlung am 9. 9. 2014 wurde vom Gericht beschlossen, dass ein Unfallrekonstruktionsgutachten durch einen Sachverständigen erstellt werden soll. Der Gutachtenauftrag selbst wurde dem Sachverständigen erst am 11. 11. 2013, also erst zwei Monate nach der Verhandlung, erteilt. Das Gericht setzte dem Sachverständigen eine Frist für die Erstellung des Gutachtens bis zum 14. 2. 2014.

Man kann erfahrungsgemäß davon ausgehen, dass derartige Fristen von den Gutachtern nicht eingehalten werden und dass das Gericht von den ihm zur Verfügung stehenden Sanktionsmöglichkeiten gegen einen Gutachter (Verhängung eines Ordnungsgeldes) keinen Gebrauch macht. Auch in diesem Fall war das Gutachten am 14. 2. 2014 nicht fertig, der Gutachter hatte die Fahrzeuge bis zu diesem Tag nicht einmal besichtigt. Die gemeinsame Besichtigung der Unfallfahrzeuge in Gegenwart der Parteien und deren Rechtsanwälten fand schließlich am 20. 2. 2014 statt. Der Sachverständige erklärte im Anschluss an die Besichtigung, das Gutachten werde voraussichtlich Anfang Mai 2014 vorliegen. Mitte Mai teilte der Sachverständige mit, das Gutachten würde bis Anfang Juni 2014 fertiggestellt werden, immerhin entschuldigte er sich für die Verzögerung.

Bei mir ist das Gutachten letztlich am 2. Juli 2014 eingegangen.

Nun ist es natürlich so, dass die Prozessparteien Gelegenheit haben, sich mit dem Gutachten auseinanderzusetzen und dazu Stellung zu nehmen. Es mutet angesichts des vorstehend beschriebenen Zeitablaufs schon merkwürdig an, dass die Rechtsanwälte dann nur 2 Wochen Zeit haben, sich mit einem 17-seitigen Gutachten, in dem Bezug genommen wird auf 36 Anlagen, zu beschäftigen, mit dem Mandanten Rücksprache zu nehmen und einen Schriftsatz an das Gericht zu schicken. Aber im Interesse des zügigen Fortgangs des Verfahrens wird der Rechtsanwalt in der Regel diese Frist einhalten, so auch in diesem Fall.

Daraufhin teilte das Gericht mit, dass ein Termin für eine weitere mündliche Verhandlung über das Gutachten frühestens im März 2015 stattfinden könne.

Zwei Probleme könnten also bei der Erledigung der landgerichtlichen Verfahren eine Rolle spielen:

  1. Eine mögliche Überlastung der Gerichte.
  2. Die Verzögerung der Prozesse bei notwendiger Einholung von Sachverständigengutachten.

Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention), Art. 2 Abs. 1 GG (Grundgesetz) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG sollen einen wirkungsvollen Rechtsschutz gewährleisten und verpflichten damit zugleich, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zum Abschluss zu bringen.

Erschreckende gut 25 Prozent der erstinstanzlichen landgerichtlichen Urteile werden erst nach mehr als zwei Jahren gesprochen.

Liegt es an der Überlastung der Landgerichte?

Nein, denn Baden-Württemberg, das bundesweit die geringste Verfahrensdauer verzeichnet, hat ca. 18 Richter pro 100.000 Einwohner und Schleswig-Holstein, das auf eine wesentlich längere durchschnittliche Verfahrensdauer kommt, hat mehr als doppelt so viele Richter auf 100.000 Einwohner (Statistisches Jahrbuch 2012, S. 304).*

Nein, es ist viel banaler, wie eine vom Oberlandesgericht Hamm durchgeführte Ursachenforschung, an der sich vier Oberlandesgerichte beteiligt haben, ergeben hat (Der Präsident des Oberlandesgerichts Hamm (Hrsg) Langdauernde Zivilverfahren, 2013).

