§ 19 UStG, Steuerbefreiung oder Steuererleichterung?

§ 19 Umsatzsteuergesetz (UStG) erlaubt es Unternehmen bis zu einem bestimmten Umsatz keine Umsatzsteuer an das Finanzamt abzuführen, im Gegenzug darf sich der Unternehmer die ihm gegenüber geltend gemachte Umsatzsteuer von Dritten nicht beim Finanzamt zurückholen (Vorsteuerabzug). Inwieweit der Wegfall einer Umsatzsteuerleistung gegenüber dem Finanzamt  darauf beruht, dass der Kleinunternehmer von der Umsatzsteuer gänzlich befreit ist oder ob er lediglich in der Entrichtung seiner gesetzlichen Steuern erleichtert wird, scheint dabei zunächst nur eine theoretisch anmutende Frage zu sein. Wenn plötzlich andere gesetzliche Regelungen in einem scheinbaren Widerspruch zu § 19 UStG stehen  kann dies jedoch unangenehme Konsequenzen für die Betroffenen haben. Ein solcher Umstand droht immer dann, wenn andere Gesetze konkrete Verhaltensmaßstäbe für Unternehmer in Bezug auf die Umsatzsteuer festlegen, wie  z.B. § 1 Preisangabenverordnung (PAngV).  Denn auch der Kleinunternehmer ist, wie die Bezeichnung bereits vermuten lässt, natürlich auch ein Unternehmer und damit diesen Regelungen unterworfen. Denn anders als das UStG kennen die anderen gesetzlichen Regelungen wie die PAngV eine besondere Regelung für Kleinunternehmer nicht. Dies hat nicht selten zum Ergebnis, dass der Kleinunternehmer eine ihn bettreffende Vorschrift versehentlich missachtet, was ihn gegenüber Wettbewerbern angreifbar macht. Diese können den Verstoß nämlich u.U. gemäß § 8 i.V.m. § 3, 4 Nr. 11 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) plötzlich für den Kleinunternehmer kostenpflichtig abmahnen.

Im Falle der PAngV stellt sich dabei konkret die oben erwähnte Frage. Nach § 1 PAngV müssen nämlich Preise für Waren oder Dienstleistungen vom anbietenden Unternehmer stets als so genannte Endpreise angegeben werden. Die Formulierung „Endpreis“  umfasst dabei sowohl das Leistungsentgelt als auch den entsprechenden Anteil an der gesetzlichen Umsatzsteuer, weswegen üblicherweise neben dem jeweils ausgewiesenen Preis das kleine Kürzel „inkl. Mwst.“ bzw. „inkl. Ust“ vermerkt wird. Die PAngV unterscheidet dabei aber nicht zwischen Unternehmer und Kleinunternehmer, so dass nun der Kleinunternehmer genau vor dem Problem steht, beinhaltet der von ihm ausgewiesene Preis nun  Umsatzsteuer oder nicht?

Enthielte der Preis Umsatzsteuer, so wäre diese ebenfalls  durch den entsprechenden Zusatz „inkl. Umsatzsteuer“ bzw. „inkl. Mehrwertsteuer“ anzugeben. Fehlt diese Angabe, droht sonst eine kostenpflichtige Abmahnung durch die Konkurrenz. Enthielte der Preis keine Umsatzsteuer, so muss der Kleinunternehmer deutlich machen, dass er keine Umsatzsteuer erhebt, z.B. durch den Zusatz „auf den Preis wird, gemäß § 19 UStG, keine Umsatz- bzw. Mehrwertsteuer erhoben“. In diesem Fall liefe er bei Angabe des Kürzels „inkl. Mwst.“ bzw. „inkl. Ust.“ sogar Gefahr, seinen Status als Kleinunternehmer aberkannt zu bekommen. In diesem Fall würde er augenblicklich Umsatzsteuer abführen müssen, die er zuvor jedoch nicht gegenüber seinen Kunden im Preis abgerechnet hat.