Danach werden die Verfahrensdauern beeinflusst durch:

  • die Höhe des Streitwerts
  • die Blattzahl der Akten
  • Verfahrensbesonderheiten (z.B. Widerklage)
  • eine Mehrheit von Klägern oder Beklagten
  • Anwaltswechsel
  • die Zahl der Zeugen
  • Terminverlegungen
  • den Verfahrensgegenstand

In jedem zweiten der langdauernden landgerichtlichen Verfahren findet eine Beweiserhebung mit Hilfe eines Sachverständigen statt. In 75 % der Fälle wurden die von den Gerichten gesetzten Fristen für die Erstellung des Sachverständigengutachtens um durchschnittlich 4,9 Monate überzogen. Nur in der Hälfte dieser Fälle folgte auf die Fristüberschreitung eine gerichtliche Reaktion und dann auch nur in Form einer Sachstandsanfrage.

Mit der gesamten Problematik befasst sich der diesjährige Juristentag in Hannover. Prof. Dr. Gralf-Peter Callies hat hierzu ein Gutachten verfasst und verschiedene Thesen aufgestellt, wie den Problemen beizukommen sein könnte, und die zu diskutieren sind, s. Juristentag, Prozessrecht, Der Richter im Zivilprozess –Sind ZPO und GVG noch zeitgemäß?, Thesen zum Gutachten von Prof. Dr. Gralf-Peter Callies, Bremen.

Hier eine Auswahl:

  • Bei den Landgerichten sind Spezialkammern für komplexe Verfahren, z.B. für Bausachen, Arzthaftungssachen, Verkehrsunfallsachen, Anlegerschutzverfahren etc. einzurichten.
  • Die Richterbank ist dabei interdisziplinär mit ehrenamtlichen Richtern (Bausachverständige, Amtsärzte, Steuerberater etc.) oder Fachrichtern zu ergänzen.
  • Die Zuständigkeiten dieser Kammern sind im Hinblick auf deren Auslastung ggfs. auch über Ländergrenzen hinweg zu konzentrieren.
  • Ein Richter, der wegen Überlastung oder aus sonstigen Gründen eine Erledigung von einem oder mehreren Verfahren in angemessener Zeit für unwahrscheinlich hält, hat dies dem Präsidium des Gerichts unverzüglich anzuzeigen, damit das Präsidium Maßnahmen ergreifen kann, die die Erledigung der betroffenen Verfahren in angemessener Zeit ermöglichen.

Ferner fordert Prof. Callies u.a.:

Im DRiG (Deutsches Richtergesetz) wird eine Fortbildungspflicht für Richter in fachlicher (Spezialisierung(, methodischer (Intervision etc.) und technischer (elektronische Akte etc.) Hinsicht verankert.

Die Vorschriften der ZPO (Zivilprozessordnung) zum Sachverständigenbeweis sind mit dem Ziel zu reformieren, das hoheitliche Zwangsverhältnis zwischen Gericht und Sachverständigen durch ein anreizgesteuertes Marktverhältnis zu ersetzen. Es ist eine bundesweite, gerichtinterne Sachverständigendatenbank mit Bewertungen und Erfahrungsberichten einzurichten.

Man darf gespannt sein………

Shooter, Anti-Cheat Software und potentielle Cheatsoftware

In letzter Zeit gab es einigen Ärger ob des Versuches einiger Anbieter von Action-Spielen (im Jargon auch „Shooter“ genannt), die sich hauptsächlich wegen des Multiplayermodus verkaufen, Anti-Cheat Maßnahmen durchzusetzen. Häufig bauen Hersteller dabei Drittsoftware ein, die sogenannte „Cheater“ automatisch filtern sollen. Leider schlagen solche Softwarekomponenten auch einmal quer und sperren die rechtmäßig erworbenen Spiele unverhofft und oft auch unberechtigt.

Dies ist in aller Regel mit deutschem Recht nicht vereinbar und zwar insbesondere auch nicht, wenn potentielle Software, die beispielsweise zum „Cheaten“ im Einzelspielermodus verwendet werden könnte, nur auf dem PC vorhanden ist, während des Spielens im Multiplayermodus aber nicht benutzt wird. Die rein latente Gefahr, diese Software nutzen zu können, berechtigt die Anbieter in aller Regel nicht zur Sperrung der Nutzung eines Multiplayermodus und somit zur Einschränkung der Nutzbarkeit des rechtmäßig erworbenen Spieles.

In einem solchen Fall kommt es nicht einmal auf die, im Detail komplizierten, Fragen der Einbindung von AGB oder der Anwendbarkeit von EuGH-Rechtsprechung an, mit der wir uns in den letzten Jahren regelmäßig auseinandersetzen müssen. Ein Anspruch zur Freischaltung von entbrechenden Zugängen gegen die Anbieter ist in solchen Fällen oft gegeben, meist dürften Anbieter jedoch nur auf Anwaltsschreiben reagieren.

Der Verkauf von Produktschlüsseln von Computerspiele („Keyselling“) verstößt gegen das Urheberrecht

Das Landgericht Berlin ist der Meinung, dass das sogenannte Keyselling gegen das Urheberrecht der Publisher verstößt und zwar unabhängig von der Frage, ob Keys nur einmal beispielsweise bei STEAM oder Origin einlösbar sind, da der urheberrechtliche Erschöpfungsgrundsatz jedenfalls dann keine Anwendung finde, wenn der „Keyseller“ eine vom Rechteinhaber verliehene Form aus physischem Datenträger und Produktschlüssel, eigenmächtig aufspaltet und nur den Produktschlüssel weitervertreibt.

Das Landgericht verneinte die Übertragbarkeit der „UsedSoft“-Entscheidung des EUGH auf den Fall des Vertriebs von Produktschlüsseln für Computerspiele insbesondere aufgrund der besonderen Verbindung von Computerspiele aus Computersoftware und Filmwerkbestandteilen.

Das inhaltlich und rechtlich durchaus fragwürdig begründete Urteil dürfte jedoch in der Branche Signalwirkung haben, da die unterliegende Partei nicht in Berufung ging und die tatsächliche Vereinbarung mit der „Usedsoft“-Entscheidung somit, zumindest nicht in diesem Fall, überprüft werden wird.

Nutzungsbedingungen von Diablo III teilweise nicht wirksam eingebunden

Das Landgericht Hamburg hat in einer letzte Woche entschiedenen Sache festgestellt, dass Blizzard beim Verkauf von Box-Versionen des Spieles Diablo III im Einzelhandel keine wirksame Einbindung der Nutzungsbedingungen gelingt. Nach Auffassung des Gerichts, das anders als in vorherigen Verfahren hier eine Einordnung der Nutzungsbedingungen als Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unproblematisch annimmt, sind die Erfordernisse des § 305 II Nr. 2 BGB nicht erfüllt. Der Kauf kommt somit nach § 306 BGB ohne die Nutzungsbedingungen zustande.

Leider war das Landgericht Hamburg nicht mutig genug, seine Überlegungen konsequent bis zum Ende durchzuziehen. Vielmehr nahm das Landgericht mittels einer mehr als fragwürdigen Konstruktion eine nachträgliche Einbindung der AGB an, die unserer Meinung nicht nur klar gegen EuGH-Vorgaben verstößt, sondern auch mit der Rechtsprechung des BGH (Happy-Digits Entscheidung) kollidiert.

Immerhin erteilt das Landgericht der Ansicht von Blizzard, dass es sich bei ihrem Battle.net Account um einen zweiten Vertrag handeln würde, eine sehr klare Absage. Das Landgericht geht hier konform mit der EuGH Rechtsprechung, dass der Erwerb eines Computerprogrammes und der Abschluss eines Lizenzvertrages über die Nutzung dieser Kopie ein unteilbares Ganzes darstellen.

Unverständlich bleibt jedoch, wie das Landgericht mit der Annahme der AGB bei der Installation des Spiels eine nachträgliche Vertragsänderung annehmen kann und daher die AGB als nachträglich wirksam einbezogen einordnet. Denn der BGH geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass einer schlichten Verwendung des Produktes keinerlei Erklärungswirkung innewohnt, d.h. eine Vertragsänderung durch die bloße Nutzung des Produktes ausscheidet. Das aktive Anklicken der Schaltfläche ist aber gerade eine solche Verwendungshandlung, weil das Spiel ohne die Bestätigung überhaupt nicht genutzt werden kann, so dass es auch hier an der Erklärungswirkung fehlt.