Gesetzeswidrig ist jedoch in jedem Fall die von einigen Kleinunternehmern angewandte Variante den Preis einfach ohne weitere Hinweise anzugeben. Dies ist nicht nur gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 PAngV ordnungswidrig, sondern auch abmahnfähig. Daher ist von dieser Praxis dringend abzuraten.

Nun aber zur Beantwortung der eingangs gestellten Frage: Hier hilft ein Blick in den Großkommentar zum UStG, wie ihn jeder gute Steuerberater (aber auch nur der) in seinem Bücherregal zu stehen haben sollte. Dieser teilt dem aufmerksamen Leser mit, dass die Formulierung des § 19 Abs. 1 UStG unglücklicherweise sehr missverständlich formuliert worden ist. Demnach wird die „geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben“, was zunächst wie eine Steuerbefreiung klingt. In § 19 Abs. 2 UStG wird dann aber deutlich, dass eine Steuerbefreiung gerade nicht vom Gesetzgeber gewünscht war. Demnach kann nämlich der Kleinunternehmer bis zur Festsetzung der Besteuerung entscheiden, ob er von der Regelung überhaupt Gebrauch machen möchte. Die Steuer wird dann erst nach Ablauf des Kalenderjahres festgesetzt.  Der Kleinunternehmer kann sich also zunächst auf die Regelung des § 19 Abs. 1 UStG berufen und im gesamten Jahr keine Umsatzsteuer geltend machen, sich nach Abschluss des Jahres jedoch anders entscheiden und für seine gesamten Umsätze Umsatzsteuer bezahlen (im Gegenzug ist er dann auch wieder vorsteuerabzugsberechtigt, was sich mitunter sogar rechnen kann). Wäre der Kleinunternehmer aufgrund seiner ursprünglichen Wahl das gesamte Kalenderjahr von der Steuer befreiet gewesen, so würde nach seiner späterer Entscheidung die Umsatzsteuer quasi rückwirkend für ihn erhoben werden, was systemwidrig wäre, weil dem Abgabenrecht eine solche Rückwirkung fremd ist. Vielmehr handelt es sich bei § 19 UStG um eine Erleichterung für den Kleinunternehmer, der zum einen auf seine Preise nicht stets die gesetzliche Umsatzsteuer hinzurechnen muss und gleichzeitig nicht sämtliche Belege für von ihm gezahlte Umsatzsteuer zum Vorsteuerabzug dokumentieren muss. Darüber hinaus spart sich das Finanzamt ebenfalls einen umfassenden  Arbeitsaufwand, da es die Angaben zur Umsatzsteuer vom Kleinunternehmer ebenso wenig  prüfen muss wie dessen Belege zum Vorsteuerabzug.

Für den Kleinunternehmer bedeutet diese Sachlage, dass er gemäß § 1 PAngV seine Preise tatsächlich stets mit der Angabe „inkl. Mwst.“ bzw. „inkl. Ust.“ versehen muss, denn Mehrwert- bzw. Umsatzsteuer ist darin tatsächlich enthalten. Darüber hinaus sollte vor dem endgültigen Abschluss eines Vertrages, bei Online-Anbietern, also vor der bindenden Betätigung des Bestell-Buttons, unbedingt darauf hingewiesen werden, dass gemäß § 19 UStG keine Umsatzsteuer an das Finanzamt  abgeführt wird. Dies ist für all diejenigen relevant, die ansonsten vorsteuerabzugsberechtigt wären, denn der Vorsteuerabzug ist nur dann möglich, wenn auch tatsächlich Umsatzsteuer abgeführt worden ist.

Wichtig ist darüber hinaus, dass in der abschließenden Rechnung keine Umsatzsteuer mehr ausgewiesen wird. Denn an dieser Stelle gilt die PAngV nicht mehr, so dass die Angabe einer Umsatzsteuer in der Rechnung zwingend zur Aberkennung des Status als Kleinunternehmer durch die Finanzämter führt.

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