Dieser Gedankensprung, dass die Verwendung einer Teilnehmerkarte nach Ansicht des BGH keine Erklärungswirkung hat, die alternativlose Bestätigung von AGB nach Ansicht des Landgericht Hamburg jedoch schon, macht, auch ob der Kürze der Begründung im Vergleich zu dem restlichen Urteil den Eindruck, als ob man sich schlicht nicht getraut hat, den konsequenten Schritt zu gehen und die Hersteller von Software beim Verkauf im Ladengeschäft dazu zu zwingen, AGB vor dem Kauf bereit zu stellen, so wie es bei allen anderen Produkten der Fall ist.

Diese Fragestellung wird nun das Hanseatische Oberlandesgericht beschäftigen. Mal wieder ist das Landgericht Hamburg jedoch einen Schritt weiter gegangen und von seinen vorherigen Meinungen abgekommen. Man kann schon froh sein, dass sich die Kammer dieses mal nicht auf die noch viel fragwürdigere Rechtsmeinung, die betreffenden Blizzard AGB wären Spielregeln und somit überhaupt nicht überprüfbar, zurückgezogen hat.

Wir halten unsere Leser auf dem Laufenden.

*Update*

Wir haben das Urteil, geschwärzt, unter folgenden Link zur Verfügung gestellt.

South Park: Stick of Truth und die USK

Die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle hat Ubisoft dazu veranlasst für das aktuell unter Fans heißbegehrte Spiel „South Park: Stick of Truth“ für den deutschen Markt Änderungen einzufügen, die einige wesentliche Entschärfungen des derben Humors beinhalten und auch im Spiel verwendete Hakenkreuze mit einem schwarzen Balken überblenden. Allerdings scheint Ubisoft ein Faux Pas passiert zu sein, indem in die Handelsversion doch die nicht von der USK freigegeben Version eingelegt wurde.

Wer in einem kurzen Fenster des Glücks diese Version im Handel erworben hat, kann diese unbedenklich freischalten lassen über die jeweiligen Dienste, eine Verweigerung desgleichen dürfte Ubisoft nicht erlaubt sein. Vorsicht ist jedoch geboten, sich einen Produktschlüssel aus Russland oder anderen Nicht-EU Staaten zu besorgen. Hier könnte gegeben falls, mindestens durch den Verkäufer, eine Verwertungsrechteverletztung vorliegen und die Anbieter, wie beispielweise STEAM die betreffenden Produktschlüssel sperren lassen.

Anders sieht das unserer Meinung nach für im Europäischen Ausland erworbene bzw. aus dem europäischen Ausland importierte Produktschlüssel aus. Allerdings gibt es zu einigen der betreffenden Fragen noch keine endgültige Rechtsprechung, u.a. steht demnächst am Landgericht Berlin eine Verhandlung zu einer der Rechtsfragen an, nämlich inwieweit ein deutscher Publisher den Handel mit Produktschlüsseln untersagen kann. Über den Ausgang werden wir natürlich berichten.

Einbindung von AGB bei Diablo III / Blizzard

Aktuell vertreten wir einen Mandanten in Fragen, ob Blizzard den Verkauf von Gold aus Diablo III verbieten kann. Eine entscheidende Frage dabei ist, ob die AGB für Diablo III bzw. für das Battle.net beim Kauf im Ladengeschäft wirksam in die Verträge zwischen Spielern und Blizzard eingebunden wurden. In einer mündlichen Verhandlung, im Rahmen einer einstweiligen Verfügung, äußerte sich das Landgericht Hamburg dahingehend, dass es davon ausgeht, dass dies wohl nicht der Fall wäre, da die Hinweise auf die AGB zu klein wären und die AGB nicht, wie in § 305 BGB gefordert, zumutbar wahrnehmbar wären.

Eine derartige Entscheidung dürfte entscheidenden Einfluss auf zukünftige Geschäftspraktiken in der Computerspielbranche in Deutschland haben. Es bleibt jedoch noch abzuwarten, wie das Landgericht Hamburg über Anschlussfragen entscheidet, beispielsweise ob durch die „erzwungene“ Akzeptierung von AGB bei der Installation eine Einbindung stattfindet oder ob durch das Weiterspielen eine Vertragsänderung denkbar ist. Das Landgericht Hamburg hat hierzu Tendenzen erkennen lassen, sich aber noch nicht abschließend geäußert.

Unserer Meinung nach gibt es gewichtige Argumente, auch durch EU-Rechtsprechung, dass auch eine nachträgliche Einbindung/Vertragsänderung nicht möglich ist und Blizzard sich somit in vielen Fällen, insbesondere beim Goldverkauf/kauf, nicht auf ihre AGB stützen kann. Tendenzen dazu lässt auch das Landgericht Berlin erkennen.

Nach Bekanntgabe des Urteils aus Hamburg Anfang März werden wir einen größeren Artikel zu allen Details  und den sich daraus ergebenen Implikationen veröffentlichen.

Landgericht Berlin erklärt Teile der World of Warcraft AGB für unzulässig

Blizzard gelangt mit der Gestaltung der eigenen AGB zu World of Warcraft und dem Battle.net weiter unter Druck. So hat der Verbraucherzentrale Bundesverband in einem neuen Verfahren vor dem Landgericht Berlin erstritten, dass zahlreiche Klauseln zur Sperrung von Accounts bei Zahlungsverzug der Nutzer oder Rückbuchungen von Kreditkarten unwirksam sind.

Das entsprechende Urteil kann man <a href=“http://www.vzbv.de/cps/rde/xbcr/vzbv/Blizzard_LG_Berlin_15_O_300_12.pdf“>hier</a> nachlesen.

Derartige, sowie acht weitere Klauseln in den Nutzungsbedingungen,  sind unzulässig.

Eine fehlgeschlagene Abbuchung von der Kreditkarte des Kunden sollte laut Nutzungsbedingungen des Spieleanbieters reichen, um den Zugang fristlos und ohne vorherige Mahnung zu sperren und den Account zu löschen. Das gleiche sollte für den Fall gelten, dass eine Abbuchung vom Konto des Kunden „aus irgendwelchen Gründen“ zurückbelastet wurde. Danach wäre der sofortige Rausschmiss eines Spielers selbst dann möglich, wenn die gescheiterte Abbuchung auf einem Fehler in der Buchhaltung des Anbieters beruht oder es sich nur um einen Kleinstbetrag handelt. Eine Kündigung drohte auch den Spielern, die eine Lastschrift aus berechtigten Gründen zurückgaben. Eine solche Regelung benachteiligt Kunden, kritisierte der vzbv und bestätigten jetzt die Richter.

Die Richter beanstandeten zudem, dass die Kündigungsrechte der Kunden selbst nach einem Totalausfall des Online-Spiels stark eingeschränkt oder sogar ausgeschlossen waren. So sollte nach den Nutzungsbedingungen von Blizzard Entertainment ein Spieler nur dann kündigen dürfen, wenn der Service mehr als 72 Stunden in Folge ausgesetzt oder unterbrochen wurde – wenn ein Ausfall vorher angekündigt wurde, entfiel das Kündigungsrecht sogar ganz, unabhängig von der Dauer. Selbst wenn der Telekommunikationsbetreiber für den Ausfall verantwortlich war, wurde eine Kündigung in diesen Fällen ausgeschlossen.

Unzulässig ist laut dem Gericht auch eine Klausel, mit der sich Blizzard das Recht einräumte, Nutzungsbedingungen, Leistungen und Preise jederzeit und nahezu beliebig zu ändern. So sollte die Einführung neuer Gebühren unter anderem zulässig sein, falls das zur Verbesserung des Spielerlebnisses „nützlich“ erscheine.

Auch vor dem Landgericht Hamburg hat unsere Kanzlei ein weiteres Verfahren gegen Blizzard u.a. bezüglich der wirksamen Einbindung von deren AGB geführt. Das Urteil dazu, im Rahmen einer einstweiligen Verfügung, wird Anfang März erwartet und wir werden dazu berichten ob AGB von Blizzard überhaupt wirksam in World of Warcraft-Nutzungsverträge eingebunden wurden/werden.

Es gilt auch weiterhin, sowohl die Einbindung von AGB in Onlinespielen, als auch deren Ausgestaltung, kann im Einzelfall sehr kompliziert sein. Anbieter von Onlinespielen und von weiteren Onlinediensten, sollten auf jedenfalls anwaltlichen Rat in Anspruch nehmen, bevor diese, nach dem Start eines Unternehmens oder einer Geschäftsidee in juristische Fallen laufen. Wir sind dazu gerne behilflich.

Thomas Urmann ist der neuer Xaver

Vor genau einer Woche bedrohte das Sturmtief „Xaver“ große Teile Deutschlands. Insbesondere an der Nord- und Ostseeküste sorgten orkanartige Winde für einen enormen Anstieg der Wasserpegel und setzten weite Teile unter Wasser. Die Bilder von enormen Wellen, die Hafenanlage überspülten und zum Teil sogar über Deiche und Dünenkanten schwappten, sind uns allen noch in Erinnerung.

Kaum aber ist „Xaver“ über uns hinweggefegt, droht neues Ungemach aus Hamburg bzw. Regensburg. Von dort schwappte vor wenigen Tagen eine riesige Abmahnwelle über das Land. Betroffen waren dabei ca. 10.000 Besucher des Erotik-Portals Redtube. Die Regensburger Urmann + Collegen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (U+C) mahnte diese wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen durch so genanntes Streaming ab. Und das soll erst der Anfang gewesen sein. Aus Hamburg ließ der Geschäftsführer der Kanzlei, Rechtsanwalt Thomas Urmann, verlauten, dass weitere Abmahnungen, auch bzgl. anderer Streaming-Portale, in großer Zahl folgen werden (zu den Fragen der Rechtmäßigkeit des Streamings finden Sie hier genauere Ausführungen).

Dabei scheint es den Kollegen gar nicht zu stören, dass er sich mit seinem Handeln offenbar auf ganz dünnem Eis bewegt. Das beginnt bereits beim eingereichten Auskunftsersuchen beim LG Köln. Der zu diesem Zeitpunkt noch von der abmahnenden „The Archieve AG“ beauftragte Berliner Rechtsanwalt Daniel Sebastian hat darin anscheinend die entscheidenden Richter über die genauen Umstände der Sache getäuscht. So ging das Gericht ausweislich seiner Entscheidung, fälschlicherweise davon aus, dass es sich bei dem gegenständlichen Portal um eine Tauschbörse handelt. Die Richter begründen daher den Auskunftsanspruch mit dem urheberrechtsverletzenden Veröffentlichen des Werkes „Amanda’s secrets“. In den Abmahnungen der Kanzlei U+C, welche der beauftragte Rechtsanwalt Sebastian anscheinend bei der Bearbeitung der Fälle um Hilfe gebeten hatte, wird nunmehr aber eine urheberrechtswidrige Vervielfältigung abgemahnt, wohl wissend das die Nutzung eines Streaming-Angebotes gerade kein Veröffentlichen ist. Dafür hat das LG Köln den Auskunftsanspruch aber genaugenommen gar nicht gewährt.

Noch spannender ist aber fast die Frage, wie „The Archieve AG“ an die ganzen IP-Adressen gekommen ist. Die von der beauftragten Firma ITGuards genutzte Software Gladll 1.1.3 funktioniert bei Tauschbörsen, aber nicht bei Streaming. Soweit aber die Daten auf einem anderen Wege erlangt worden sind, stellt sich die Frage, warum das dann gegenüber dem Gericht verheimlicht worden ist. Redtube hat sich mittlerweile auch dazu geäußert und erklärt, dass sie keine Informationen herausgegeben haben. Inzwischen läuft diesbezüglich sogar schon ein Strafverfahren gegen einen Mitarbeiter von ITGuards.

Und ganz am Ende stellt sich noch die Frage nach der rechtlichen Situation des Streamings im Internet. Hier sind insbesondere 2 Paragrafen des Urheberrechts interessant: § 44a und § 53 UrhG. Der eine erlaubt eine nur vorrübergehende Vervielfältigung, die lediglich Teil des technischen Verfahrens der Nutzung sind, was bei der temporären Speicherung der Datei beim Streaming schon sehr nahe kommt (näheres haben wir hier ausgeführt). Der andere erlaubt die Vervielfältigung zur Nutzung bereit gestellter Werke zum privaten Gebrauch, soweit diese nicht offensichtlich rechtswidrig hergestellt worden sind.

Sollten auch Sie eine Abmahnung der Kanzlei U+C wegen Streamings erhalten haben, zögern sie daher nicht sich einen fachkompetenten Rechtsbeistand für die Angelegenheit zu suchen.